Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion ebenso wie die Bundesregierung und, ich denke, auch die Europäische Union halten an der Zwei-Staaten-Lösung fest. Wir sind der Auffassung, dass zunächst die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden müssen, da einseitige Maßnahmen das Konfliktpotenzial erhöhen und deswegen eine dauerhafte Belastung für den Friedensprozess darstellen würden. Die israelische Regierung und die Palästinensische Autonomiebehörde sind daher aufgerufen, schnellstmöglich an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung nun wirklich als Ziel in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei muss natürlich sowohl das Existenzrecht Israels als auch ein lebensfähiger palästinensischer Staat in den Mittelpunkt gerückt werden. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Dennoch gibt es natürlich Gründe – das ist auch deutlich geworden –, über den Konflikt zwischen Palästina und Israel zu diskutieren; denn die Wahrheit ist doch: Fortschritte sind trotz enormer internationaler Bemühungen ausgeblieben. Nach dem Scheitern der von Außenminister Kerry vermittelten Friedensgespräche befinden wir uns nun wieder dort, wo wir uns vorher befunden haben, nämlich in einer Sackgasse.
Unruhe und Unzufriedenheit über den Stillstand bei diesen Verhandlungen wachsen, und das ist auch nachvollziehbar. Ich denke, auch hier bei uns im Deutschen Bundestag, auch in Europa steigt die Frustration über die fortdauernde Besatzung und über die fortgesetzte Siedlungspolitik; vor allem Letztere ist ein großes Hindernis für das Zustandekommen einer politischen Lösung. Diese Frustration erklärt auch die Debatten über eine Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates in anderen europäischen Staaten. Darüber ist auch in anderen europäischen Parlamenten sicherlich diskutiert worden.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Deswegen, Herr Kollege Gehrcke, ist Ihr Antrag auch nicht überraschend. Es ist auch in Ordnung, dass wir darüber diskutieren. Mich hat eher gewundert, dass er erst jetzt gestellt wird.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt Kritik! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wir sind schlau!)
Die politische Situation, vor der wir stehen, ist durchaus zwiespältig. Natürlich gibt es auf der einen Seite gute Gründe, die Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung zu kritisieren. Ich bin der Meinung, dass die Regierung Netanjahu sehr viel Zeit, eher zu viel Zeit, ungenutzt hat verstreichen lassen, überwiegend taktiert hat und damit leider konkrete Schritte in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung unterminiert hat. Das ist eine bedauerliche Entwicklung, und das ist auch von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und auch dieses Parlamentes wiederholt in einer angemessenen Form zum Ausdruck gebracht worden.
Ich denke auch, man kann am Ende nur schwer dem widersprechen, was Außenminister Kerry vor dem Kongressausschuss gesagt hat. Er hat relativ deutlich gemacht, wo er den größten Hinderungsgrund für das Scheitern seiner Initiativen gesehen hat, nämlich in der Weigerung der Regierung Netanjahu, sich wirklich auf substanzielle Gespräche einzulassen. Dazu gehört natürlich auch die Bereitschaft, entsprechende Zugeständnisse zu machen.
Aber auf der anderen Seite kann man hier auch nicht einfach so tun, als hätten wir hier im Deutschen Bundestag es in der Hand, über die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu entscheiden.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wir können unsere Meinung sagen!)
Das entspricht einfach nicht den Realitäten. Es ist so: Der Bundestag verfügt nicht über den Schlüssel – Sie, Herr Kollege Gehrcke, mögen das bedauern – zur Lösung des Nahostkonflikts. Man sollte darauf hinweisen, dass selbst dort, wo Anerkennungen ausgesprochen worden sind – im UN-Rahmen hat das die große Mehrheit der Staaten getan –, diese Anerkennungen, wenn man ganz ehrlich ist, fast keinerlei Auswirkungen auf die Politik der israelischen Regierung gehabt haben. Das mag man bedauern; trotzdem ist dies eine Tatsache.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist kein Argument! Dann kann man aufhören, Politik zu machen!)
Deswegen habe ich den Eindruck, dass hier eine Erwartung geschürt wird, die nicht erfüllt werden kann.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man über Alternativen nachdenken!)
Ich habe auch mit Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde darüber gesprochen. Das ist eine Erwartung der Autonomiebehörde, die ich gut nachvollziehen kann, die aber trotzdem in die Irre führt. Um es sehr klar zu sagen: Ein palästinensischer Staat entsteht nicht durch den Beschluss des Deutschen Bundestages, er entsteht nur durch eine einvernehmliche politische Lösung zwischen den Partnern.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich glaube, es ist wichtig, gerade in einer ausgesprochen sensiblen und entscheidenden Situation, in der in Israel darüber diskutiert wird, wie die neue Regierung zusammengestellt wird, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es die große Sorge gibt, zumindest in meiner Fraktion – ich könnte mir vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie diese Sorge teilen –, dass sich das Zeitfenster für eine Zwei-Staaten-Lösung langsam zu schließen beginnt.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was dann?)
Es muss uns Sorge machen – das ist hier von anderen Kollegen zu Recht gesagt worden –, dass die Äußerungen im Wahlkampf, dass es mit ihm, Netanjahu, als Ministerpräsidenten keine Zwei-Staaten-Lösung geben werde, in der Tat eine bedenkliche Entwicklung darstellen, auch einen Höhepunkt der bisherigen Palästina-Politik von Ministerpräsident Netanjahu. Denn er hat mit dieser Äußerung ja nicht nur eine Wahlkampfäußerung getätigt, Herr Kollege Wadephul, sondern natürlich im Kern auch das Instrumentarium, das wir über viele Jahre aufgebaut haben, infrage gestellt.
Ich will an dieser Stelle schon sagen: Wenn das die Politik einer neuen israelischen Regierung sein sollte, dann würde das natürlich nicht nur einen großen Rückschlag in der Debatte darstellen, sondern es wäre auch ein Bruch mit internationalen Verpflichtungen, die Israel eingegangen ist.
(Beifall des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])
Deswegen glaube ich, dass man in dieser Situation darüber noch einmal diskutieren müsste.
Ich bin schon ermutigt dadurch, dass Premierminister Netanjahu diese Äußerungen in den vergangenen Wochen relativiert hat und seine Bereitschaft geäußert hat, über die bisherigen Vorschläge von Außenminister Kerry weiter zu diskutieren.
(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das spricht ja gerade dafür, dass es eine Wahlkampfäußerung war!)
Ich will am Ende noch etwas zu der innenpolitischen Verfasstheit Israels sagen. Viele von uns haben bei der Beobachtung des Wahlkampfes den Eindruck gewonnen, als stünde die Frage der Zwei-Staaten-Lösung im Mittelpunkt der innenpolitischen Auseinandersetzung in Israel. Ich glaube, dass das eine Fehleinschätzung ist.
(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Genau!)
Es gibt in Israel große innere Spannungen. Sie haben etwas mit der demografischen Entwicklung zu tun. Sie haben etwas mit der ungerechten Einkommensentwicklung zu tun. Wir haben eine soziale Protestbewegung erlebt, die sich artikuliert hat und deren Vertreter jetzt zum Teil Mitglied der Knesset sind. Ich glaube, dass wir dieses ganz besondere Jahr des 50-jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen nicht nur nutzen sollten, um offizielle Gespräche zu führen – das ist alles hervorragend organisiert, und ich freue mich auf viele Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen in Israel –, sondern auch, um mit den Vertretern der neuen zivilgesellschaftlichen Initiativen über die gesamte Bandbreite unserer Beziehungen zu diskutieren und auch über die Sorgen, die in dieser Debatte artikuliert worden sind.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)