Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute im Laufe der Debatte war viel vom Sparen die Rede: Sparen bei Sozialleistungen, Sparen bei den Löhnen. Es gibt aber auch ein Sparprogramm für die De­mokratie in Europa. Verantwortlich für dieses Sparpro­gramm sind diese Bundesregierung und diese Bundes­kanzlerin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundeskanzlerin hat mit der viel gepriesenen Unionsmethode ein Europa der Regierungen, ein Europa der Hinterzimmer zusammengebastelt. Sie hat das Euro­päische Parlament geschwächt. Sie hat die Gemein­schaftsinstitutionen geschwächt. Sie hat damit der parla­mentarischen Demokratie in der Europäischen Union einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hat abermals einen Verfassungsbruch vollzogen. Spätestens seit dem jüngsten Urteil des Bundesverfas­sungsgerichts wissen wir: Sie tritt nicht nur die Rechte der parlamentarischen Institutionen in Brüssel mit Fü­ßen, sondern sie ignoriert auch die parlamentarischen Rechte des Deutschen Bundestages. Hier müssen wir uns auflehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb glaube ich Ihnen auch nicht, Frau Bundes­kanzlerin, sehr geehrte Damen und Herren der Bundes­regierung, dass Sie für ein demokratischeres und solida­rischeres Europa eintreten. An den Taten wollen wir Sie messen. Ihre Taten sind aber derart mickrig und un­glaubwürdig, dass Sie darüber lieber schweigen sollten.

Was ist aber jetzt in dieser schwierigen Stunde zu tun? Ich sehe im Wesentlichen zwei große Aufgaben für uns gemeinsam: Erste Aufgabe. Wenn wir über neue Zustän­digkeiten in Europa reden, sehe ich in den Augen vieler Kolleginnen und Kollegen Angst und Unsicherheit. Wir müssen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern deut­lich machen: Mehr Europa ist kein Machtverlust für uns. Wir gewinnen neue politische Handlungsfähigkeiten. Wir gewinnen politische Gestaltungskraft in einer globa­lisierten Welt zurück, in der die Nationalstaaten alter Prägung dies nicht mehr zu leisten vermögen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht also nicht um weniger Demokratie. Es geht um mehr Handlungsfähigkeit.

Zweite Aufgabe. Lassen Sie uns endlich ein Europa der Parlamente schaffen. Wir rennen doch den Urteilen aus Karlsruhe immer nur hinterher. Warum nutzen wir nicht endlich einmal diese Stunde und warten nicht da­rauf, was uns Gerichte mit auf den Weg geben? Warum überlegen wir nicht: Wie können wir eine parlamentari­sche Demokratie in Europa zukunftsfest machen? Da er­öffnet uns beispielsweise der Fiskalvertrag mit Art. 13 eine Option.

Wir dürfen uns nicht einbilden, dass parlamentarische Demokratie nur vom Europäischen Parlament oder von den nationalen Parlamenten jeweils alleine gesichert werden kann. Wir brauchen eine neue Partnerschaft der Parlamente in Europa. Wir müssen das gemeinsam erle­digen, sonst schaffen wir das nicht. Insofern hoffe ich, dass wir in Europa nicht nur eine Wirtschaftsregierung, sondern auch ein Wirtschaftsparlament etablieren, das die Entscheidungen der Regierungen und der Staats- und Regierungschefs abzusichern versucht, auch im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Deshalb kämpft die deutsche Sozialdemokratie eben nicht nur für ein Wachstumsprogramm für Beschäfti­gung; wir kämpfen auch für ein Wachstumsprogramm für mehr Demokratie in Europa. Liebe Kolleginnen und Kollegen, kämpfen Sie alle mit!

Zum Schluss noch eine herzliche Bitte: Der Ton macht die Musik. Vor dem Hintergrund, dass heute ein Bundesverkehrsminister in der Presse erst einmal 1 Mil­liarde Euro mehr für die Verkehrsinfrastruktur fordert, statt den Griechen Geld hinterherzuwerfen, und Kolle­ginnen und Kollegen davon sprechen, dass Südeuropäer in der Hängematte liegen, oder Abgeordnete und Bürge­rinnen und Bürger in Europa als Drogensüchtige be­zeichnen, bitte ich uns alle um Mäßigung. So werden wir kein solidarisches Europa schaffen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern bitte ich Sie alle: Machen Sie es besser! Re­den Sie verantwortungsbewusster, und bauen Sie keine Feindbilder auf! Wir müssen Feindbilder überwinden. Wir brauchen mehr Kooperation und Solidarität. Dazu fordere ich Sie auf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

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