Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Kinderschutz wirksam verbessern“, das klingt nicht nur wie eine Selbstverständlichkeit. Alle Redner und Rednerinnen hier und heute haben versichert: Kinderschutz ist ihnen wichtig, wichtig, wichtig. Doch auf dem Weg zu einem optimalen Kinderschutz zeigen sich die Unterschiede; Herr Geis, auch Sie haben die festgestellt.
Für die SPD heißt Kinderschutz vorrangig Prävention.
(Beifall bei der SPD)
Prävention sollte so früh wie möglich beginnen; denn Prävention bedeutet Erziehung zur Eigenverantwortung. In Kindern stecken vielfältige Begabungen und Potenziale. Die können sie aber nur entfalten, wenn sie früh und individuell gefördert werden; denn Entwicklung ist umweltabhängig.
Eltern wollen das Beste für ihre Kinder geben. Aber die Anforderungen an sie steigen ständig. Gleichzeitig haben sich die Familienstrukturen verändert. Sie bieten in vielen Fällen kein Hilfsnetz mehr nach dem Motto: Die Oma für den guten Rat zur richtigen Zeit. Alle Eltern das ist unabhängig vom Verdienst können in eine Situation rutschen, die ihnen ausweglos erscheint. Aber gerade Eltern, die in besonders riskanten Verhältnissen leben, sind auf Hilfe angewiesen.
Schon seit dem 30. April 2009 liegt dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der 13. Kinder- und Jugendbericht vor. Leider wurde er im Plenum immer noch nicht behandelt. Weder Frau von der Leyen noch Frau Köhler haben ihn bisher offen debattieren lassen. Warum nicht? Etwa weil darin der Prävention ein höherer Stellenwert zukommt, als es CDU und CSU gern hätten?
(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Nein! Wir wollen auch Prävention!)
Oder weil es Geld kostet, eine vernünftige und wirksame Infrastruktur aufzubauen? Die Experten fordern in diesem Bericht eine bessere Verzahnung von Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe, ohne die gesamte Verantwortung für die Jugendförderung an diese abzugeben.
(Beifall bei der SPD)
Die SPD stützt diese Forderung. Wir gehen sogar darüber hinaus: Wir fordern ein spezielles Präventionsgesetz.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen eine Netzwerkbildung, eine Präventionskette „frühe Kindheit“, die schon mit dem Einsatz von Hebammen beginnt. Sie können sich bereits frühzeitig um die Gesundheit des Kindes im Mutterleib kümmern und auf das Ernährungs- und Bewegungsverhalten von Mutter und Kind Einfluss nehmen - und dies flächendeckend.
Damit wird ein Vertrauensverhältnis zu jungen Eltern aufgebaut, um die Schwelle bei der Suche nach Hilfe und Unterstützung so niedrig wie möglich zu halten. Darum haben wir genauso wie Experten und Verbände den gesetzlich verpflichtenden Hausbesuch abgelehnt, Frau Landgraf,
(Katharina Landgraf (CDU/CSU): Er ist nicht so schlimm!)
den Frau von der Leyen vorgeschlagen hat. Wir lehnen ihn auch heute noch ab, weil er Vertrauen zerstören kann und damit kontraproduktiv ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Katharina Landgraf (CDU/CSU): Was ist denn das für ein Vertrauen?)
In einigen Städten und Gemeinden gibt es schon jetzt vorbildliche Strukturen; das ist eben angesprochen worden. Ich aus Nordrhein-Westfalen kenne zum Beispiel das Dormagener Modell. Dort wurde ein sinnvolles Präventionsnetzwerk geschaffen; denn zu schützen sind alle Kinder vom Baby bis zum Jugendlichen.
Meine lieben Kollegen und Kolleginnen von der Koalition, ich habe schon eine Idee, wie das finanziert werden kann. Werfen Sie den Plan für das Betreuungsgeld auf den Müllhaufen der Geschichte; da gehört er hin, denn er ist rückwärtsgewandt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf CDU/CSU: Was hat das mit Prävention zu tun?)
Nehmen Sie die Milliarden in die Hand und stecken Sie sie in Kinderschutz und Kindertagesstätten. Ich habe noch eine zweite Idee: Machen Sie das Schuldenbeschleunigungsgesetz rückgängig, das die Kommunen finanziell ausblutet.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann bleiben sie in der Lage, ein Netzwerk von Gesundheitshilfe, Bildungswesen und Jugendhilfe aufzubauen.
Die Investition in den Kinderschutz rechnet sich spätestens dann, wenn weniger Kinder in Heimen untergebracht werden müssen, wenn weniger Geld für die reaktive Gesundheitspflege ausgegeben werden muss. Um es deutlich zu sagen: Es geht nicht um freiwillige Leistungen, sondern um den ganz elementaren Schutz vor Gewalt und Vernachlässigung sowie um das jedem Kind zustehende Recht auf die Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Darum muss das Kinderrecht ins Grundgesetz. Denn im Grundgesetz steht das, was uns in der Gesellschaft wichtig ist.
(Beifall bei der SPD)