Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ja, wir müssen den Infektionsschutz auf das Maß des Notwendigen konzentrieren. Und dieses Maß – das sagen selbst Virologen, wenn sie an die Grenze ihrer eigenen Argumentation kommen – muss die Politik bestimmen. Darum diskutieren wir hier, und das ist auch richtig. Deshalb war es uns als SPD besonders wichtig, dass sowohl die Ausrufung der epidemischen Lage als auch deren Aufhebung hier von diesem Parlament beschlossen wird.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Denn es geht immer auch um das konkrete Schicksal von Menschen. Es geht um das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger, von Jung und Alt. Und an die Adresse der FDP, die sich heute hier so besonders engagiert, möchte ich noch einmal sagen: Wir haben ebenfalls sicherzustellen, dass auch die Schwächsten geschützt werden; denn persönliche Freiheit muss dort ihre Grenze haben, wo die Rücksichtnahme auf die Grundrechte anderer verletzt wird.
Es kann nicht sein, dass diejenigen – und jetzt bitte ich um Erlaubnis des geschätzten Präsidenten, dass ich ihn an dieser Stelle kritisch zitiere – einfach zu Hause bleiben müssen, die Angst haben. So, Herr Präsident, haben Sie es als freier Abgeordneter im öffentlichen Rahmen gesagt. Nein, wir als SPD wollen, dass die Risiken für alle reduziert werden, dass niemand Angst haben muss, dass Pflegerinnen und Pfleger ohne Sorge ihren Beruf ausüben können, dass Verkäuferinnen und Busfahrer ohne Angst ihrer Arbeit nachgehen können, dass Kinder wieder unbeschwert in Kita und Schule gehen und wir alle ohne Angst unsere hochbetagten Angehörigen besuchen können. Darauf kommt es jetzt an.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Wer noch immer vom Lockdown spricht, beschreibt nach meiner Einschätzung eine andere Wirklichkeit, als wir sie hier in Deutschland haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Wir haben die Änderungen im Infektionsschutzgesetz einschließlich der Feststellung einer epidemischen Notlage in großer Einmütigkeit beschlossen. Und unsere Bundesregierung hat die ihr übertragenen Sonderrechte sehr maßvoll angewandt, stets in Abwägung der aktuellen Infektionsentwicklung, transparent und begleitet von vielen politischen Debatten hier in diesem Saal.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Ist nun, drei Monate nach dieser Beschlussfassung, tatsächlich der Zeitpunkt gekommen, um diese Lage aufzuheben? Ich denke, nein; denn wir befinden uns noch immer mitten in einer weltweiten Pandemie und wollen alles tun, um eine zweite Infektionswelle in unserem Land zu vermeiden. Wir machen große Fortschritte bei der Eindämmung der Infektionszahlen – mit Ausnahmen. Und die Lockerungen führen uns Schritt um Schritt hin zur Normalität. Aber wir müssen das Bewusstsein wachhalten, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist.
Besonders angesichts der anstehenden parlamentarischen Sommerpause sollten wir den Weg der schnellen Reaktionsfähigkeit verantwortungsvoll weitergehen. Und ich sage auch klar: Das ist kein Freibrief für die Regierung. Wir als Parlament und auch die SPD-Fraktion werden selbstverständlich unsere parlamentarische Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive weiterhin sehr ernst nehmen. Wir werden ihr Tun in dieser Ausnahmesituation weiter konstruktiv, aber eben auch kritisch begleiten.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])
Ich denke, es ist gut, dass wir heute hier diskutieren. Aber lassen Sie uns diese Debatte nach den Erfahrungen während der parlamentarischen Sommerpause weiterführen und im September die notwendigen Entscheidungen treffen.
Keinesfalls sollte aber – ich komme zum Schluss, Herr Präsident – von der heutigen Debatte das Signal ausgehen, es sei alles überstanden. Noch immer sterben Menschen in unserem Land an Covid-19, noch immer gibt es Neuinfektionen. Darum ist es wichtig, dass wir weiterhin verantwortungsvoll Schritte hin zur Normalität gehen, aber eben deren Wirkung auch sorgfältig beobachten.
Vielen Dank.