Fünf Jahre vor dem Stichjahr 2015 zum Erreichen der Millenniumsziele, zieht Raabe eine schlechte Bilanz: Es muss noch viel mehr getan werden um die 8 UN-Millenniums Entwicklungsziele zu erreichen.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist fünf vor zwölf – und es ist fünf Jahre vor 2015 –, wenn wir noch die Millenniumsentwicklungsziele erreichen wollen, die sich im Jahr 2000 189 Staats-und Regierungschefs dieser Welt zum Ziel gesetzt haben, nämlich die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, allen Kindern eine Grundschulbildung zu ermöglichen, die Kinder- und Müttersterblichkeit drastisch zu reduzieren sowie eine gerechte Weltwirtschaftsordnung zu schaffen, um nur einige der acht Millenniumsentwicklungsziele, abgekürzt: MDGs, zu nennen.
Im September dieses Jahres findet eine Überprüfungskonferenz der Vereinten Nationen statt, um zu schauen, wo man im Jahre 2010, fünf Jahre vor dem Stichjahr 2015, steht. Nachdem es 2000 bis 2005 Fortschritte gegeben hat, ist nun leider festzustellen, dass es in den letzten Jahren wieder Rückschritte gibt. So liegt die Zahl der Hungernden, die bis 2005 auf 850 Millionen gesunken war, nun wieder bei über 1 Milliarde Menschen. Täglich sterben nach wie vor etwa 25 000 Menschen an den Folgen von Hunger und Armut. Wir sehen, dass die Erreichung der MDGs in dennächsten fünf Jahren nur schwer möglich ist. Wir als SPD-Fraktion sagen aber auch: Sie ist nicht unmöglich. Deshalb legt die SPD-Fraktion heute in ihrem Antrag einen umfassenden Aktionsplan vor, dessen Umsetzung die Erreichung dieser Ziele in den nächsten fünf Jahren noch möglich machen würde, und wir bitten um Ihre Unterstützung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich mehr in die Schlüsselbereiche ländliche Entwicklung, Bildung, Gesundheit und in den Aufbau sozialer Sicherungssysteme zu investieren. Wir fordern die Bundesregierung auch auf, in Ergänzung zu dem 12-Punkte-Aktionsplan der EU eigene Vorschläge zu machen, einen eigenen Aktionsplan vorzulegen und dann auf der Konferenz der Vereinten Nationen im September maßgeblich einen Aktionsplan mitzugestalten, mit dem dafür gesorgt wird, dass die in 2000 gefassten Ziele in den nächsten Jahren noch erreicht werden. Es steht viel auf dem Spiel. Es stehen Millionen Menschenleben auf dem Spiel. Deshalb müssen wir jetzt handeln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Um der Bundesregierung Arbeit zu ersparen, haben wir in unserem Antrag einen Aktionsplan erstellt, den sie gerne übernehmen darf. Allerdings ist eine ausreichende Finanzierung die Voraussetzung für diesen Aktionsplan und auch für die Erreichung der MDGs insgesamt.

In der Anhörung unseres Ausschusses, die wir diese Woche hatten, hat Herr Stelzer von den Vereinten Nationen den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit den Worten zitiert: Wir brauchen nicht neues, zusätzliches Geld, um die Ziele zu erreichen, sondern wir brauchen die Einhaltung der Zusagen und der Versprechen, die die Industrieländer bereits gemacht haben. – Aber diese Versprechen wurden von Deutschland und dieser Regierung eiskalt gebrochen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Harald Leibrecht [FDP]: Was habt ihr gemacht? Gar nichts in den letzten Jahren!)
Deutschland hat sich im Jahre 2005 dank des Engagements unserer damaligen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul verpflichtet, im Jahr 2010 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Die Kanzlerin hat dies immer wieder zugesagt. Aber sie hat zusammen mit Entwicklungsminister Niebel dieses Versprechen gebrochen. In diesem Jahr stehen nämlich lediglich 0,4 Prozent zur Verfügung.
Wer glaubt noch daran, dass diese Regierung das Versprechen einhält, bis zum Jahre 2015 0,7 Prozent zur Verfügung zu stellen angesichts der Tatsache, dass Entwicklungsminister Niebel vor wenigen Tagen in einem Schreiben zwar geäußert hat, dass er zu diesem Ziel steht, aber der stellvertretende Vorsitzende der FDP Fraktion und Haushälter Koppelin öffentlich bekundet,dass das alles Unsinn ist und dass wir die 0,7 Prozent nie erreichen werden? Was diese Regierung da tut, ist doch Heuchelei. Es ist schäbig, mit den ärmsten Menschen dieser Welt so umzugehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich höre vom Entwicklungsminister immer, dass es ihm um mehr Effizienz geht. Damit will er natürlich dem Fall vorbeugen, dass die finanziellen Zusagen nicht eingehalten werden. Wenn ich entsprechende Aussagen höre nach dem Motto „Mit weniger Geld schaffen wir mehr“, dann könnte ich vor Wut durch die Decke, sprich: durch die Kuppel, springen.
(Holger Haibach [CDU/CSU]: Das möchte ich einmal sehen!)
Sie sprechen zwar von Effizienz, aber tun genau das Gegenteil. Um mehr Effizienz in der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen, hat man sich in Paris und in Acera auf internationalen Konferenzen darauf verständigt, dass nicht jedes Land sozusagen nationale Fahnen auf die Projekte steckt und nicht Tausende von unabgestimmten Projekten in Entwicklungsländern initiiert werden. Man hat sich vielmehr auf eine international abgestimmte Zusammenarbeit geeinigt. Was macht aber dieser Entwicklungsminister? Er sagt, dass nur ein Drittel der Mittel für multilaterale Projekte, also für mit anderen Nationen abgestimmte Projekte, ausgegeben werden. Er will zwei Drittel der Mittel für Maßnahmen ausgeben, damit Deutschland auf Projekte die deutsche Fahne setzen kann. Ich sage Ihnen, Herr Niebel: Ihnen geht es nicht um eine Verbesserung der Effizienz im Interesse der Ärmsten der Armen, sondern Sie verstehen unter Effizienz eine Steigerung bei den Aufträgen für die deutsche Wirtschaft. Das ist mit uns nicht zu machen, Herr Minister.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der FDP)
Der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses der OECD – DAC –, Eckhard Deutscher, der für uns dort seit zweieinhalb Jahren tätig ist, mahnt natürlich an, dass Deutschland seine finanziellen Zusagen einhält. Er beklagt auch, wenn Deutschland seine Zusagen zur multinationalen Zusammenarbeit zugunsten nationaler Projekte zurückzieht. Herr Niebel, das hat der Vorgänger von Herrn Deutscher auch schon gemacht. Der Nachfolger wird dies ebenfalls tun. Deshalb werden Sie mit Ihrem Versuch, aus parteipolitischen Gründen internationale Experten wie Herrn Deutscher, der ein SPD-Parteibuch hat, in die Wüste zu schicken, kläglich scheitern. Das ist ein Skandal, Herr Minister. Damit kommen Sie bei uns nicht durch.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nachdem Sie in Ihrem Ministerium in den letzten Monaten Experten geschasst und durch Parteifunktionäre der FDP ersetzt haben, wollen Sie das auch auf internationaler Ebene tun. Ich sage Ihnen, Herr Minister:Wir haben nur ganz wenige Deutsche in Spitzenpositionen bei internationalen Organisationen. Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie diese Entscheidung zurück! Lassen Sie Herrn Deutscher dort seinen Job machen! Er hat das immer parteiübergreifend gemacht, und er hat es im Interesse Deutschlands und der Ärmsten dieser Welt gut gemacht.
Hören Sie auf damit, die Millenniumsziele so umzusetzen, dass Sie die Anzahl der FDP-Mitglieder im Ministerium verdoppeln, aber nicht die Anzahl der Ärmsten halbieren. Setzen Sie sich endlich mit Ihren Experten, unabhängig vom Parteibuch, an einen Tisch, und sorgen Sie dafür, dass wir mit unserem Aktionsplan, den wir heute vorlegen, bis zum Jahr 2015 die Millenniumsziele noch erreichen! Das wären meine herzliche Bitte und meine Aufforderung an Sie.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)