Die SPD erwartet von der Bundesregierung mehr Strategie und absichtsvolles Handeln. Dies müsse auch durch Haushaltsmittel unterlegt werden. Die Bundesregierung müsse Zukunftsperspektiven erarbeiten und gute Rahmenbedingungen schaffen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war zu erwarten, Herr Staatssekretär, dass Sie das, was Sie gesagt haben, hier heute sagen würden. Was bleibt Ihnen auch anderes übrig, als sich zu loben und die Politik der Bundesregierung herauszustellen? Worte sind Worte. Wir wollen aber Handlungen seitens der Bundesregierung sehen. Das erwarten nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch die maritime Branche insgesamt.

Es sollte Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass in den letzten Monaten auch bei Ihnen im Hause, bei uns allemal, unzählige Briefe der Branche angekommen sind, in denen von ihrer Sorge die Rede war und in vielerlei Hinsicht gesagt wurde: Liebe Freunde in der Bundesregierung, wir erwarten von euch ein Mehr an Handlungen, ein Mehr an Strategie und ein Mehr an absichtsvollem Handeln, unterlegt auch durch Haushaltsmittel und eine klare Strategie für die maritime Branche. - Hierzu gehört vor allen Dingen auch, dass der Partner Bundesregierung Zukunftsperspektiven erarbeitet und dass dies nicht allein die Industrie tun muss. Das ist, wie ich glaube, der entscheidende Punkt. Gute Rahmenbedingungen zu schaffen, ist Ihre Aufgabe, als Koordinator allemal. Es reicht nicht, nur zu moderieren, sondern Sie müssen auch aktiv handeln. Das wird auch eingefordert.

Diese Frage   das will ich auch in Richtung einiger anderer Mitglieder der Bundesregierung sagen   ist nicht nur eine exklusive Angelegenheit der Küste, sondern das betrifft auch viele Branchen, die zum Teil weit im Binnenland angesiedelt sind. Viele Exportaufträge werden durch Unternehmen aus Baden-Württemberg und Bayern abgearbeitet. Wir haben es hier mit einem Wachstumsmotor besonderer Güte zu tun. Ich glaube, dass allein 40 Prozent des Umsatzes der maritimen Wirtschaft   diese Zahl ist jedenfalls wiederholt aus der Bundesregierung genannt worden   in küstenfernen Bundesländern erwirtschaftet werden.

Doch nun zu dem, was wir erwarten. Die maritime Konferenz, die alle zwei Jahre stattfindet, nachdem sie in Emden begründet wurde, steht jetzt in Wilhelmshaven an. Diese Konferenzen sind ein guter Beleg dafür, dass Staat und Wirtschaft erfolgreich ein Bündnis eingehen können. Was ist seit der letzten Konferenz vor zwei Jahren in Rostock passiert? Die Situation in der Schifffahrtspolitik stellt sich außerordentlich beunruhigend dar, weil   das ist das Entscheidende   plötzlich der staatliche Partner, die Bundesregierung, in einer ganz wichtigen Frage, in der Schifffahrtsförderung, die Haushaltsmittel halbiert hat. Das hat zur Konsequenz, dass die Haushaltsmittel schon in diesem Jahr für das bereits zugesagte Volumen nicht mehr ausreichen.

Es sind weitere beunruhigende Äußerungen aus den Reihen der Bundesregierung zu vernehmen, aus dem Verkehrsressort und auch aus dem Wirtschaftsressort. Wenn man mit Vertretern der Branche diskutiert, stellt man fest: Das ist dort sehr negativ angekommen; die Beunruhigung in der Schifffahrtsbranche ist groß. Es kommt darauf an, dass die Bundesregierung in diesem Punkt wieder Zuverlässigkeit an den Tag legt. An dieser Zuverlässigkeit mangelt es zurzeit. Sie sind es, die zurzeit dieses maritime Bündnis, das wir 2000 in Emden beschlossen und begründet haben, aufkündigen. Das ist außerordentlich bedauerlich.

(Beifall bei der SPD   Torsten Staffeldt (FDP): Das ist Quatsch, Herr Beckmeyer! Das wissen Sie!)

Die FDP ist sicherlich die treibende Kraft dahinter; das will ich nicht verhehlen. Die Fraktion ist ja heute Morgen auf ihre wahre Größe geschrumpft. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Sie ein Scheinriese sind.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Gleichwohl will ich an dieser Stelle sagen: Die Branche - auch die Bremer Branche, Herr Staffeldt - macht deutlich, dass die Beihilfen 2011 von 57 Millionen Euro auf 28,5 Millionen Euro reduziert worden sind und dass diese Kürzung de facto bereits für das laufende Jahr einer kompletten Streichung gleichkommt, weil die Ansprüche aus 2010, die noch erstattet werden müssen, im Folgejahr angerechnet werden. Das bedeutet, bereits in diesem Jahr gibt es keine Beihilfen mehr. Angesichts dessen kann ich nur sagen: Wenn man auf der einen Seite von den Reedern erwartet, dass sie rückflaggen, dann muss man auf der anderen Seite auch die Bereitschaft zeigen, die eigenen Bündnisverpflichtungen einzuhalten.

Das zweite Thema ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Wir bekommen aus allen Teilen dieser Republik, von allen Branchen, die sich mit der wunderbaren „Reform“, die Sie sich vorgenommen haben, beschäftigen, Schreiben, in denen steht: Oh Gott, was passiert da eigentlich? Sind die völlig durchgeknallt? Sind die auf einem völlig falschen Weg? - Es scheint tatsächlich so. Die große CDU/CSU-Fraktion, die sich in dieser Angelegenheit in einer unerträglichen Art und Weise von ihrem kleinen Partner treiben lässt, kann keinen Kontrapunkt setzen. Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Das müssen Sie aber tun, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion CDU/CSU. Helfen Sie endlich Ihrem Verkehrsminister; sonst führt diese FDP Sie am Nasenring durch die Arena!

In dem Antrag der Regierungsfraktionen zur maritimen Wirtschaft, der heute vorliegt, finden wir erneut eine bedrohliche Ankündigung. Sie wollen nicht nur die Reform durchsetzen, sondern auf Seite 5 heißt es zudem - wenn auch unter der Überschrift „Hafenwirtschaft und Logistik“, dass ein Wasserstraßenausbaugesetz beschlossen werden soll. Das bedeutet doch, dass Sie dem Bundesverkehrsminister das Thema Wasser- und Schifffahrtsverwaltung aus der Hand nehmen und ein eigenes Gesetz machen wollen, dass er praktisch nicht mehr den Versuch unternehmen kann, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in einigermaßen ruhiges Wasser zu führen. Nein, die FDP kommt plötzlich mit einem Wasserstraßenausbaugesetz, und Sie als größte Fraktion akzeptieren das auch noch. Da kann ich nur sagen: Halloo Wach! Passen Sie auf, was hier aktuell passiert!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der dritte Punkt. Die IG Metall - dazu wird mein Kollege Garrelt Duin gleich noch ausführlich kommen - hat auf Ihre Beschwerde, Herr Staatssekretär, reagiert, dass sie so kritisch mit Ihnen umgegangen sei. Ich denke, das hat sie mit Recht getan. Wenn man sich anschaut, was die Bundesregierung bei der Finanzierung von Schiffsneubauten in Deutschland erreicht hat, stellt man fest, dass das verdammt wenig ist. Wir haben vor einem Jahr gemeinschaftlich mit den Ländern und unter Beteiligung aller relevanten Kräfte gesagt, dass wir uns anschauen wollen, was in Europa in Sachen Schiffsfinanzierung geschieht. Was ist daraus eigentlich geworden? Nicht sehr viel. Es gibt viele Beispiele dafür, dass in anderen Ländern wesentlich mehr gemacht wird, als in Deutschland jemals, jedenfalls in Ihrer Regierungszeit, geschehen ist. Das ist beispiellos schlecht. Das, was Sie momentan beim Schiffsbau als Erfolg der Bundesregierung reklamieren, ist in Wirklichkeit nicht Ihr Erfolg, sondern der Erfolg der Branche, die sich gewehrt hat, die einigermaßen findig war und sich in dieser Frage zum Besseren entwickelt hat. Das liegt aber nicht an Ihnen, sondern daran, dass die Akquisitionsbemühungen der Branche von Erfolg gekrönt waren. Das ist das Beste, was man an dieser Stelle für diese Branche feststellen kann: dass sie angesichts der fehlenden Unterstützung durch die Bundesregierung aus sich selbst heraus Kräfte entwickeln konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Strategie bedeutet in der Industriepolitik auch, sich wie andere Länder in Europa zu positionieren. Im Bereich des Marineschiffsbaus fehlt mir das gänzlich.

Zum Thema Offshore. Bis zum heutigen Tag ist es nicht gelungen   weil sich das FDP-geführte Wirtschaftsministerium offenbar immer noch durchsetzen kann  , dass in die Möglichkeiten der Finanzierung und der Hilfestellung für die Offshore-Windenergieanlagen auch Errichterschiffe einbezogen werden können, also aus diesem Topf mitfinanziert und unterhalten werden können. Lieber Herr Staatssekretär, die Branche versucht die ganze Zeit, pausenlos, Sie dafür zu gewinnen, aber anscheinend ohne Erfolg. Stattdessen werden solche Schiffe in Korea und in Polen gebaut, aber nicht in Deutschland.

(Ingbert Liebing (CDU/CSU): Sie haben sich doch nie um das Thema gekümmert!)

Da kann ich nur sagen: Das ist wenig von Erfolg gekrönt. Also bedarf es auch hier einer aktiveren Art der Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Sie merken, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe heute bewusst versucht, mich mit dieser Fragestellung sachlich auseinanderzusetzen.

(Lachen bei der CDU/CSU - Ingbert Liebing (CDU/CSU): Dünne Suppe war das!)

Diese Angelegenheit ist viel zu ernst, als dass man heute Morgen hierüber in Polemik verfallen sollte. Denn das betrifft zu viele Menschen und Schicksale, insbesondere an der Küste, aber auch im Binnenland. Dieses besondere industriepolitische Feld muss aktiv und auch intensiv beackert werden. Es verdient, durch die Bundesregierung Rahmenbedingungen gesetzt zu bekommen. Aber nicht nur ich habe den Eindruck, dass das mit der jetzigen Bundesregierung nicht gelingen kann.

Meine Damen und Herren, Herr Koordinator, das ist das Entscheidende und leider auch Bedauerliche, was wir vor der wichtigen Konferenz in Wilhelmshaven feststellen müssen, nämlich dass die Branche insgesamt verunsichert ist, dass die Branche unzufrieden mit den Leistungen ist und dass die Branche insgesamt sagt: So nicht!

Wir   das ist mein Resümee   werden auch in dieser Angelegenheit aktuell in Deutschland nicht gut regiert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)