Union und FDP kassieren die Rentner und die Geringverdiener ab, um den Arbeitgeberbeitrag einfrieren zu können. Darauf läuft es hinaus. Der Rentner, der 800 Euro bezieht, bekommt bei einer durchschnittlichen Kopfpauschale von 20 Euro nur 4 Euro Sozialausgleich. Das ist kein Ausgleich, sondern ein Almosen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst eine persönliche Bemerkung. Diverse Male wurden heute von der Opposition Sachthemen angesprochen. In der Kritik unserer Reden heißt es, wir würden nicht viel über die eigenen Konzepte sagen. Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, wie ungewöhnlich blass und inhaltslos die Rede des Ministers gewesen ist? Wann hört man eine so schwache Rede eines Ministers, wenn er sein erstes großes Gesetz vorstellt?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben doch nichts gehört. Der Minister war nicht in der Lage, eine einzige Zwischenfrage zuzulassen. Ich kann mich bereits jetzt nicht mehr erinnern, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil er nichts gesagt hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN   Lachen bei der CDU/CSU und der FDP   Heinz Lanfermann (FDP): Genau, das haben Sie nicht verstanden!)

Auch Sie wissen das. Diejenigen, die das bestreiten, frage ich: Wer kann sich erinnern? Niemand weiß etwas.

So, und jetzt zu Ihnen, Herr Spahn.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Können Sie sich daran noch erinnern?)

An Ihre Rede kann ich mich erinnern. Ihnen will ich einen rhetorischen Rat geben. Im Rheinland sagt man: Die Menschen, die in ihrer Rede zu häufig von der Ehrlichkeit sprechen, sind die größten Lügner. Das trifft heute auf Ihren Redebeitrag zu; denn Sie haben gesagt, dass wir die kleine Kopfpauschale wollten.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben gesagt, wir hätten das Defizit verursacht und machten jetzt keine Vorschläge.

(Heinz Lanfermann (FDP): Reiner Irrealis!)

Sie produzieren innerhalb eines Jahres ein Defizit von 10 Milliarden Euro und werfen uns dann vor, dass wir keine Vorschläge machen. Ja, wer regiert denn, Herr Spahn, meine sehr verehrten Damen und Herren? Das ist ja ein Witz.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen das Ministerium im dritten Quartal mit 1,9 Milliarden Euro Überschuss übergeben. Jetzt haben wir 10 Milliarden Euro Defizit, und Sie beklagen sich, dass wir keine Vorschläge bringen. Das ist doch absurd.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Da lachen Sie sich ja selbst kaputt!)

Nein, das ist die Wahrheit. Sie werden ausgelacht. Die Leute lachen nicht über mich, sondern die Leute lachen mit mir über Sie. Das ist die Tatsache!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN   Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Ja, das ist so. Jetzt zum Inhalt    

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Lauterbach, es wäre schon schön, wenn wir auch noch zur Sache debattieren würden.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Karl Lauterbach (SPD):

Ich rede zur Sache. Herr Präsident, ich habe auf jeden Fall schon mehr zur Sache geredet, als der Minister in seinem Redebeitrag.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN   Heiterkeit bei der CDU/CSU und FDP    Heinz Lanfermann (FDP): Sie können sich doch gar nicht erinnern, was er gesagt hat!)

Hier wird vorgetragen, wir wären es gewesen, die die kleine Kopfpauschale, die am heutigen Tage durch die Hintertür eingeführt wird, eingeführt hätten. Das ist eine Unwahrheit. Wir haben Zusatzbeiträge eingeführt, die 5 Prozent der Gesamtausgaben nicht übersteigen durften. Das heißt, jede weitere Ausgabensteigerung wäre zu 5 Prozent in die Kopfpauschale gelaufen. Jetzt laufen 100 Prozent der Ausgabensteigerung in die Kopfpauschale. Das ist der Unterschied. Von daher ist die Zusatzprämie heute zur Kopfpauschale geworden. Das ist heute zu vertreten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie versuchen, die Leute zu verdummen, indem Sie sagen, die Parität könne sich wirtschaftlich nicht länger halten, das paritätische System sei am Ende. Seien Sie doch so ehrlich und räumen Sie ein, dass wir es mit der Parität geschafft haben, die Arbeitslosenzahl unter 3 Millionen zu drücken. Das System ist nicht kaputt, es funktioniert. Sie wollen die Privatisierung, den Systemwechsel. Es geht Ihnen nicht um die Lohnzusatzkosten. Sie wollen das System amerikanisieren und privatisieren. Sie sind aber zu feige, das ehrlich zuzugeben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

In Wahrheit kassieren Sie die Rentner und die Geringverdiener ab, um den Arbeitgeberbeitrag einfrieren zu können. Darauf läuft es hinaus. Der Rentner, der 800 Euro bezieht, bekommt bei einer durchschnittlichen Kopfpauschale von 20 Euro nur 4Euro Sozialausgleich. Wissen Sie, wie ich das nenne? Das ist kein Sozialausgleich; das ist ein Almosen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei einer Rente von 1000 Euro bekommt er gar keinen Sozialausgleich. Kein Geringverdiener mit einem mittleren Einkommen von 1500 Euro kann einen Sozialausgleich erhalten, wenn die Kopfpauschale im Durchschnitt 30Euro beträgt. Das ist ein Abkassieren bei den kleinen Leute. Das ist weniger netto vom Brutto für die Leute, die Guido Westerwelle als Leistungsträger bezeichnet hat.

Herr Westerwelle, die Leistungsträger, die 1500 Euro verdienen, büßen bei einer Kopfpauschale in Höhe von 30 Euro 2 Prozent ihres Nettoeinkommens ein  ohne jeden Sozialausgleich. Wollen Sie das den Geringverdienern, den Leistungsträgern und den Menschen in den neuen Bundesländern anbieten?

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen geht es nicht um die Leistungsträger. Ihnen geht es um die PKV. Ihnen geht es um die Arbeitgeber. Das ist die Koalition des Kapitals, Herr Kauder. Dafür werden Sie in Baden-Württemberg abgestraft. Darauf können Sie sich verlassen. Das kann ich Ihnen versichern, Herr Kauder.

(Beifall bei der SPD  Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

In diesen Tagen bin ich im Rahmen des Vorwahlkampfes häufig in Baden-Württemberg.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Die laden Sie freiwillig ein?)

Sie liegen falsch, wenn Sie glauben, dass es den Menschen dort nur um den Bahnhof in Stuttgart geht. Die Leute wissen ganz genau, wo Sie abkassieren.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sie reden Unsinn!)

Für Sie haben die Arbeitgeber, die private Krankenversicherung und die Ärzte Priorität, nicht die Rentnerinnen und Rentnern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Erfolg Ihrer Partei hängt wie bei keiner anderen Partei von den Wählerstimmen der Rentner ab.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Können Sie einmal anders als wahltaktisch argumentieren?)

Sie werden abgestraft werden. Die Menschen werden das im Januar begreifen. Im Januar flattern die Rechnungen ins Haus, Herr Kauder. Dann werden die Leute kapieren, was diese Reform bedeutet. Dann werden nicht nur Ihre Umfrageergebnisse schlechter. Dann erhalten Sie die Strafe dafür, dass Sie hier abkassieren.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Kennen Sie eigentlich die Umfragen zur SPD in Baden-Württemberg? Sie laufen den Grünen hinterher! Sie sind die Fußkranken in Baden-Württemberg!)

Sie sind nicht bereit, offen dazu zu stehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN   Jens Spahn (CDU/CSU): Das sind aber lange sieben Minuten!)

Gestern wurde uns von Ihnen der Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das gut für die Pharmaindustrie und gegen die Patienten gerichtet ist. Heute liegt uns ein Gesetzentwurf vor, der gut für die Arbeitgeber und die private Krankenversicherung ist und ebenfalls gegen die Patienten und Versicherten gerichtet ist. Ein solches Vorgehen ist einer Partei, die sich damit brüstet, eine christliche Partei zu sein, unwürdig. Wo sind denn die christlichen Elemente in diesem Gesetzentwurf, Herr Kauder? Davon ist nichts zu sehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN   Jens Spahn (CDU/CSU): Jetzt wird es ein bisschen maßlos!)

Dazu, dass die Vorkasse, die Abkassiererei eingeführt wird, sagt uns der Minister: Die Menschen müssen das ja nicht machen. Niemand hier ist so dumm, zu glauben, dass die Menschen das machen müssen. Als Minister haben Sie aber die Pflicht, die Menschen vor der Abzocke zu schützen, und nicht, sie einzuführen, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss, bevor ich abgemahnt werde. Meine Redezeit ist abgelaufen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ihre Zeit ist rum, nicht abgelaufen!)

Sie werden sich noch an meine Worte erinnern. Sie werden schon sehen. Ich habe gesagt: Wegen der miserablen Gesundheitspolitik wird Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen demnächst seinen Stuhl räumen müssen. Genau so ist es gekommen. Das habe ich hier vorgetragen.

(Heinz Lanfermann (FDP): Ein Prophet!)

Jetzt sage ich voraus: Herr Mappus wird der Nächste sein, der sich wegen dieser Gesundheitspolitik verabschiedet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ob die Grünen oder wir dann vorne liegen, ist mir egal. Hauptsache, es ist eine progressive linke Partei, die weiß, wo das Herz schlägt.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)