Rohstoffhandel muss transparent sein und zu fairen Bedingungen stattfinden. Die Förderung von Good Governance ist wichtig, aber auch Industrienationen wie Deutschland müssen sich intensiv für eine verbesserte Rohstoffpolitik einsetzen, damit sowohl Rohstoffimporteure als auch -exporteure vom Handel profitieren können.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Extraktive Rohstoffe sind ein knappes und endliches Gut. Sind Staaten wie die Bundesrepublik, die wenig bis gar keine extraktiven Rohstoffvorkommen aufweisen, auf die externe Versorgung mit solchen Gütern angewiesen, dienen ausgewogene Rohstoffabkommen für die notwendige und kontinuierliche Lieferung der angeforderten Rohstoffe, um die heimische Industrie am Laufen zu halten. Das ist für den Standort Deutschland gut. Was aber nicht gut ist, ist die Art und Weise, wie die Bundesregierung und die Europäischen Union ihre Rohstoffpolitik verstehen. Hier sollen deutsche Rohstoffinteressen auch zulasten der ärmsten Menschen durchgeboxt werden – selbst von militärischer Absicherung der Rohstoffversorgung war die Rede. Für mich ein unglaublicher und inakzeptabler Vorgang.
Rohstoffpolitik ist ein sensibles Feld. Die Verfügbarkeit über knappe Ressourcen birgt starke Interessenskonflikte und weckt Begehrlichkeiten auf vielen Stationen einer langen Rohstofflieferkette. Ob Kupfer aus Chile, Zink aus Peru oder Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo. Bis der Rohstoff von der Gewinnung aus Minen zur endgültigen Veredelung seinen Platz in einem deutschen Volkswagen oder Opel findet, wandert er entlang einer teils intransparenten Interessenkette, bei der viele Beteiligte auch ein großes Stück vom Rohstoffkuchen naschen wollen. Doch wer zu viel nascht, der bekommt nicht nur einen unübersehbaren Wohlstandsbauch, sondern der futtert anderen das eigentlich zugesprochene Stück Kuchen auch noch weg.
Das Ergebnis ist frappierend. Für die meisten Menschen in den Entwicklungsländern bereitet der eigentlich vorhandene Rohstoffreichtum den Weg in die nicht enden wollende Armutsspirale. Denn anstatt von dem kostbaren Gut, das in der Erde schlummert, zu profitieren, sind die vorhandenen Rohstoffe für viele dieser Länder eher Fluch als Segen. Das ist so paradox wie es traurige Gewissheit ist.
Zwangsvertreibungen und unzureichende Entschädigungen ignorieren beispielsweise bestehende Landrechte indigener Völker und treten das Recht auf Nahrung mit Füßen. Skrupellose international agierende Unternehmen, Korruption, Vetternwirtschaft und ungenügende Rechtsgrundlagen im Bereich von Menschrechten und Umwelt- und Sozialstandards sind dafür verantwortlich, dass die Einnahmen aus dem Rohstoffhandel oftmals auf undurchsichtigen Wegen versickern, die Arbeiter in den Rohstoffminen keine fairen Löhne erhalten, zu menschenverachtenden Konditionen ihre Arbeit leisten, die Umwelt bei der Förderung bestimmter Rohstoffe extremen Schaden nimmt und nicht selten schlimme Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen vor Ort haben.
Natürlich werden viele sagen, dann müssen die jeweiligen Staaten eigenständig dafür sorgen, dass Steuereinnahmen generiert werden, die Gelder in den öffentlichen Haushalt fließen und wichtige Umwelt- und Sozialstandards rechtlich verankert werden. Diese Einschätzung teile ich nur eingeschränkt. Sicherlich müssen die jeweiligen Regierungen in den Entwicklungsländern dafür Sorge tragen, dass die Einnahmen aus dem Rohstoffreichtum ihres Landes auch gerecht verteilt bzw. zum Wohl der Gesellschaft verwendet werden. In diesen Staaten Good Governance zu fördern ist daher richtig – aber nicht ausreichend. Es ist auch unsere Aufgabe als Industrienation dafür zu sorgen, dass der Rohstoffhandel zu transparenten und fairen Bedingungen abläuft. Sowohl die am Handel beteiligten Unternehmen als auch die Regierungen der importorientierten Länder müssen hier ihrer Verantwortung gerecht werden. Dabei darf die Rohstoffsicherung nicht auf Kosten von Armutsbekämpfung durchgesetzt werden. Beides gilt es miteinander in Einklang zu bringen. Notfalls auch um den Verzicht auf Rohstoffe aus fragilen Ländern.
Es kann jedenfalls nicht sein, dass einerseits der Mangel an vorhandenen Schutzregelungen für Mensch und Umwelt und transparenten und fairen Steuerregelungen moniert wird, aber gleichzeitig nicht davor zurückschreckt wird, diesen Mangel zum eignen Vorteil zu nutzen, indem in der Förderregion ansässige Bergbaugesellschaften – die meist Tochterunternehmen westlicher Unternehmen sind – viel zu niedrige oder teils gar keine Steuern zahlen. Daher lautet mein Appell an die deutsche Wirtschaft hier mit unternehmerischer Verantwortung vorbildhaft voranzugehen und selbst einen fairen Rohstoffhandel einzufordern.
Fairer Handel bedeutet für die SPD-Bundestagsfraktion, dass alle an der Handelskette Partizipierenden auch vom Handel profitieren. Das setzt die Einhaltung sozialer, wie beispielswiese den ILO-Kernarbeitsnormen, und ökologischer Mindeststandards sowie der Menschenrechte voraus. Eine durch Transparenz und klare Regelungen geschaffene Kontrollmöglichkeit ist unabdingbar. Im Gegensatz zur Bundesregierung sind wir der Meinung, dass der Rohstoffhandel nicht alleine der Privatwirtschaft überlassen werden kann. Darum brauchen wir zukunftsorientierte Strategien, die allen Beteiligten gerecht werden und international verankert werden. Ziel ist ein weltweites Rohstoffregime mit transparenten Regeln und fairen Bedingungen für Anbieter und Abnehmer. Das haben wir in unserem Antrag „Fairen Rohstoffhandel sichern – Handel mit Seltenen Erden offen halten“ (Drucksache 17/4553) eindringlich gefordert.
Uns ist dabei besonders wichtig, dass Rohstoffpartnerschaftsabkommen mit Entwicklungsländern der Entwicklung des Landes und der dort lebenden Bevölkerung dienen. Bei der Förderung von Rohstoffen in Entwicklungsländern muss deshalb darauf geachtet werden, dass die lokal betroffene Bevölkerung frühzeitig in den Prozess eines solchen Abkommens eingebunden wird und Transparenz bei der Verteilung der Gewinne im Sinne der Extractive Industries Transparency Initiative, EITI, aus der Rohstoffpartnerschaft hergestellt wird.

Über Transparenz hinaus muss eine gerechte Verteilung der Gewinne durchgesetzt werden. Eine Zertifizierung der Handelsketten flankiert diese Forderung. Dabei muss klar sein, dass Rohstoffpartnerschaftsabkommen keinen Einfluss auf die Auswahl unserer Länder haben, mit denen wir Entwicklungszusammenarbeit betreiben. Wir werden der Bundesregerung bei der zukünftigen Auswahl der Partnerländer ganz genau auf die Finger schauen.
Beim Thema fairen Rohstoffhandel, sind uns die Amerikaner einen Schritt voraus. Dort trat im Sommer 2010 die Cardin-Lugar Novelle als Teil der Dodd-Frank Wall Street Reform in Kraft. Die Novelle verlangt von allen Rohstoffunternehmen, die an der US-Börse Rohstoffe handeln wollen, sämtliche Zahlungen an die U.S. und andere Regierungen in Verbindung mit der Extraktion von Öl, Gas und Mineralien offenzulegen. Alle bei der Wertpapieraufsichtsbehörde SEC, U.S. Securities & Exchange Commission, geführten Unternehmen sind von dem Gesetz betroffen, egal in welchem Land sie ihren Sitz haben. Die Zahlungsströme müssen im jährlichen Bericht an die SEC offengelegt werden und zur Information online zur Verfügung gestellt werden. Sukzessive werden jetzt 16 Hauptartikel und mehr als 500 Einzelartikel umgesetzt.
Mit diesem Gesetz wird mehr Transparenz hergestellt und Korruption verringert. Nichtregierungsorganisationen wie ONE sehen dieses Gesetz und die damit verbundenen Entwicklungen sehr positiv. Wir unterstützen das und werden diesen Prozess aktiv begleiten. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene für die Einführung eines solchen adäquaten Gesetzes einsetzen.