Dr. Sascha Raabe (SPD):
Transparenz im weltweiten Handel mit Rohstoffen ist die absolute Grundvoraussetzung dafür, dass künftig mehr Menschen in Entwicklungsländern von den Gewinnen, die erzielt werden, profitieren können. Jährlich werden enorme Summen im Rohstoffhandel umgesetzt; zu den Gewinnern dieser Geschäfte zählen aber nur einige wenige. Dabei würde dieses Geld dringend benötigt, um Hunger und Armut zu bekämpfen, um Bildungs-, Gesundheits- und soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Es ist jenes Paradoxon, das uns unbegreiflich erscheint und wütend macht: Trotz des vorhandenen Rohstoffreichtums ihrer Länder müssen Menschen um ihr tägliches Überleben kämpfen.
Wo aber bleibt das Geld? Vieles davon versickert nach wie vor in den Taschen korrupter Regierungen und international operierender Unternehmen, weil die Zahlungsflüsse nicht aufgedeckt werden müssen. Ein gutes Geschäft für einige wenige Reiche, die sich ungeniert bedienen, ein schlechtes für die vielen Armen. Sie dürfen allenfalls in den Minen schuften; von dem, was sie dort aus dem Boden holen, haben sie nichts. Und da viele dieser Geschäfte im Dunkeln bleiben, haben die Armen auch kaum eine Chance, ihren gerechten Anteil einzufordern.
Seit Jahren schon setzt sich die SPD gemeinsam mit der Zivilgesellschaft für mehr Transparenz ein. Es ist ein Umdenken angestoßen worden, und selbst die USA haben erkannt, dass etwas passieren muss. Sie haben mit dem Dodd-Frank-Act, mit dem börsennotierte Unternehmen verpflichtet werden sollen, die Zahlungsströme zu melden und so nachvollziehbar zu machen, einen sehr guten Aufschlag gemacht. Auch die EU-Kommission hat reagiert und im vergangenen Oktober zwei Richtlinienvorschläge vorgelegt, die sehr weitgehende Offenlegungspflichten für Unternehmen im Rohstoffsektor beinhalten. Darin ist vorgesehen, dass Unternehmen ihre Zahlungen, die sie im Zusammenhang mit der Gewinnung von Rohstoffen an Regierungen leisten, offenlegen müssen. Neben der klassischen fördernden Industrie, also etwa Öl, Gas, Bergbau, betrifft dies auch die holzgewinnende Industrie. Das ist grundsätzlich klar zu unterstützen, und daher werden wir auch dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Umsetzung der Richtlinien fordert.
So weit, so gut. Allein die Bundesregierung spielt bei den noch laufenden Verhandlungen eine undurchsichtige Rolle oder, um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Beim so wichtigen Thema Transparenz herrscht bei der Bundesregierung alles andere als Transparenz. Die Unterrichtung zum aktuellen Verhandlungsstand, die wir in dieser Woche im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf der Tagesordnung hatten, hat mich jedenfalls einigermaßen ratlos und verärgert zurückgelassen. Während das Entwicklungsministerium Hü sagt, sagt das federführende Justizministerium Hott und tritt kräftig auf die Bremse. Dafür hagelt es zu Recht heftige Kritik vonseiten vieler Nichtregierungsorganisationen. Nicht umsonst hat der Deutschlandchef der Organisation ONE, Tobias Kahler, die Bundesregierung erst in dieser Woche zum wiederholten Male aufgefordert, endlich ihren Widerstand gegen die Korruptionsbekämpfung in der Rohstoffpolitik aufzugeben.
Eigentlich sollen die Verhandlungen über die Richtlinien noch in der dänischen Ratspräsidentschaft bis zur Jahresmitte abgeschlossen werden. Ob das gelingt, scheint angesichts der vielen ungeklärten Fragen zweifelhaft. So ist beispielsweise noch offen, ob es eine Wesentlichkeitsgrenze geben soll, also eine festgelegte Grenze des jeweiligen Geschäftsumfangs, unterhalb derer eine Berichtspflicht nicht besteht. Hier wird man aufpassen müssen, dass eine solche Grenze keine Einfallstore für Tricksereien – etwa das Splitten eines Abschlusses in mehrere kleinere Geschäfte zur Umgehung der Offenlegungspflicht – eröffnet.
Ebenfalls keine Einigkeit gibt es bislang darüber, ob sich die Berichtspflichten auf einzelne Projekte beziehen sollen oder ob nur Gesamtsummen pro Land genannt werden müssen. Und wohlgemerkt: Die Uneinigkeit in diesem zentralen Punkt besteht nicht nur innerhalb der EU, sondern ganz offensichtlich auch zwischen den beteiligten Ressorts innerhalb der Bundesregierung. Dabei handelt es sich hier um eine der entscheidenden Fragen: Wird der Vorschlag der Kommission von einigen Regierungen der Mitgliedstaaten so weit aufgeweicht, dass er zum zahnlosen Tiger wird, oder wird er am Ende wirklich ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Korruption und dreckigen Geschäften sein können? Aus unserer Sicht kann es da keine zwei Meinungen geben: Ohne die eindeutige Projektbezogenheit macht die Offenlegung wenig Sinn. Eine klare Festlegung der Bundesregierung – so es sie nicht in Wirklichkeit schon gibt; die Töne, die von deutschen Regierungsvertretern in Brüssel angeschlagen werden, klingen jedenfalls eindeutiger als das, was uns hier in Berlin erzählt wird – wäre dringend angezeigt. Aber leider Fehlanzeige – das Bundesjustizministerium laviert uns gegenüber im Ausschuss herum und versteckt sich hinter der Aussage, dass es in diesem Punkt auch zum Dodd-Frank-Act noch keine Ausführungsbestimmungen gibt. Das ist zum einen nur die halbe Wahrheit; denn die Dodd-Frank-Regelungen sind in puncto Projektbezogenheit bereits recht eindeutig, und da der US-amerikanische Wertpapier- und Börsenausschuss bei der Formulierung der technischen Ausführungsbestimmungen an die Buchstaben des Gesetzes gebunden ist, ist absehbar, dass er die Project-by-Project-Regelung umsetzen muss. Der Interpretationsspiel¬raum ist hier nach Aussagen von Senator Cardin, einem der Urheber von Dodd-Frank, äußerst begrenzt. Würde also eine EU-Regelung nicht die eindeutige Projektbezogenheit umfassen, wäre die Industrie demnächst zwei Standards unterworfen. Man kann sich das Chaos, das dann entsteht, ungefähr ausmalen.
Eine Prognose über die Entscheidung der Amerikaner ist also nicht so schwer, wie es uns die Bundesregierung glauben machen will. Aber selbst wenn wir dem Justizministerium folgend davon ausgehen, dass es noch der Ausführungsbestimmungen zum Dodd-Frank-Act bedarf, kann man andererseits nur sagen: Dann gehen Sie doch mutig voran und treffen Sie eine eigene Entscheidung für eine wirksame und kraftvolle Regelung!
Die Bundesregierung scheint – zumindest in Teilen – auf Zeit zu spielen. Sie lässt sich statt von kritischen Nichtregierungsorganisationen lieber vom BDI beraten, um mit dem Scheinargument, eine übermäßige Bürokratie verhindern zu wollen, eine möglichst weichgespülte, industriefreundliche Fassung der Richtlinie zu bekommen. Dabei hält sogar der frühere BP-Chef Lord John Browne die Einwände seiner ehemaligen Kollegen, dass eine Umsetzung der Richtlinien für die Unternehmen zu kostspielig sei und möglicherweise zu Konkurrenznachteilen führen könnte, für abwegig. So hat er es in dieser Woche in einem Beitrag für die „Financial Times“ geschrieben. Lord Browne – und das ist bemerkenswert – sieht insbesondere die deutsche Regierung in der Pflicht. Als einstmals treibende Kraft hinter der Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft, EITI, und als, wie er schreibt, „Champion der guten Regierungsführung“ sollte gerade Deutschland dieses Gesetz unterstützen. Es werden also international in dieser Frage große Erwartungen an die Bundesregierung geknüpft. Bisher hat sie diese Erwartungen leider enttäuscht. Und solange sie ihre Blockadehaltung nicht ablegt, macht sie sich zum Handlanger jener korrupten Regime und skrupellosen Konzerne, die die Bevölkerung gnadenlos ausbeuten.
Rohstoffe dürfen nicht länger Fluch, sondern sie müssen Segen für die ärmsten Länder sein.