Religions- und Weltanschauungsfreiheit bedeutet, dass es auch ohne Religion und Weltanschauung geht. Es geht darum, den Glauben anderer zu respektieren. Das wünsche ich mir von allen Mitgliedern dieses Hauses. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit. Das stammt aus der sozialdemokratischen Bibel. Es stammt von Willy Brandt.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Der wird in den letzten Tagen auch wieder oft bemüht!)

Er hat das auf einem Parteitag gesagt, als er nach einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr für das Amt des Parteivorsitzenden kandidiert hat. Liebe Andrea, ich wünsche dir viel Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Schauen wir einmal, wie lange das reicht und ob du an Willy mit seinen über 20 Jahren heranreichst.

(Zuruf von der AfD: Zur Sache!)

Dieser Satz hat für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten weiter Gültigkeit. Was ist das denn für eine Freiheit, von der wir da reden? Es ist nicht die Freiheit des Stärkeren, der den Schwächeren unterdrückt. Es ist nicht die Freiheit, wo jeder machen kann, was er will. Aus lauter Egoisten entsteht keine freie Gesellschaft. Die Freiheit, die Willy Brandt meinte, ist ein guter Nachbar. Freiheit ist immer Freiheit von etwas und Freiheit zu etwas. Religions- und Weltanschauungsfreiheit bedeutet, dass es auch ohne Religion und Weltanschauung geht. Es geht darum, den Glauben anderer zu respektieren. Das wünsche ich mir von allen Mitgliedern dieses Hauses.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP und der LINKEN)

Herr Münz, da Sie die letzte Debatte angesprochen haben: Wenn Sie die Christenverfolgung benutzen, um gegen andere Religionen aufzustacheln,

(Widerspruch bei der AfD)

dann vergreifen Sie sich an dem genannten Grundsatz.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Der vorliegende Bericht befasst sich mit der weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo wir wieder erläutern müssen, warum wir uns eigentlich weltweit um Religions- und Weltanschauungsfreiheit kümmern. Aus Amerika heißt es: America first! – Andere sagen, man solle sich erst einmal um das Volk kümmern. Dazu noch einmal Willy Brandt. Er hat gesagt: Wo immer schweres Leid über die Menschen gebracht wird, geht es uns alle an.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vergesst nicht: Wer Unrecht lange geschehen lässt, bahnt dem nächsten den Weg. Ja, selbstverständlich, jeder Mensch muss sich erst mal um sich selbst kümmern und darf sich auch nicht überfordern – das gilt auch für Länder –; aber man darf doch nicht dabei stehen bleiben. Unsere Verantwortung reicht so weit, wie auch unsere Kräfte reichen. Verantwortung heißt, dass wir das tun, was wir können.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Kollege Castellucci, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bystron von der AfD? 

Ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Zuruf von der AfD: Toller Demokrat!)

Verantwortung heißt, dass wir tun können, was in unserer Macht steht. Deswegen begrüßt die SPD-Fraktion, dass es nun einen Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit gibt. Wir wünschen ihm von dieser Stelle aus auf jeden Fall alles Gute für seine Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir begrüßen, dass der vorliegende Bericht regelmäßig fortgeschrieben werden soll. Der Einsatz der Bundesregierung zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit darf nicht nachlassen. Jetzt möchte ich ein paar Anmerkungen auch nach innen richten. Am Mittwoch hat Berlin Kippa getragen. Das war ein wichtiges Signal der Solidarität. In unserem Land sollen alle, egal welcher Religion, egal welcher Hautfarbe, egal welcher sexuellen Orientierung, frei und ohne Angst auf die Straße gehen können. Wir dürfen nicht nachlassen, daran zu arbeiten.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das kann ich ja jetzt nicht mehr dank Ihnen!)

Der Bericht sagt klar: Die Freiheit der Religion und Weltanschauung schützt nicht Religionen und Weltanschauungen; sie schützt Menschen. Auch deshalb geht eine Debatte, ob eine Religion dazugehört oder nicht, völlig fehl. Die Menschen gehören immer dazu und mit ihnen ihr Glaube. Wir müssen diese ausgrenzenden Debatten beenden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Menschen sind frei, sich zu ihrer Religion zu bekennen oder auch nicht. Der Staat eröffnet dafür Räume. Er sollte ihnen da nichts vorschreiben. Deswegen halte ich es auch als Christ für falsch, anzuordnen, in allen staatlichen Gebäuden in Bayern christliche Symbole aufzuhängen.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP])

Leider geht es hier nicht um Religion, sondern es geht um Wahlkampf. Es zeigt, dass wir auch im Inneren nicht davor gefeit sind, dass Religion für andere Ziele vereinnahmt wird. Ich kann da nur sagen: Finger weg davon!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Markus Grübel [CDU/ CSU] und Dr. Stefan Ruppert [FDP])

Ein letzter Punkt. Es werden immer wieder Vorkommnisse in Heimen für Gefüchtete angesprochen, und es werden Stimmen laut, wir müssten unterschiedliche Einrichtungen für Menschen unterschiedlicher Religionen, unterschiedlichen Geschlechts etc. haben. Dazu will ich sagen: Davon halte ich gar nichts. In Deutschland muss für alle und von Anfang an der Anspruch sein, dass wir über alles Trennende hinweg gut zusammenleben wollen. Das Wichtigste, was wir als Politikerinnen und Politiker dafür tun können, ist, diesen Anspruch selbst vorzuleben. Wir müssen anstecken – positiv, für die Freiheit. Dazu rufe ich uns alle auf. Vielen Dank.