Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Erinnern wir uns noch einmal ganz kurz an die Ergebnisse und an die Debatte zur ersten PISA-Studie. 

In der Tat, Herr Rupprecht, sie bescheinigt Deutschland keineswegs, dass wir das Land der Denker und Dichter sind, sondern eher das der Schulversager. Ähnlich wie damals der Sputnik-Schock hatte die PISA-Studie eine rege Debatte und Diskussion zur Folge.
Ja, Frau Hein, die Ergebnisse der PISA-Studie stellten dem deutschen Bildungssystem ein sträfliches Armutszeugnis aus.Jeder vierte 15-Jährige, so erfuhren wir, konnte weder richtig lesen noch schreiben. Das ist ein trauriger Befund. Nur in einem Punkt lag Deutschland bei der ersten PISA-Studie weit vorn: bei der mangelnden Gerechtigkeit in Bezug auf Bildungschancen. Mehr noch: In kaum einem anderen Land war die Schulleistung so eng an die soziale Herkunft gekoppelt wie in Deutschland.

Nach einer ersten Schockstarre entwickelte sich jedoch eine intensive Diskussion über die Rahmenbedingungen für gute Bildung. Im Übrigen war es die damalige rot-grüne Regierung, die als Reaktion auf PISA den Ausbau der Ganztagsschulen in den Ländern mit 4 Milliarden Euro unterstützte. Dies wiederum bewirkte eine Verdreifachung der Ganztagsschulangebote. 

Nun zeigen die Ergebnisse der vorliegenden fünften PISA-Studie zunächst eine positive und erfreuliche Tendenz. Deutsche Schülerinnen und Schüler schneiden heute in allen Kompetenzbereichen deutlich besser ab. Dies beweist, dass unsere Anstrengungen in den letzten Jahren, liebe Frau Wanka, erste Erfolge verzeichnen können. Allen, die daran mitgewirkt haben – ich vermute, es war auch die eine oder andere Mutter, der eine oder andere Vater dabei –, gilt an dieser Stelle unser herzlicher Dank.

Gleichwohl gibt es leider keinen Anlass, sich süffisant zurückzulehnen. Ich will dies an drei Punkten festmachen, bei denen ich noch deutlichen Handlungsbedarf sehe.
Erstens brauchen wir endlich echte Chancengleichheit.

Es ist unbestritten, dass der familiäre Hintergrund eines Kindes einen immensen Einfluss auf dessen Bildungserfolg und damit auf dessen Lebenschancen hat. Das gilt insbesondere für Kinder aus sozial und ökonomisch schwächeren Familien. Das Ziel eines jeden Bildungssystems muss es doch sein, allen Kindern die gleichen Chancen und Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Potenziale und Talente einzuräumen.

Ein zweiter Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte, betrifft die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Auch hier haben wir einen deutlichen Kompetenzzuwachs zu verzeichnen. Allerdings verfehlen noch immer fast 30 Prozent der in Deutschland geborenen Kinder mit Zuwanderungsgeschichte in Mathematik das Grundkompetenzniveau II. Der Anteil ist damit doppelt so hoch wie bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Hier sind es 14 Prozent. Ich meine, wir brauchen zwingend das, was der Migrationsexperte Klaus Bade eine „nachholende Integrationspolitik“ nennt.

Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker sind gefordert, hier ganz deutlich ihren Beitrag zu leisten.
Bei der frühkindlichen Förderung zu beginnen, ist ein Lösungsansatz für die Problemlagen. Sie kann der Benachteiligung von Kindern wirkungsvoll entgegenwirken; denn in Krippen und Kitas wird der Grundstein für den späteren Bildungsweg gelegt, getreu dem Motto „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Allerdings, liebe Frau Wanka, sollten wir auch an anderer Stelle noch einmal über Durchlässigkeit und lebenslanges Lernen sprechen; da bin ich sehr an Ihrer Seite.

Dies gilt nicht nur für Kevin und Chantal, die noch ein Leben nach der Schule haben, das gilt auch für Ayse und Mustafa. Deshalb brauchen wir in den Kitas eine gute Personalausstattung. Dabei ist entscheidend, dass der Besuch kostenfrei ist; denn Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Ferner bedarf es enger Bildungskooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Ja, auch ich hätte mir einen weiteren flächendeckenden Ausbau guter Ganztagsschulangebote gewünscht. Ja, was wir brauchen, ist eine klassische Bund-Länder-Vereinbarung mit einer entsprechenden Verfassungsänderung. Aber, liebe Frau Dörner, es soll ja auch grüne Landesfürsten geben, die sich eher als Verhinderer gerieren.

Ja, unser Ziel muss weiterhin sein, alle Schulen in Deutschland zu Ganztagsschulen weiterzuentwickeln. Die Zeiten, in denen darüber ein ideologischer Streit geführt wird, sind nun hoffentlich passé.
Lassen Sie mich einen dritten und letzten Punkt ansprechen. Das ist der große Unterschied zwischen Jungen und Mädchen. PISA lehrt uns, dass wir Mädchen die Furcht vor dem Angstfach Mathematik nehmen müssen und die Jungen wiederum ermutigen sollten, auch einmal ein Buch in die Hand zu nehmen, das nicht zur Schullektüre gehört. Schon aus Gründen des Fachkräftemangels muss es uns in Zukunft stärker gelingen, Mädchen für die MINT-Fächer an den allgemeinbildenden Schulen zu begeistern und gezielt zu fördern. Auch hier braucht es in der Tat weitere Unterstützung; das Sinus-Programm wurde schon angesprochen.

Wir müssen also alle gemeinsam – alle, die wir hier sitzen; das sind wir unseren Kindern schuldig – die richtigen Konsequenzen aus der PISA-Studie ziehen. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam neue Wege in der Bildungspolitik gehen!
Gestatten Sie mir ganz zum Schluss ein Zitat des Philosophen Georg Christoph Lichtenberg, der da sagte:
Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.