Dirk Heidenblut sieht den vorgelegten Gesetzentwurf der Grünen zum Cannabiskonsum als einen Anstoß, um sich mit einer kontrollierten Abgabe von Cannabis zu beschäftigen. Dazu gehören sowohl der Kinder- und Jugendschutz als auch der Gesundheitsschutz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nachdem meine beiden Vorredner - wenn ich das richtig verstanden habe - ein vehementes Plädoyer für das Verbot von Alkohol gehalten haben,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

will ich versuchen, zu der eigentlich deutlich harmloseren Pflanze Cannabis - zu dieser Erkenntnis kommt man, wenn man nicht in Geschichtsbüchern und alten Mythen über Cannabis wühlt - zurückzukommen und ein bisschen was dazu zu sagen.

Ich will zunächst einmal vorwegschicken: Ich persönlich bin ein absoluter Befürworter einer kontrollierten Abgabe.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist es noch schwieriger, den Bogen zu kriegen und zu sagen, warum wir den Gesetzentwurf trotzdem ablehnen werden. Das Gesetz der Grünen ist übrigens das einzige Gesetz, über das wir heute reden; der Rest sind dann Anträge, die lustigerweise bis hin zu einem Wunsch nach Export des selbst angebauten Medizinalcannabis‘ führen. Da wäre ich, ehrlich gesagt, schon froh, wenn wir irgendwann mit dem selbst angebauten Medizinalcannabis den Eigenbedarf decken könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da bräuchten wir schon noch ein bisschen mehr. Also, der Antrag kommt vielleicht ein bisschen früh.

Aber das ist das einzige Gesetz, das sich sehr ausführlich und sehr gut strukturiert - damit will ich nicht sagen, dass ich jedes Detail des Gesetzes für gut halte; darauf wird aber gleich die Kollegin Stamm-Fibich eingehen -

(Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist gut!)

mit der Frage der kontrollierten Abgabe beschäftigt, mit der wir uns ganz sicher beschäftigen müssen. Das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Trotzdem ist es so, dass ich durchaus respektiere, wenn es andere Meinungen dazu gibt. Ich finde es auch richtig, dass wir uns darüber sehr deutlich austauschen müssen. Ich habe ja selbst viele Erfahrungen, was die Arbeit mit Menschen angeht, die von suchterzeugenden Substanzen abhängig sind. Natürlich haben wir es auch an dieser Stelle mit Sucht zu tun. Deswegen spricht überhaupt nichts - auch grundsätzlich - dagegen, den Suchthilfebereich auszubauen, zu stärken und massiv zu unterstützen. Da kann ich dem Kollegen Pilsinger nur unumwunden Recht geben.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen (SPD))

Das ist aber kein Gegensatz zur Frage der kontrollierten Abgabe, sondern das ist etwas, was wir so oder so brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und im Übrigen: Auch im Hinblick auf die Cannabinoiden können wir gerne in Kürze mal darüber reden. Auch da würde ich Ihnen durchaus an vielen Stellen folgen. Da müssen wir eine Menge Dinge machen. Aber die kontrollierte Freigabe ist dennoch ein Weg, den wir gehen müssen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen (SPD) und Dagmar Ziegler (SPD))

Ich bin sehr froh, dass es in der SPD unter der guten Vorbereitung des Kollegen Burkhard Blienert, meines Vorgängers in diesem Bereich, der leider aus dem Bundestag ausgeschieden ist, und unter tätiger Mithilfe unserer Patientenbeauftragten Martina Stamm-Fibich gelungen ist - ich will das hier ausdrücklich sagen, um mich nicht mit völlig fremden Federn zu schmücken -, endlich ein Positionspapier hinzukriegen, mit dem wir uns als SPD auf eine klare Linie festgelegt haben und vor allen Dingen auch gesagt haben: Wir wollen raus aus der Verbotspolitik, die nämlich am Ende schadet und nicht nützt.

Und das ist genau das, was die Vorredner nicht verstanden haben. Natürlich ist die Verbotspolitik eben nicht ein Nutzen für die Gesundheit, und natürlich muss man zur Kenntnis nehmen, dass Zusatzstoffe zugesetzt werden und dadurch noch mehr Schäden entstehen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen (SPD))

Als Gesundheitspolitiker müssen wir das vermeiden. Das erreichen wir mit der kontrollierten Abgabe. Da haben wir nämlich in der Hand, was die Menschen bekommen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und haben damit wesentlich weniger Gesundheitsprobleme. Damit haben wir übrigens auch in der Hand, was Kinder und Jugendliche bekommen. Der Dealer achtet nämlich gar nicht darauf.

Die Kollegen von der AfD bemängeln, dass die Eltern ihren Kindern nicht erklären können, dass sie nicht so viel saufen sollen, wenn der Alkohol frei ist. Ganz im Ernst: Der Dealer erklärt den Kindern schon gar nicht, dass Cannabis verboten ist und sie deshalb nicht so viel davon nehmen sollen. Wir brauchen also die Eltern. Und die machen das, glaube ich, bei den Kindern und Jugendlichen schon gut; denn da sinken ja auch Zahlen. Sie können das dann am Ende auch bezüglich Cannabis machen.

Ganz klar: Kinder- und Jugendschutz und Gesundheitsschutz sind mit kontrollierter Abgabe verbunden; das ist kein Gegensatz zur kontrollierten Abgabe. Aber wir wollen halt zunächst über Modellprojekte klären, in welche Richtung das gehen soll, weil wir noch nicht glauben, dass sozusagen - ja, das seht ihr anders - der Weg, den ihr gefunden habt, der goldene Weg ist. Ich gebe zu - ich will das mal an einem Beispiel deutlich machen -, dass ich persönlich bei dem Vertriebsweg näher bin bei dem, was die Kollegen von den Linken als Idee haben. Ihr wollt also einen neuen Vertriebsweg aufbauen. - Aber Entschuldigung, ich wollte meiner Kollegin nicht vorgreifen.

Jetzt muss ich auf die Zeit achten. Der Präsident sagt, er würgt mich ab. - Ich will noch ganz kurz zwei Dinge ansprechen. Wir können schon aus unserem eigenen Petitum heraus nicht zustimmen, denn wir wollen erst Modellprojekte. Und wir können auch deshalb nicht zustimmen, weil wir uns durchaus an die Koalitionsdisziplin gebunden fühlen und natürlich bei solchen Sachen mit dem Partner gemeinsam gehen. Da müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten; das habe ich heute wieder festgestellt.

Zwei Worte noch ganz kurz: Ein Antrag, der hier nur gestellt und überwiesen wird, ist der Antrag der Linken zur Frage Führerschein und dazu, wie wir damit umgehen. Ich bitte dringend darum, sich damit sehr intensiv zu beschäftigen; es ist ein wichtiger und sehr guter Antrag. Das sollte man mit behandeln.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Und zur FDP ganz kurz: Es ist ja sehr schön, dass Sie den Antrag „Modellprojekte“ jetzt hier zur Sofortabstimmung stellen, ohne dass er im Ausschuss noch mal behandelt wurde.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

Dirk Heidenblut (SPD): Aber ganz im Ernst: Indem Sie eben mal einen Antrag nachschieben, lenken Sie davon ab, dass Sie beim grünen Antrag nicht mitgehen und die Haue jetzt bereits im Internet kriegen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, bitte!

Dirk Heidenblut (SPD): Das machen wir nicht mit. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)