Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Vereinten Nationen und wir alle wollen uns das Ziel setzen, Hunger und extreme Armut bis zum Jahr 2030 endgültig zu beseitigen. Das ist das oberste Ziel, das in der neuen Agenda beschlossen werden wird. Das ist gut so. Es soll auch dadurch erreicht werden, dass Ungleichheit innerhalb von Staaten und zwischen Staaten verringert wird. Dies ist sowohl in den UN-Zielen als auch in unserem gemeinsamen Antrag enthalten.
Noch immer leben 1 Milliarde Menschen in Hunger und extremer Armut. Angesichts der Tatsache, dass es hier in den Industrieländern Reiche gibt, die in Geld schwimmen, aber auch in Ländern wie Indien, China und Uganda Millionäre und Milliardäre zuschauen, wie die Menschen in ihrem eigenen Land verhungern, ist das ein Skandal. Das müssen wir beenden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ja, gute Regierungsführung innerhalb von Entwicklungs- und Schwellenländern ist nötig. Wahr ist: Auch die Reichen müssen Steuern zahlen. Gute Regierungsführung heißt aber auch, dass wir als reiches Geberland, als eine der größten Exportnationen der Welt, die große Verantwortung haben, gute Regierungsführung vorzuleben. Dieser Verantwortung müssen wir nachkommen.
Wenn wir wollen, dass sich die Ungleichheit zwischen Staaten verringert, dann müssen wir unser selbst gegebenes Versprechen, bis 2015 0,7 Prozent vom Bruttonationaleinkommen für Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen – wozu sich die Europäische Union schon vor zehn Jahren verpflichtet hat –, endlich erfüllen. Es kann nicht sein, dass im Jahr 2015 Länder wie Großbritannien, Schweden und Norwegen über 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zur Verfügung stellen, wir in Deutschland hingegen bei beschämenden 0,38 Prozent liegen. Wenn wir gute Regierungsführung ernst nehmen, dann müssen wir unseren Beitrag leisten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich ist ODA-Geld nicht alles. Wir haben das immer als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden. Genauso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger sind gerechte Handelsbedingungen; denn nur so kann auch das achte Ziel, das sich die internationale Gemeinschaft gesetzt hat, nämlich inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit, erreicht werden, was – Frau Kofler hat es gesagt – uns Sozialdemokraten sehr wichtig ist. Das wird auch in diesem Antrag der Koalitionsfraktionen deutlich. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass menschenrechtliche, ökologische und soziale Standards wie die ILO-Kernarbeitsnormen, Herr Minister Müller, in allen Handelsverträgen der Europäischen Union verankert werden sollen. Wir streiten im Zusammenhang mit dem Abkommen mit Kanada, CETA, und mit dem Abkommen mit den USA, TTIP, sehr hart darum, dass das auch umgesetzt wird.
(Beifall bei der SPD)
– Danke für die Unterstützung. – Das ist nicht nur wichtig in Bezug auf die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den USA und Kanada, denen wir helfen wollen. Wir wollen auch nicht, dass dadurch, dass wir das nicht durchsetzen, Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland ausgelöst wird. Gleichzeitig verhandeln wir mit Ländern wie Vietnam und Indien, weil wir wollen, dass die Kernarbeitsnormen und die menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Standards auch dort gelten, weil sie die unabdingbare Voraussetzung für einen fairen Handel sind.
Der Herr Minister unterstützt meine und unsere Forderung, dass wir sogenannte Fairhandelsabkommen und nicht Freihandelsabkommen brauchen. Herr Minister, wir unterstützen Ihren Ansatz, im Textilbereich die Unternehmen im Rahmen eines Textilbündnisses in die Verantwortung zu nehmen. Nur so können wir es gemeinsam schaffen: Wir müssen über Handelsverträge auch Regierungen, die oft mit den Eliten in den Entwicklungsländern zusammenarbeiten, in die Pflicht nehmen; denn wir wissen zum Beispiel, dass die Hälfte der Mitglieder des Parlaments in Bangladesch und auch Mitglieder der Regierung selbst Textilfabrikbesitzer sind. Wir müssen denen sagen: Wenn ihr weiter zollfrei in die EU (C) importieren wollt, dann müsst ihr die Menschenrechte und die Arbeitnehmerrechte einhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig sagen wir unseren Unternehmen: Ihr könnt euch nicht zurückziehen und einfach sagen: Naja, was können wir dafür, wenn die Behörden vor Ort nicht die Sicherheit der Fabrikgebäude überprüfen oder die Gewerkschafter ins Gefängnis sperren? – Nein, auch unsere Unternehmen hier haben eine Verantwortung. Deswegen halten wir das Textilbündnis für eine gute Sache. Wir freuen uns, Herr Minister, dass die ersten Unternehmen sich zur Mitarbeit bereit erklärt haben. Das sind übrigens nicht nur die Hersteller hochpreisiger Textilprodukte, sondern auch ein Discounttextilanbieter, obwohl man immer sagt, dass Discounttextilanbieter die schlechten sind. Wir sagen: Wir wollen den ehrbaren Kaufmann stützen und schützen, aber wir wollen dem Ausbeuter und Menschenschinder das Handwerk legen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir hier als Parlament parteiübergreifend sagen: Wenn wir wollen, dass in Deutschland der Mittelstand, dass diejenigen, die anständige Löhne, jetzt auch den Mindestlohn zahlen, dass diejenigen, die sich wirklich um ihre Mitarbeiter kümmern, faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden, und zwar hier und auf der ganzen Welt, dann müssen wir (D) dafür sorgen, dass der Arbeiter, gleich ob er in Afrika, Asien oder Deutschland arbeitet, von seiner Hände Arbeit anständig leben kann. Menschenwürdige Arbeit hier bei uns und in der Welt, das gehört zusammen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir die Armut weltweit beenden können, vielleicht nicht erst im Jahr 2030. Je früher, desto besser.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)