Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist es schräg und missverständlich, dass die Debatte die Überschrift „Freihandelsabkommen“ trägt. Es wird so getan, als sei der Handel zurzeit nicht frei.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Ich sage: Der Handel ist einerseits im Bereich Arbeitnehmerrechte und Menschenrechte leider zurzeit ein sehr freier Handel. Andererseits gibt es technische Normen, die den Handel beschränken, zum Beispiel Zölle.
Wir stehen vor einer verrückten Situation: Ein Autoblinker, der die falsche Farbe hat, eine Banane, die nicht die richtige Krümmung hat, dürfen in die Europäischen Union nicht eingeführt werden. Aber ein T-Shirt, an dem Blut klebt, weil Näherinnen und Näher wie Sklaven ausgebeutet werden, weil Fabriken einstürzen und die Menschen bei lebendigem Leib verbrennen, darf in die Europäische Union eingeführt werden.
Uns geht es bei dem Abkommen mit den USA deshalb darum, jetzt die entsprechenden Normen zu setzen. Herr Kollege Hans-Peter Friedrich, es kann dabei aber nicht nur um technische Normen gehen, die aus europäischer Sicht weltweit gelten sollen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass in den Freihandelsabkommen auch Normen in Bezug auf Arbeitnehmerrechte und Menschenrechte verankert werden. Freihandel muss zukünftig Freiheit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeuten. Sie sollen frei und gut arbeiten können. Wir (D) wollen Arbeitsplätze, und zwar gute Arbeitsplätze. Dafür setzen wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Kollege Tauber, Sie haben als Beispiel die Präsidentin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie angeführt, die gesagt hat, sie könne nach Abschluss von TTIP besser in die USA exportieren. Wir müssen allerdings gerade auch im Hinblick auf die Textilindustrie bedenken: Die Europäische Union verhandelt derzeit ebenso Freihandelsabkommen mit Indien und Vietnam. Wenn wir jetzt ein Abkommen schließen, das fast die Hälfte des weltweiten Bruttosozialprodukts umfasst, dann ist es umso wichtiger, dass wir messerscharf hineinschreiben, dass entsprechende Standards gesetzt und die acht ILO-Kernarbeitsnormen sowohl im Abkommen mit Kanada als auch mit den USA verbindlich verankert werden mit überprüfbaren und wirksamen Sanktionsmechanismen, wie sie auch für die anderen Kapitel gelten. Denn nur dann können wir auch den Indern sagen, dass wir das Gleiche von ihnen erwarten. Denn wir wollen, dass die Globalisierung endlich den Menschen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, dient. Dafür werden wir uns in den Gesprächen zum Freihandelsabkommen einsetzen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Hans‑Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU])
Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister ausdrücklich dankbar dafür, dass er in dem Papier, das mit dem DGB erarbeitet wurde, und auch im Beschluss des Parteikonvents, und zwar ganz am Anfang, ausdrücklich betont: Das Freihandelsabkommen „muss seinen Wert ... darin beweisen, dass es zu Fortschritten beim Schutz von Arbeitnehmerrechten, dem Verbraucherschutz und nachhaltigem Wirtschaften im globalen Maßstab beiträgt. ... Diese normsetzende Kraft des Abkommens kann zum Hebel einer politischen Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung werden.“
Genau darum geht es. So steht es auch an zwei Stellen im Koalitionsvertrag. Wir werden unseren Wirtschaftsminister dabei unterstützen, dass die Arbeitnehmerrechte voll eingehalten werden. In dem Sinne brauchen wir keinen zusätzlichen Antrag, in dem gefordert wird, was wir selbst in den Koalitionsvertrag geschrieben haben und was die SPD im Konvent beschlossen hat.
Wenn die Kollegen bei der CDU sagen, sie haben Probleme mit dem Beschluss des Parteikonvents, dann können sie im Koalitionsvertrag nachlesen, dass wir die Freihandelsabkommen immer an die verbindliche Verpflichtung gebunden haben, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation einzuhalten und Menschenrechte sowie soziale und ökologische Standards zu wahren. Dafür werden wir streiten. Wir haben die große Chance, als Parlamentarier die Globalisierung im Sinne der Menschen politisch zu gestalten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)