Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die heutige Aktuelle Stunde beantragt, weil wir es nicht länger mit ansehen können, wie Bundesminister Dirk Niebel sein Amt für seine persönlichen Interessen und für die Interessen seiner Partei missbraucht.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie haben Ihr
Eigeninteresse im Auge!)
Erst hat er reihenweise Parteifreunde mit hochbezahlten öffentlichen Stellen versorgt, dann hat er den Personalrat kaltgestellt, und jetzt lässt er auch noch auf Staatskosten einen Teppich für seine Privatgemächer einfliegen. Wir können das nicht mehr mit ansehen. Wir glauben, dass damit auch dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit Deutschlands geschadet wird. Deswegen haben wir die heutige Aktuelle Stunde beantragt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Wie peinlich ist es,
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist auch pein
lich, dass Sie so was sagen!)
dass ausgerechnet heute das Bundesministerium ein
Konzept mit dem Namen „Antikorruption und Integrität in der deutschen Entwicklungspolitik“ vorstellt! In einer Pressemitteilung auf der Homepage des Ministeriums heißt es heute:
Wir nehmen unsere Partner in die Pflicht, konkrete Reformen durchzuführen, um Korruption zu mindern und Transparenz, Integrität, Partizipation und Rechenschaft auszubauen.
(Beifall des Abg. Holger Krestel [FDP] –
Patrick Döring [FDP]: Sehr gut!)
Nehmen Sie sich endlich auch einmal selbst in die Pflicht und fangen beim Minister an, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Frage nach den Konsequenzen beschäftigt auch die Journalisten. Ich werde jetzt nicht diejenigen aus den linksliberalen Zeitungen zitieren, sondern ich werde einmal ganz bewusst die Blätter zitieren, die der FDP und dem Minister eigentlich genehm sein müssten,
(Patrick Döring [FDP]: Welche sollen das
sein?)
nämlich die Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblätter. Ich fange einmal mit dem Handelsblatt an.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir machen aber jetzt keine Presseschau, oder? Wir machen eine Aktuelle Stunde!)
Das Handelsblatt bringt heute ein Zitat von Dirk Niebel vom Januar. Da hat er gesagt:
Politiker müssen sich an Recht und Gesetz halten wie alle anderen auch und haben eine Vorbildfunktion. Das Handelsblatt titelt: „Pinocchio des Tages“. – Dirk Niebel, Lügner des Tages. Die Wirtschaftswoche bezeichnet Dirk Niebel als „liberales Teppichluder“.
(Heiterkeit des Abg. Uwe Kekeritz [BÜND¬NIS 90/DIE GRÜNEN] – Widerspruch bei der FDP)
Das mache ich mir nicht zu eigen.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Hauptsache, Sie
haben es untergebracht!)
Das ist die Wirtschaftswoche.
Die Financial Times Deutschland schreibt von Missbrauch des Staates. Jetzt würde ich Sie bitten, einmal nicht zu krakeelen, sondern zuzuhören. Hier schreibt der Kommentator: Ein Staatsskandal ist auch die Teppichaffäre um den Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel nicht. Doch in diesem Fall gerät der Minister zum wiederholten Mal in Erklärungsnot und in den Ruf von Vetternwirtschaft und Korruption.
(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Dafür
hat sich heute die FTD entschuldigt!)
Mag der Anlass noch so nichtig sein und Niebel sich reumütig zeigen: Er sollte zurücktreten. Hierbei dient ein Minister nicht mehr dem Staat, sondern er missbraucht
ihn für seine persönlichen Interessen,
(Patrick Döring [FDP]: Sie müssen die FTD
von heute lesen!)
zumal es bei Niebel eine Vorgeschichte gibt, die von Selbstherrlichkeit und Eigeninteresse handelt, und zwar seit seinem Amtsantritt im Entwicklungsministerium. Seine Personalpolitik etwa wirkt so, als sei es die vorrangige Aufgabe eines FDP-Ministers, verdiente Liberale mit gut dotierten Posten zu versorgen. – Deswegen kommt auch dieser Kommentator zu Recht zu dem Schluss, dass ein Minister, der die Prinzipien guter Regierungsführung in alle Welt exportieren soll, so nicht mit seinem Amt umgehen kann.
Deswegen sagt die Financial Times Deutschland: Dieser Minister soll zurücktreten. – Ich schließe mich dieser Forderung an, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber auf Sie hört ja keiner! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Die Frage des am Zoll vorbeigeschmuggelten Teppichs
(Lachen des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])
und damit der persönlichen Vorteilsnahme von etwa 4 000 Euro – Transportkosten und Zollabgaben, die fällig gewesen wären –
(Patrick Döring [FDP]: Abwegig!)
werden wir heute noch diskutieren.
(Patrick Döring [FDP]: Sie sollten die
Wahrheit sagen, Herr Kollege!)
Es ist keineswegs nur eine Lappalie, um die es hier geht.
(Patrick Döring [FDP]: Sie sollten die
Wahrheit sagen!)
Wenn es um ein Land wie Afghanistan geht – wir wissen, dass dort Teppiche meist von Kindern hergestellt werden –, kann man schon erwarten, dass ein Entwicklungsminister mehr nachfragt und sich nicht nur auf das Wort eines Angehörigen der Botschaft verlässt, dass das ein seriöser Händler sei. Wir haben dort nicht umsonst mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein zertifiziertes Siegel geschaffen. „GoodWeave“ heißt das. Es ist der Nachfolger von RugMark. Auch in Afghanistan gibt es einen Händler, der zertifiziert ist und von der Größe her etwa mit dem Otto-Versand in Deutschland vergleichbar ist. Wir fragen uns, Herr Minister: Warum haben Sie nicht von diesem Händler einen Teppich privat erworben? Sie können doch nicht einfach einen teuren Teppich für Ihr Wohnzimmer kaufen, an dessen Herstellung vielleicht Kinderhände beteiligt gewesen sind,
(Patrick Döring [FDP]: Das glauben Sie doch
selber nicht!)
und das, wo Sie am Welttag gegen Kinderarbeit tränenreich verkündet haben, wie schlimm Sie Kinderarbeit in aller Welt finden. Das passt nicht, Herr Minister!
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Bei Ihrer Rede kommen einem die Tränen! Da haben Sie recht!)
Wenn einige anführen: „Na ja, was sind denn schon ein paar Tausend Euro?“, sage ich: Es wurde in Deutschland schon einmal einer Kassiererin eines Supermarkts wegen 1,30 Euro gekündigt. Da hat sich die FDP merklich zurückgehalten.
(Patrick Döring [FDP]: Es hat zu keinem Zeitpunkt Vorteilsnahme stattgefunden!)
Deshalb glaube ich schon, dass wir hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Wir werden hier letztlich auch erörtern, wie der Bundesnachrichtendienst dabei zu Schaden gekommen ist.
Ich sage an dieser Stelle,
(Patrick Döring [FDP]: An welcher Stelle auch
sonst!)
weil es wirklich nicht nur um Minister Niebel geht, sondern auch um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Welt gegenüber seinen Partnerländern – gute Regierungsführung ist für uns etwas, was wir vorleben müssen –, dass die Kanzlerin ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Ich sage: Sorgen Sie für gute Regierungsführung! Sorgen Sie dafür, dass nicht ein Teppich fliegt, sondern dieser Minister!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie haben doch eine Phobie! – Heiterkeit bei der FDP)