Der Vorschlag der SPD Fraktion, einen Sonderfonds für den Wiederaufbau Haitis zu errichten wurde ebenso von der Regierungskoalition abgelehnt wie ein entsprechend ähnlicher Antrag aus den eigenen Reihen- von Bundesminister Niebel. Darunter leiden werden vor allem die Menschen auf Haiti, die auch von ihrer eigenen Regierung keine große Hilfe erwarten können.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In Haiti, einem Land mit einer Bevölkerung von 10 Millionen Menschen, gab es 230 000, vielleicht sogar 300 000 Tote. Das sind 3 Prozent der Bevölkerung. Auf Deutschland umgerechnet wären das 2,4 Millionen Tote. Das ist ein unfassbares Leid und eine Tragödie, die wir uns kaum vorstellen können, und das in einem der ärmsten Länder der Erde. Deswegen geht in der heutigen Debatte das Mitgefühl aller Fraktionen an die Angehörigen der Opfer.
(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
Ich glaube, dass sich die Entwicklungspolitiker aller Parteien in diesem Haus einig in der Feststellung sind, dass das eine Tragödie ist. Normalerweise eignet sich ein solches Unglück auch nicht für eine parteipolitische Auseinandersetzung. Aber der Bundestag ist kein Kirchentag, und es reicht auch nicht aus, wenn wir uns in diesem Hohen Hause gegenseitig unserer Betroffenheit versichern – wir müssen handeln.
Ich habe persönlich lange gezögert mit Kritik an der Bundesregierung, weil ich mir gewünscht hätte, dass ich als Oppositionspolitiker gemeinsam mit den Politikern der anderen Parteien ein Lob hätte aussprechen können, wie es Politiker aller Parteien gemacht haben in einer vergleichbaren Situation: als 2004 bei dem Tsunami in Südostasien 220 000 Menschen ums Leben gekommen waren. Da hat die rot-grüne Bundesregierung 500 Milliarden Euro zugesagt.
(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du meinst sicherlich Millionen! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das andere sind die Banken!)
– 500 Millionen Euro. Nach dem Erdbeben auf Haiti waren es zunächst 7 Millionen Euro, dann 9 Millionen Euro, dann 17 Millionen Euro. Das sind lediglich 3,4 Prozent des Geldes, das damals bei einer vergleichbaren Katastrophe zugesagt wurde. Auch wenn zu den genannten 17 Millionen Euro noch deutsche Anteile aus multilateralen Beiträgen wie der EU-Soforthilfe kommen, ist das angesichts des Ausmaßes der Katastrophe viel zu wenig. Bei der Anhörung im Ausschuss, die am Mittwoch stattfand, haben die Vertreter der zivilen Hilfsorganisationen dies kritisiert und gesagt, dass die Bundesregierung auf diesen Beitrag nicht stolz sein kann.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Allerdings!)
Stolz sein können wir hingegen auf unsere Bürgerinnen und Bürger, auf die Kinder, auf die Schülerinnen und Schüler, die insgesamt 200 Millionen Euro gespendet haben. Dieses Geld haben die Menschen von ihrem zum Teil kleinen Einkommen abgezwackt. Darauf können wir stolz sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn man das vergleicht, sieht man, wie gering das Engagement der Bundesregierung ist. Darauf können wir leider – ich sage wirklich: leider – nicht stolz sein. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bei den Haushaltsberatungen einen Sonderfonds für den Wiederaufbau Haitis beantragt mit Barmitteln in Höhe von 150 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 130 Millionen Euro. Leider wurde dieser Sonderfonds von der Regierungskoalition, von CDU/CSU und FDP, abgelehnt.
Nachdem wir diesen Antrag gestellt hatten, hat Entwicklungsminister Niebel selbst erkannt, dass die bisher zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen. Er hat in einem Brief an die Haushälter der Fraktionen um die Einrichtung eines Sonderfonds, wie wir ihn gefordert haben, gebeten, wenn gleich nur ausgestattet mit Barmitteln in Höhe von 25 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 91 Millionen Euro – aber immerhin. Ich zitiere aus dem Brief von Minister Dirk Niebel:
Mit möglicherweise bis zu 300 000 Toten, 250 000 Verletzten und rd. 1,2 Mio. Obdachlosen haben die Folgen dieses Erdbebens das Ausmaß der Tsunamikatastrophe des Jahres 2004 erreicht. Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit und Hilfsbereitschaft werden an unserer Reaktion auf dieses Unglück gemessen werden.
Weiter heißt es:
Um sich angemessen an der internationalen Hilfe für Haiti beteiligen zu können, ist die Ausbringung zusätzlicher Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 91 Mio. € sowie die Erhöhung der Baransätze um 24 Mio. € erforderlich.
Minister Niebel schließt mit den Worten:
Um die notwendige Flexibilität im Rahmen des noch laufenden Abstimmungsprozesses in der EU und im sonstigen internationalen Geberkreis zu sichern und entsprechend der sehr guten Erfahrungen mit dem „Tsunami-Titel“ empfiehlt sich die Schaffung eines eigenen „Haiti-Wiederaufbautitels“.
Richtig, Herr Minister.
Doch was ist mit Ihrem Antrag passiert? Die Kollegen von FDP und CDU/CSU haben ihn abgelehnt. Sie sind mit Ihrem guten Vorhaben kläglich gescheitert. Ich sage an die Kollegen von CDU/CSU und FDP gerichtet: Damit haben Sie nicht nur Ihrem Minister einen Bärendienst erwiesen, da haben Sie auch den Ärmsten der Armen in Haiti einen Bärendienst erwiesen. Das war falsch und schändlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich frage mich auch: Wo war die Kanzlerin? Immer wieder hat sie sich bei Fernseh-Spendengalas für Haiti feiern lassen, schon immer hat sie auf Kirchentagen oder bei anderen Anlässen betont, wie wichtig ihr die Ärmsten der Armen seien. Aber wenn es darauf ankommt, zu handeln, dann taucht sie ab.
Selbst wenn die Bundesregierung auf der internationalen Geberkonferenz Ende des Monats neue Zusagen für den internationalen Hilfsfonds für Haiti geben sollte, wären diese nicht mehr zusätzlich – das hätten wir nur im Rahmen der Haushaltsberatungen erreichen können – sondern gingen zulasten der Zusagen gegenüber anderen Staaten, zum Beispiel afrikanischen Staaten. Wir dürfen die Ärmsten der Armen nicht gegeneinander ausspielen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jeden Tag sterben 24 000 Menschen, vor allem Kinder, an den Folgen von Hunger und Armut. Das ist alle zehn Tage ein stiller Tsunami oder ein Erdbeben vom Ausmaß des Erdbebens auf Haiti.
Um diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ohne Hunger und Armut zu ermöglichen, müssen wir insgesamt mehr Mittel und Hilfe geben. Die Kanzlerin hatte sich ja auch dazu verpflichtet, 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Ich mache gerne einen Werbeblock für die Regierung in dem Sinne, dass ich aus einer Rede der Kanzlerin zitiere. In der Regierungserklärung 2005 sagte die Kanzlerin:
Wir haben uns deshalb dazu verpflichtet, ... bis 2010 mindestens 0,51 Prozent ... des Brutto-inlandsprodukts für die öffentliche Entwicklungs-zusammenarbeit aufzubringen. Ich weiß, was ich da sage.
Das hat sie damals gesagt. Offensichtlich wusste sie nicht, was sie sagt; denn sie hat ihr Versprechen bei den diesjährigen Haushaltsberatungen eiskalt gebrochen.
Wir werden mit 0,4 Prozent weit unter dem Ziel liegen. Die Steigerungen sind geringer, nämlich nur ein Viertel dessen, was in den Jahren zuvor unter unserer Ministerin zur Verfügung gestellt worden ist, und das in einem Jahr, in dem die ärmsten Länder besonders hart von der Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen sind. Selbst das unfassbare Unglück in Haiti hat die Kanzlerin nicht zur Einhaltung ihres Versprechens bewegen können. Was muss denn noch passieren?
Dazu, dass man so kaltblütig ein Versprechen bricht, sage ich: Ich bin enttäuscht von Frau Merkel. Gemessen an der Zahl der ärmsten Menschen, denen sie das Versprechen gegeben hat, nämlich 1 Milliarde hungernder Menschen, ist das für mich persönlich der größte Wortbruch einer Kanzlerin, den es je gegeben hat.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was wollten Sie denn in Ihrem Haushalt erreichen?)
Herr Fischer, es hat konkrete Auswirkungen, dass diese Mittel fehlen. Das gilt nicht nur bezogen auf die Nothilfe, sondern auch bezogen auf die Zukunft Haitis; denn wir reden hier nicht nur von irgendwelchen Zahlen. Vielmehr hat uns im Ausschuss auch der Vertreter der KfW-Entwicklungsbank gesagt, dass aufgrund der Tatsache, dass die Regierung nur so klägliche Mittel zur Verfügung stellt – zum Beispiel für die Zukunft Haitis –, Aufforstungsprogramme, die man geplant hat, jetzt gestoppt wurden, weil man das Geld für die Nothilfe gebraucht hat.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege.
Dr. Sascha Raabe (SPD):
Wer sich Haiti von oben angeguckt hat, der wird festgestellt haben, dass in Haiti alles abgeforstet ist. Nur noch 1 Prozent des Landes ist Wald, während in der Dominikanischen Republik noch viele Wälder sind. Dort ist quasi fast eine Mondlandschaft. Deswegen wäre es ganz wichtig, dass wir den Menschen vor Ort auch mit deutschen Hilfsmitteln – zum Beispiel mit „Cash for Work“ – die Möglichkeit geben, dort Aufforstung zu betreiben. Dann würden sie – bei 80 Prozent Arbeitslosigkeit in diesem Land – auch ein Einkommen haben, und wir würden einen Beitrag für die Zukunft leisten.
Deswegen sage ich: Wir müssen hier endlich mehr tun; wir müssen vorangehen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, darf ich Sie unterbrechen? Herr
Günther möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Sascha Raabe (SPD): Gerne.
Joachim Günther (Plauen) (FDP): Herr Kollege Raabe, Sie hinterlassen hier den Eindruck, Deutschland stelle zu wenig Mittel zur Verfügung.
(Andrej Konstantin Hunko [DIE LINKE]: Allerdings! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)
Ich muss Sie fragen: Waren Sie nicht in der Ausschusssitzung dabei, in der alle Fachexperten erklärt haben, dass, international gesehen, genügend Mittel für Haiti zur Verfügung stehen, dass es dort eine korrupte Regierung gibt, dass deshalb versucht werden sollte, diese Mittel effektiv einzusetzen, und dass in dieser Phase mit Sicherheit dann auch von Deutschland die Chance wahrgenommen wird, wenn es notwendig ist, weitere Mittel bereitzustellen?
Etwas anderes stand nie zur Debatte, und ich glaube, dass die Mittel, die Deutschland zur Verfügung gestellt hat, in der jetzigen Situation völlig ausreichend sind.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Kollege, es tut mir leid, dass ich Ihnen sagen muss – Sie sind ja von der FDP –, dass Ihr Minister Ihnen da weit voraus ist. Ihr Minister hat das genauso wie wir erkannt. Es geht nicht in erster Linie um die Mittel der Nothilfe. Es geht darum, dass wir für den langfristigen Wiederaufbau Mittel brauchen. Deswegen haben wir damals nach dem Tsunami ja auch nicht gesagt, dass wir 500 Millionen Euro in zwei Monaten irgendwo „verbraten“ wollen, sondern wir haben damals gesagt: Wir brauchen nach so einer Katastrophe mehrere Jahre, um die Region wieder aufzubauen. Deswegen haben wir als SPD-Fraktion gesagt – darum geht es mir mit Blick auf die Mittel, die fehlen –, dass wir für die nächsten Jahre einen ähnlich hohen Betrag zur Verfügung stellen müssen. Das hat ja sogar auch Ihr Minister erkannt. Jetzt widersprechen Sie ihm; Sie fallen ihm in den Rücken. Er hat ja selbst gesagt: Es ist zu wenig Geld für die nächsten Jahre zugesagt worden.
Herr Kollege, wir müssen doch jetzt die Weichen für die Zukunft stellen, und wir müssen gerade jetzt dafür sorgen, dass zum Beispiel wieder Bäume gepflanzt werden, weil wir so etwas gegen die Erosion tun können, weil Häuser ansonsten wegrutschen und weil auch die Auswirkungen eines Sturmes anderenfalls viel größer sind.
Deswegen brauchen wir jetzt auch für die gute Regierungsführung, die Sie angesprochen haben, Mittel, damit man einen Rechtsstaat aufbauen kann, damit Flächen in ein Kataster aufgenommen werden können, damit es Landtitel gibt und damit wir auch die Zivilgesellschaft und die Kommunen dort mit Dezentralisierungsprojekten einbinden können. Dafür brauchen wir einen langfristigen Plan und langfristige Mittel. Darum geht es mir hier.
Auch Ihr Minister sagt: Da hat die Bundesregierung zu wenig getan. – Hier stimme ich ihm ausnahmsweise zu. Das heißt aber nicht, dass sich die Regierung aus der Verantwortung dafür stehlen kann, dass sie hier bisher so kläglich versagt hat.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Raabe, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, dieses Mal vom Kollegen Fischer?

Dr. Sascha Raabe (SPD): Gerne.
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):
Herr Kollege Raabe, Sie haben darauf hingewiesen, wie sich die entwicklungspolitische Situation in Haiti bereits vor dem Erdbeben dargestellt hat und dass bereits zu diesem Zeitpunkt zu wenig getan worden ist. Können Sie mir erklären, warum Sie in der Großen Koalition nicht den Antrag gestellt haben, Haiti in die Länderliste des BMZ aufzunehmen, damit dort ganz spezielle Programme aufgelegt werden können?

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Herr Fischer, das erkläre ich Ihnen gerne. Ich möchte Sie auch daran erinnern,
(Ute Kumpf [SPD]: Dass Sie auch in der Großen Koalition waren!)
dass es Ihre Fraktion war, die bei der Aushandlung des Koalitionsvertrags darauf gedrungen hat, die Liste der Partnerländer stark zu verkleinern und in diesem Zusam-menhang immer darauf zu achten, dass eine gute Regierungsführung gegeben ist.

(Ute Kumpf [SPD]: Der Kollege Fischer hateine kleine Amnesie!)
Im Fall Haiti war der Staat in den Jahren vor dem Erdbeben leider unstrittig fragil; es gab kaum funktionierende Verwaltungsstrukturen. Wir hatten auch keine Ansprechpartner, um eine normale staatliche Entwicklungszusammenarbeit durchzuführen. Deswegen haben wir uns dort über die zivilen Organisationen und im Rahmen unserer multilateralen Beteiligung weiter engagiert. Aber wir haben immer gesagt: Wenn eine Regierung gebildet wird, der wir vertrauen können,
(Harald Leibrecht [FDP]: Es ist immer noch die gleiche Regierung!)
bei der wir das Gefühl haben, dass sie die Mittel für die Menschen einsetzt, dann werden wir die entsprechenden Mittel auch zur Verfügung stellen.
Herr Kollege Fischer, Sie sind ja auch ein langjähriger Experte, Sie erinnern sich sicherlich: Nach dem Tsunami gab es in Indonesien zum Beispiel in der Region Banda Aceh große Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Diese Katastrophe damals hat aber auch die Chance eröffnet, die Konfliktparteien wieder ein Stück weit zu versöhnen. Zumindest in dieser Region wurde ein positiver Versöhnungsprozess eingeleitet. Ich wünsche mir, dass wir es gemeinsam schaffen, Herr Kollege, die Regierung in Haiti vor dem Hintergrund der Katastrophe zu der Einsicht zu bewegen, dass sie mehr für die Menschen tun muss. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, eine Zivilgesellschaft mit einer Opposition aufzubauen, sodass nach freien Wahlen eine bessere Regierungsführung möglich ist.
Deswegen widerspreche ich ausdrücklich der Aussage des Entwicklungsministers, der in seinem Brief schreibt, Haiti solle kein Partnerland mehr werden. Wir wollen, dass die Liste unserer Partnerländer alle zwei bis drei Jahre überprüft wird. Da wir uns nach der Katastrophe in Haiti dort mindestens vier bis fünf Jahre engagieren müssen, Herr Kollege Fischer, müssen wir Haiti auch wieder als Partnerland aufnehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass dort in Zukunft demokratische Strukturen vorherrschen.
(Harald Leibrecht [FDP]: Die Regierung ist noch die gleiche!)
Zu der alten Regierung, Herr Fischer, muss man sagen: Der Präsident ist nach dem Erdbeben erst einmal für zwei bis drei Monate abgetaucht.
(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Und jetzt ist er wieder da!)
Einer solchen Regierung sollten wir als Partnerland keine staatlichen Mittel zur Verfügung stellen. Deswegen müssen wir jetzt gemeinsam versuchen, die Ziele zu erreichen. Denn wir wollen ja nicht einer Regierung helfen, sondern den Menschen. Deswegen glaube ich, Herr Kollege, dass wir Haiti in Zukunft wieder als Partnerland in die Liste aufnehmen sollten – allerdings nur unter der Bedingung, dass dort faire und demokratische Verhältnisse vorherrschen und unsere Mittel auch bei den Ärmsten der Armen ankommen.
(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Da können wir aber noch ein bisschen warten!)

In diesem Sinne legt unser Antrag sehr viel Wert auf Dezentralisierung, Demokratisierung und den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen. Wir fordern ganz ausdrücklich, dass die Zivilgesellschaft an der Verteilung der Mittel, die der Internationale Währungsfonds verwalten wird, beteiligt wird. Nicht nur die haitianische Regierung und die Geberländer sollen beteiligt werden, sondern die Zivilgesellschaft sollte diese Mittel mitverwalten und in einem Beirat oder anderen Gremium mitbestimmen können, wohin die Mittel fließen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt unseres Antrags.
Wir fordern eine langfristige Perspektive. Dazu gehört es übrigens auch, die Landwirtschaft in Haiti zu fördern, sodass die Menschen von ihren eigenen Agrarprodukten leben können. Wie war denn die Situation in Haiti? – Vor noch ungefähr 20 Jahren hat sich Haiti mit Lebensmitteln vollständig selbst versorgt. Dann kamen hochsubventionierte Importe aus den USA, und der Reisanbau und die Hühnerzucht sind zusammengebrochen. Es kam zu Abrodungen, sodass die landwirtschaftlichen Flächen schlechter geworden sind.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist aber antiamerikanisch!)
Diese beiden Faktoren haben dazu geführt, dass Haiti zurzeit von Lebensmittelimporten abhängig ist, obwohl es von den klimatischen Verhältnissen her durchaus möglich wäre, alle Menschen mit dort angebauten Lebensmitteln zu versorgen.
Deswegen sage ich – auch an die Bundesregierung gerichtet –: Wir brauchen eine kohärente Entwicklungspolitik. Das bedeutet, dass mit den Agrarexportsubventionen und den internen handelsverzerrenden Unterstützungen Schluss sein muss. Wenn ich daran denke, dass die Landwirtschaftsministerin Aigner im letzten Jahr Agrarexportsubventionen bei Milchpulver zugestimmt hat
(Zuruf von der FDP: Aus Haiti? Das hat doch damit nichts zu tun!)
und wir die gleichen Fehler, die in Haiti gemacht wurden, in anderen Ländern dieser Welt wiederholen, muss ich sagen: Es muss Schluss sein mit Agrarexportdumping. Wir brauchen endlich faire Handelsbedingungen für Haiti und alle Entwicklungsländer.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte abschließend festhalten, dass wir aus meiner Sicht zum einen eine schlechte Regierungsführung in Haiti genauso wie in Afrika nicht zum Vorwand nehmen dürfen, keine Mittel zu vergeben, zum anderen aber auch – das sage ich mit Blick auf die Anträge der anderen Parteien – Anreize setzen müssen, dass dort Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Einzug halten.
Ich glaube, wir haben einen umfassenden Antrag vorgelegt, der sehr stark auf Demokratisierung und Dezentralisierung, aber auch auf einen langfristigen Wiederaufbau setzt, damit künftig Katastrophen wie in Haiti kein so schlimmes Ausmaß mehr annehmen können. Wir werden Erdbeben nicht verhindern können, aber dass in Chile ein vergleichbar starkes Erdbeben ein paar Hundert Todesopfer gefordert hat, während es in Haiti zu 300 000 Toten geführt hat, zeigt, dass ein Großteil der Katastrophe von Menschen gemacht ist. Wir alle in diesem Hause sollten ein gemeinsames Interesse daran haben, dass das in Zukunft verhindert wird. Ich lade Sie alle dazu ein, dass wir gemeinsam daran mitwirken, die Zukunft Haitis in eine gute Richtung zu lenken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)