Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines steht wohl außer Frage: Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land diskutieren über Außenpolitik wie schon lange nicht mehr. Sie machen sich Sorgen, dass die stabile politische Nachkriegsordnung durch die jüngsten Ereignisse infrage gestellt wird. Sie registrieren auch, dass es nicht immer einfach ist, Antworten zu geben; dass wir um die richtigen Antworten hart ringen müssen, bevor wir zu Entscheidungen kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Außenminister, aber auch die Bundeskanzlerin haben in den vergangenen Wochen, seit dem Ausbruch der Krise in der Ukraine, in enger Abstimmung alles erdenklich Mögliche für eine diplomatische Lösung des Konflikts um die Ukraine getan. Frank-Walter Steinmeier hat recht, wenn er sagt: Man darf Staaten, auch die Ukraine, nicht vor eine Entweder-oder-Entscheidung stellen. - Selbstverständlich ist die Ukraine, sind Georgien und die Republik Moldau eingeladen, in enger Kooperation mit der EU zu arbeiten ‑ wir wollen das auch ‑; aber das darf doch nicht bedeuten, dass sich mit der Entscheidung für eine Assoziierung mit der EU eine Entscheidung gegen die Zusammenarbeit mit Russland verbindet. Eine Ja-oder-Nein-Entscheidung ist doch auch deswegen unrealistisch, weil diese Länder Nachbarn Russlands bleiben werden, und in der Nachbarschaft ist man gut beraten, miteinander auszukommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dieser Hinweis geht natürlich - auch im Anblick der jüngsten Entwicklungen - vor allem in Richtung Moskau; denn ich habe schon meine Zweifel, ob das in Russland richtig verstanden worden ist. Gleichzeitig gilt auch: Nicht jeder Debattenbeitrag der letzten Tage und Wochen aus der EU oder der NATO war hilfreich. Kraftmeierei und Planspiele zur schnellen Ausdehnung und Aufrüstung der NATO, wie wir sie regelmäßig vom Noch-Generalsekretär Rasmussen zur Kenntnis nehmen mussten,
(Rainer Arnold (SPD): Leider wahr!)
all das ersetzt nicht den mühsamen Weg: das Ringen um eine vernünftige, nachhaltige politische Lösung, im Gegenteil. Herr Kollege Schockenhoff, Sie haben von einem geostrategischen Wettbewerb gesprochen. Wenn wir die Antwort in der gleichen Kategorie geben, in der Herr Putin denkt, dann haben wir doch schon verloren,
(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Soft Power!)
weil wir den Charakter des europäischen Projektes und die Grundlage für unseren kooperativen Ansatz damit doch selber zur Disposition stellen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nicht der richtige Weg sein.
(Beifall bei der SPD)
Richtig ist: Russland scheint zurzeit vor Kraft kaum laufen zu können ‑ dabei schrumpft die Wirtschaft, Kapital wird abgezogen, die Modernisierung Russlands stockt. Gerade deswegen setzen wir weiter auf Kooperation und Gespräche, unter anderem über eine Kontaktgruppe, die der Außenminister vorgeschlagen hat. Ankündigungen allein ‑ dies haben wir in den letzten Tagen häufig gehört ‑ werden nicht ausreichen. Dass diese Ankündigungen nicht umgesetzt worden sind, hat dazu beigetragen, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Es ist gut, dass die Minister miteinander reden; aber wir müssen jetzt Taten sehen, und die Haltung Moskaus - auch gegenüber den jüngsten Entwicklungen im Osten der Ukraine - lässt doch daran zweifeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist auch hier im Hause häufig nach dem Charakter der Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik gefragt worden, und wir haben hier auch die eine oder andere polemische Debatte dazu geführt. Ein Blick auf die letzten Wochen zeigt: Es ist eine Politik, die auf Dialog und auf die Überzeugungskraft der eigenen Argumente setzt und die gesamte Bandbreite der außenpolitischen Instrumente nutzt, eine Politik, die sich nicht der Verantwortung entzieht und die sich auch nicht hinter Floskeln versteckt. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Vorwurf einer Militarisierung der Außenpolitik erweist sich als das, was er stets war: eine Karikatur. Ich möchte das anhand von zwei Beispielen noch einmal ins Gedächtnis rufen:
Erstens. Die neue Bundesregierung hat ihre Politik in der Frage der Vernichtung syrischer Chemiewaffen geändert. Wir werden in diesem Haus ja darüber entscheiden. Das ist ein konkreter Beitrag zur Stärkung der internationalen Strukturen und zur Abrüstung und ein Teil der neuen deutschen Außenpolitik.
Dasselbe gilt auch für die Debatte, die wir hier über Afrika geführt haben. Ich finde, das war eine sehr angemessene Debatte zur Lage in Ruanda. Wir stellen uns der Verantwortung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ich hatte in der Debatte um Zentralafrika angesichts der dramatischen Situation, offen gesagt, eher die Frage erwartet: Tut die Bundesregierung eigentlich genug? Sie haben von „Beihilfe zum Krieg“ gesprochen. Ich glaube, das zeigt, in welche Richtung diese Debatte geht. Das ist nicht angemessen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, der Haushalt entwickelt sich positiv. Insbesondere im Bereich der Krisenprävention kann es aber sicherlich auch noch besser werden, und wir werden das in die Beratungen hier auch mit einbringen. Ich finde es aber wichtig, dass die zentralen Bereiche der deutschen Außenpolitik durch den hier vorliegenden Etatansatz, aber vor allem durch das Regierungshandeln gestärkt worden sind.
Einer der Vorgänger von Frank-Walter Steinmeier im Amt des Außenministers hat in großer Klarheit ausgesprochen, was in unserer Geschichte leider nicht immer selbstverständlich war:
Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn werden im Innern und nach außen.
Diese von Willy Brandt ausgegebene Richtschnur prägt weiterhin unsere Außenpolitik.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Video zur Rede finden Sie hier.