Gabriele Groneberg weist in der Debatte um den Missbrauch von Werkverträgen unter anderem auf die extrem problematischen Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse von Werksarbeitern in Schlachtbetrieben hin.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Kollegin hat vorhin gesagt, dass es eine regelrechte Welle des Missbrauchs von Werkverträgen gibt. Wenn ich meine Region betrachte, dann muss ich sagen, dass es sich hier um Wellenberge handelt. Das ist bei Ihnen noch gar nicht richtig angekommen. Diese Praxis ist in den Schlachtbetrieben mittlerweile Tagesgeschäft. Sie hat sich ausgeweitet. Seit Jahren werden nun Aufgaben für gelernte Schlachter, also Fachkräfte, outgesourct. Sie sind zu teuer. Die Arbeit wird im Rahmen von Werkverträgen auf andere Unternehmen, die dann aber im Schlachthof tätig sind, verlagert; das ist Fakt. Die Größe der Stammbelegschaft im Verhältnis zu Werkvertragsarbeitern beträgt vielfach nur noch ein Fünftel. Das, Herr Kolb, sollten Sie sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

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Die Arbeitskräfte findet man überwiegend in Osteuropa. Sie folgen falschen Versprechungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, den Verdienst und die Wohnsituation. Sie sprechen kein Deutsch und sind auf die Einpeitscher des Unternehmens angewiesen. Stundenlöhne von 3 bis 5 Euro sind die Regel. Erhalten die Betreffenden mehr, wird ihnen spätestens bei der Gestellung der Wohnmöglichkeit das Fell über die Ohren gezogen. Mit bis zu acht Leuten auf 20 Quadratmetern, mieseste hygienische Bedingungen, Arbeitszeiten, die nichts mit einem Achtstundentag zu tun haben ‑ das ist keine Seltenheit. Muckt jemand auf oder verletzt sich jemand bei seiner Tätigkeit, wird er umgehend in sein Heimatland zurückgeschickt. Betriebsräte? ‑ Kaum vorhanden!

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist aber illegal, Frau Kollegin!

Gewerkschafter, die hier zu helfen versuchen, die die Öffentlichkeit immer wieder über diese Zustände informieren, werden ausgegrenzt, mit Drohungen und Klagen überzogen.

Gitta Connemann (CDU/CSU): Dafür gibt es Gesetze!

Diese Methoden haben sich etabliert. Wenn es nicht so wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen, würden nicht die Schweine aus Dänemark zum Schlachten ins Billiglohnland Deutschland gebracht werden. Darauf kann man doch wohl nicht stolz sein.

Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Meines Erachtens ist es eine Schande für den Wirtschaftsstandort Deutschland, dass wir uns so etwas leisten, vor allem in Bezug auf den sozialen Standort Deutschland.

Sicherlich handelt es sich hierbei um Missbrauch.

Gitta Connemann (CDU/CSU): Was?

Aber es ist so, dass wir nicht die Kontrollmöglichkeiten haben, um diesem Missbrauch entsprechend zu begegnen, Herr Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Haben wir die nicht? Natürlich haben wir die! Die gibt es!

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kolb, haben das die Menschen im meiner Region begriffen, und sie beginnen, sich dagegen zu wehren.

Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN

Den Ausschlag gaben eine umfassende, deutliche Hintergrundreportage der örtlichen Presse - den Journalisten sei von dieser Stelle aus gedankt -, scharfe zustimmende Reaktionen vonseiten der Kirche und eine Veranstaltung der Gewerkschaft NGG mit rund 400 Menschen, die deutlich machte: Wir hier werden diese Verhältnisse nicht mehr tolerieren.

Was ist daraufhin passiert? - Mafiareife Reaktionen: Gewerkschafter, Oberstaatsanwalt und der Kirchenmann werden bedroht. Prälat Kossen, der in dankenswerter Weise klare Worte zum Umgang mit den Arbeitnehmern gefunden hat, wird ein totes Kaninchen als Drohung vor die Haustür gelegt. ‑ Ja, wo sind wir denn hier? Das geht doch wohl nicht so.

Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das geht auch nicht!

Jetzt müsste auch dem Letzten der Ernst der Lage, insbesondere mit Blick darauf, mit wem man es hier zu tun hat, deutlich werden. Hier muss endlich etwas passieren. Wir als SPD solidarisieren uns mit allen, die gegen diese Missstände kämpfen.

Auf einmal geht auch einiges. Die Landkreise und Kommunen haben endlich Mittel und Wege gefunden, besonders auffällige Wohnsituationen zu kontrollieren und zu beseitigen.

Gitta Connemann (CDU/CSU): Das Gesetz funktioniert also! - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Geltendes Recht!

Nun zu glauben, damit wären diese Missstände behoben, ist falsch. Jetzt findet man die Arbeitnehmer in umzäunten ehemaligen Kasernengebäuden. Versuche von Pressevertretern und Gewerkschaftsvertretern, mit den Menschen dort Kontakt aufzunehmen, scheitern am Sicherheitspersonal des Betreibers. Ich bitte Sie!

Herr Schiewerling, hier geht es eben nicht mehr um unternehmerische Freiheit. Was hier passiert, ist auch eindeutig ein Werteverfall, ein Verfall von Werten, die einen anständigen Umgang mit den Menschen gebieten sollten.

Klaus Ernst (DIE LINKE): Und von Sitte!

Gerade auch Sie als Katholik - ich spreche Sie an - müssten wirklich absolut dagegen sein.

Gitta Connemann (CDU/CSU): Was ist mit den Protestanten?

Der Wertekonsens, den wir einmal hatten, wird hier einseitig von Verantwortlichen in der Fleischwirtschaft, aufgekündigt. Es ist aber deutlich geworden, dass das mittlerweile auch in anderen Bereichen der Fall ist.

Wir legen heute einen Antrag vor, mit dem erreicht werden soll, deutlich mehr mögliche Maßnahmen gegen diese Machenschaften in die Hand zu bekommen, um hier wirksam tätig werden zu können,

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das steht aber gerade nicht darin!

und zwar vonseiten der Behörden, die sagen: Wir brauchen dringend einen größeren Handlungsrahmen, wir brauchen hier mehr Wirkungsmöglichkeiten.

Ich erwarte von allen aus den Reihen der CDU, von der Kanzlerin über den CDA-Bundesvorsitzenden bis hin zu meinem Kollegen, dem Wahlkreisabgeordneten Franz-Josef Holzenkamp, sich nicht nur offiziell mit Worten gegen diese Verhältnisse zu wehren und sie zu kritisieren, sondern sich unserem Antrag anzuschließen und endlich ganz schnell Schluss mit dieser Art von Menschenhandel zu machen. Ich erwarte von Ihnen nicht nur einen Workshop und noch einen Workshop, sondern den Mut, sich dagegen zu wehren und entsprechend zu handeln.

Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN