Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im vergangenen Jahr war ich bei der Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf, als das ILO-Übereinkommen Nr. 189 zum Schutz der Arbeitsrechte von Hausangestellten verabschiedet wurde. Ich konnte im Saal die Aufbruchstimmung miterleben. Viele Organisationen, vor allem aus der weltweiten Frauenbewegung, hatten jahrelang für diese Übereinkommen gekämpft. Die Freude war groß, als die Delegierten der ILO-Konferenz das Übereinkommen beschlossen.

Diese Aufbruchstimmung sollte für uns Antrieb sein, das Übereinkommen ernst zu nehmen. Deswegen fordern SPD und Grüne in dem heute vorliegenden gemeinsamen Antrag, dass das Übereinkommen so schnell wie möglich ratifiziert wird. Ein juristisches Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung belegt, dass für die Ratifizierung zunächst keine rechtlichen Veränderungen in Deutschland notwendig sind. Von daher gibt es keinen Grund, warum das Übereinkommen noch nicht ratifiziert ist! Leider scheint es derzeit so, dass die Ratifizierung durch die Bundesregierung verzögert wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, bitte setzen Sie sich dafür ein, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hier zügig vorankommt.

Wir haben leider schon oft genug bei ILO-Übereinkommen miterleben müssen, dass die Ratifizierung verschleppt wurde. Erst am Montag wurde bei der Anhörung zum Seearbeitsgesetz deutlich, dass Seeleute und Reeder Bedenken haben, dass es für sie in der internationalen Schifffahrt zum Nachteil wird, dass Deutschland das ILO-Seearbeitsübereinkommen von 2006 noch immer nicht ratifiziert hat. Wir dürfen uns also nicht so viel Zeit lassen bei den Ratifizierungen der ILO-Übereinkommen, sondern müssen zügig hier in Deutschland unsere internationalen Hausaufgaben machen. Auch die Kanzlerin betonte 2011 in ihrer Rede auf der ILO-Konferenz die Bedeutung der ILO für die internationale Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Diese warmen Worte reichen aber nicht aus, sondern dieses Bekenntnis muss auch in der täglichen Arbeit der Bundesregierung deutlich werden, insbesondere bei der Ratifizierung von Übereinkommen!

Die Aufbruchstimmung 2011 in Genf war so groß, weil das Übereinkommen ein Meilenstein ist, um Hausarbeit gleichzustellen mit regulärer Erwerbsarbeit. In vielen Ländern ist die Arbeit von Hausangestellten nicht als reguläre Lohnarbeit anerkannt. Wir haben erst heute hier im Plenum über Haushaltshilfen diskutiert. Es ist sehr wichtig, dass wir dabei auch immer darüber sprechen, dass die Arbeit im Haushalt auch gute Arbeit sein muss. Arbeitsbedingungen und Lohn müssen auch für Hausangestellte gut und fair sein!

Das Übereinkommen ist natürlich weltweit von großer Bedeutung. Besonders in Entwicklungsländern sind meist Mädchen und junge Frauen von Arbeitsausbeutung betroffen. Oft wird kein oder nur ein sehr geringer Lohn bezahlt, die Lebensbedingungen im Haushalt sind nicht menschenwürdig, es findet manchmal sowohl psychischer als auch sexueller Missbrauch statt. Aber wir dürfen unsere Augen nicht verschließen und nur auf andere Länder zeigen. Auch in Deutschland findet Missbrauch von Hausangestellten statt! Viel Medienaufmerksamkeit haben die Fälle von migrantischen Hausangestellten in Diplomatenhaushalten erhalten, besonders der Fall einer indonesischen Hausangestellten, die ihren Arbeitgeber, einen Diplomaten aus Saudi-Arabien, auf Zahlung von rund 70.000 Euro Lohn und Schmerzensgeld verklagt hatte. Zunächst wurde die Klage in den ersten Instanzen abgewiesen wegen der Immunität des Diplomaten. Kurz vor der Verhandlung am Bundesarbeitsgericht teilte der Anwalt des Diplomaten mit, dass dieser nicht länger als Diplomat akkreditiert und zurück in Saudi-Arabien sei. Damit ist das Bundesarbeitsgericht nicht mehr zuständig, der Fall konnte nicht mehr verhandelt werden. Erst gestern wurde der Fall einer bolivianischen Hausangestellten bekannt, die lange Zeit keinen Lohn erhielt, überlange Arbeitszeiten hatte und kaum aus dem Haus gelassen wurde. Hier hat das Auswärtige Amt mit den Betroffenen verhandelt, es kam zu einer Nachzahlung des Lohnes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt: Ausbeutung von Hausangestellten ist auch in Deutschland kein Einzelfall. Es muss klar sein: Menschenrechte gelten in Deutschland auch für Hausangestellte, und auch in Diplomatenhaushalten. Wir müssen insbesondere für Diplomatenhaushalte Regelungen schaffen, um dem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben. Unser Antrag schlägt dazu vor, dass die Hausangestellten sowohl bei der Einreise als auch bei der Verlängerung ihre Protokollausweise persönlich im Auswärtigen Amt abholen müssen. So werden die Hausangestellten aus der Isolation im jeweiligen Haushalt herausgeholt. Die Beratung von Hausangestellten muss nicht nur in Diplomatenhaushalten besser werden. Wir fordern daher, dass mehrsprachige Broschüren nach dem Vorbild der NGO „Ban Ying“ erstellt werden. Nicht nur die Beratung, auch die Arbeitsverträge müssen den Hausangestellten in einer Sprache vorgelegt werden, die sie verstehen.

Weiter fordern wir in unserem Antrag, dass für Hausangestellte vergleichbare arbeitsschutz- und arbeitsrechtliche Regelungen gelten wie für andere Beschäftigte, dass ein allgemeinverbindlicher Branchenmindestlohn für Hausangestellte Geltung erlangt und dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn als Lohnuntergrenze eingeführt wird. Da viele Hausangestellten hier in Deutschland Migranten sind, sind zudem zwei weitere Forderungen wichtig: Erstens eine Regelung zur Heimschaffung. Es gibt eine Heimschaffung für Seeleute, mit der geregelt wird, wie Seeleute nach dem Ende ihres Vertrages zurück in ihr Heimatland kommen. Eine analoge Regelung ist auch für Hausangestellte notwendig! Zweitens muss der Missbrauch durch private Arbeitsvermittler wirksam verfolgt werden. Private Arbeitsvermittlung ist problematisch, da hier oft Missbrauch geschieht mit Gebühren oder gar mit Menschenhandel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam dafür handeln, dass Missbrauch von Hausangestellten in Deutschland stärker bekämpft wird als bisher. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen und das ILO-Übereinkommen Nr. 189 für die Rechte von Hausangestellten schnellstmöglich ratifizieren. Ich freue mich auf die weitere Beratung des Antrags von SPD und Grünen in den Ausschüssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.