Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach dieser Eruption, die wir in der letzten Woche am Eyjafjallajökull
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
in Island erlebt haben, weiß jeder auch der, der diesen Namen nicht aussprechen kan, wo dieses Land liegt. Wir alle haben gemerkt, wie stark wir doch von der Natur abhängig sind, wie sie unsere Zivilisation beeinflussen und welche Folgen das haben kann.
Rechtzeitig vor der heutigen Debatte hat der Vulkan seine Aktivitäten etwas eingestellt, damit wir wohlgesonnener werden. Aber eine Eruption ist geblieben die ist immer noch da, nämlich die Eruption, die ein ungezügelter Finanzkapitalismus in Island in der westlichen Welt, ja nahezu in allen Ländern dieser Erde hervorgerufen hat. Diese Betroffenheit macht deutlich, was durch ungezügelte Finanzmärkte passieren kann. Deshalb ist es notwendig, aus der Geschichte, in die Island hineingeraten ist, den Schluss zu ziehen: Eine Finanzpolitik, die nur auf Zaster und Zinsen, Rendite und Reibach ausgerichtet ist, kann ganze Länder in den Abgrund führen und zerstört Gesellschaften. Das darf nie wieder passieren.
(Beifall bei der SPD und des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir brauchen daher eine klare Politik, die hier zügelt, die hier regelt, die auch diesen Teil der freien Wirtschaft ein Stück weit an die Leine legt. Das ist eine Herausforderung für diese Bundesregierung, aber auch für die Entscheidungen auf europäischer Ebene, die zu treffen sind. Der europäische Gedanke in Island ist nicht erst in der oder durch die Krise entstanden. Island ist uns schon viel länger verbunden. Halldor Laxness, der isländische Literaturnobelpreisträger, der morgen 108 Jahre alt geworden wäre, sagte einmal:
Was die Menschen trennt, ist gering, gemessen an dem, was sie einen könnte.
2 344 Kilometer trennen den Deutschen Bundestag vom isländischen Parlament, vom Althing. Dazwischen liegen ein breites Meer und unterschiedliche Auffassungen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, wie man mit den schützenswerten Walen umgeht. Es gibt in Island aber auch eine andere Fischereipolitik, von der die Europäische Union meines Erachtens nach etwas lernen könnte; sie ist dort nämlich schon seit langem ökologisch und nachhaltig orientiert. Es gibt dort eine Nutzung regenerativer Energien für die Energieversorgung von nahezu 100 Prozent. Es gibt dort auch eine Tradition der Demokratie, die im Jahr 930 in Thingvellir begonnen hat und die auf ihrer Wegstrecke ich sage das auch für die jungen Frauen, die heute im Rahmen des Girls' Day zu Gast bei der SPD-Fraktion sind seit 1915 das Frauenwahlrecht hat.
(Beifall bei der SPD)
Was uns in Europa eint, das ist, dass Island zur europäischen Familie gehört. Die langjährige Mitgliedschaft in vielen Gremien ist von meinen Vorrednern schon genannt worden. Die nahezu vollständige Übernahme vieler europäischer Regelungen in Island ist allgemein bekannt.
Island ist Gründungsmitglied der NATO, aktiver Mitstreiter bei der OSZE, arbeitet mit uns im Polizei - und Justizbereich zusammen und ist, gerade was Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit angeht, ein Vorbild. Island ist aber auch bei der Sozialstaatlichkeit ein Vorbild. Island kann Motor für ein soziales Europa werden. Die Gewerkschaften in Island haben 2008 auf ihrem Kongress mit einer Mehrheit von 290 zu 6 Stimmen beschlossen, Mitglied in der EU werden zu wollen und auch den Euro einzuführen; denn sie wissen, dass nur in einem gemeinsamen Markt soziale Sicherheit gestaltet werden kann. Ich sage Ihnen eines: Europa wird wirklich nur sein, wenn es auch ein soziales Europa ist.
(Beifall bei der SPD)
Es ist ebenso wichtig, auch auf die tausendjährigen kulturellen Beziehungen hinzuweisen. Die ersten Bischöfe Islands haben ihre Ausbildung vor gut 1 000 Jahren im Bistum Bremen erhalten. Das, was uns bis heute kulturell miteinander verbindet, ist das große Interesse der Isländer an der germanischen Sprache und ist das große Interesse der Deutschen an der Edda und den Sagas.
Im nächsten Jahr wird Island das Gastland auf der Frankfurter Buchmesse sein. Dort werden die engen kulturellen Bindungen nochmals deutlich. Die Perspektiven sind gut sie sind bereits genannt worden: Wir müssen die arktische Region nachhaltig und erhaltend gestalten und dürfen nicht nur allein ökonomische Prinzipien herrschen lassen. Auch über außen- und sicherheitspolitische Fragen muss gemeinsam diskutiert werden. Das soziale Europa ich habe es gesagt bekäme durch einen Beitritt Islands einen Schub.
Deutschland ist aus isländischer Sicht ein guter und verlässlicher Partner. Man fand es sehr sensibel das habe ich in Island erfahren können, wie Deutschland in der internationalen Finanzkrise gehandelt hat. Island ist von uns nicht, wie in Großbritannien unter Bezugnahme auf ein Anti-Terror-Gesetz, zu Zahlungen verpflichtet worden. Nein, wir sind hier anders vorgegangen.
Was man bei Island beachten und verstehen muss, ist, dass Island erst seit 1944 eine freie Republik ist. Man muss also auch das Selbstbewusstsein respektieren und die Menschen so annehmen, wie sie sind. Ich glaube, für uns in Deutschland ist es gut, wenn Island in die Familie der europäischen Mitgliedstaaten aufgenommen wird und wir dann gemeinsam eine werteorientierte Außenpolitik betreiben, auf die so oft hingewiesen wird.
Man muss einmal die Frage stellen: Was ist hierbei die Schlussfolgerung? Die Schlussfolgerung ist: Märkte brauchen Regeln. Sozialstaatlichkeit hält die Gesellschaft zusammen. Freiheit kann nur dann entstehen, wenn aus guter Arbeit auch gutes Einkommen erwächst. Bildung muss frei und für alle zugänglich sein, egal aus welchem Elternhaus man kommt. Der Zugang zu Bildung darf nicht vom Einkommen der Eltern, von der Ethnie oder von der Rasse abhängen. Hier kann man sehr viel von Island lernen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Wie die anderen Kolleginnen und Kollegen will auch ich mit einem Appell an Sie schließen. Da die Zustimmung zu einem Beitritt Islands auf der Wegstrecke der offenen Entscheidungsphase in der Europäischen Union abgenommen hat, müssen wir Mut machen und über die Europa-Union helfen, damit wir bald zu einer mehrheitlichen positiven Einschätzung des EU-Beitritts in der isländischen Gesellschaft kommen; denn so darf es nicht weitergehen. Dabei müssen auch die Kontakte der Parteien und Fraktionen hier in diesem Haus mit denen aus
dem isländischen Parlament verbessert werden. Man wundert sich, warum die eine oder andere Partei in Island gegen einen Beitritt ist. Ich will daher mit einem Zitat aus der Edda von Snorri Sturluson aus dem 13. Jahrhundert ein alter Skalde schließen: "Hast du einen Freund, dem du fest vertraust, geh oft, ihn aufzusuchen, denn Gesträuch wächst und starkes Gras auf dem Weg, den kein Wanderer geht." Deswegen ist es wichtig, als Parlamentarier gerade in diesen Fragen in Kontakt zu treten und die Kontakte auszubauen.
Abschließend will ich die Bundesregierung auffordern, im Europäischen Rat Motor dafür zu sein, dass die Verhandlungen schnell aufgenommen werden können und dass Island nicht mehr nur zur europäischen Familie gehört, sondern baldmöglichst Vollmitglied in der Europäischen Union ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)