Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Koppelin, man erlebt doch immer wieder Überraschungen im Parlament. Sie verkünden hier, dass der Bundessicherheitsrat angeblich nicht die Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien genehmigen wird.
Aber das macht doch eigentlich die Haltung des Bundesentwicklungsministers noch schlimmer. Wenn selbst diejenigen, die für das Militär im Bundessicherheitsrat sitzen, sagen: „Nein, diese Panzerlieferungen nicht“ und ausgerechnet der Bundesentwicklungsminister – er sitzt nur darum im Bundessicherheitsrat, weil seine Vorgängerin, Frau Wieczorek-Zeul, durchgesetzt hat, dass endlich auch das Entwicklungsministerium vertreten ist, damit vom Bundessicherheitsrat weniger Waffenlieferungen in Entwicklungsländer genehmigt werden – sich für Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien ausspricht, dann ist das ein wahrer Hohn.
(Beifall bei der SPD – Sibylle Pfeiffer [CDU/ CSU]: Das ist alles Spekulation! Wir wissen doch nichts!)
– Es ist keine Spekulation, Frau Kollegin, dass Minister Niebel sich in der Zeit für diese Panzerlieferungen ausgesprochen hat. Wenn der Minister schon Zeitungen zitiert, dann muss er auch die Interviews gegen sich gelten lassen, die er gegeben hat, auch wenn sie ihm heute vielleicht peinlich sein sollten.
Ich glaube aber, diesem Minister ist eigentlich nichts peinlich. Denn wenn ihm irgendetwas peinlich wäre, dann würde er sich nicht hier hinstellen und von einem Rekordhaushalt reden und Pressemitteilungen seines Hauses herausgeben, nach denen in diesem Haushalt ein Aufwuchs von 750 Millionen Euro steckt. Das ist dochTrickserei; für so dumm kann man die Leute doch garnicht halten. Wenn man zunächst in einer Finanzplanung sagt, dass man die Mittel ewig nach unten kürzt, anschließend ein wenig drauflegt und dann auf einmal bei einem tatsächlichen Plus von nur 113 Millionen Euro so tut, als seien das 750 Millionen Euro, dann ist das doch billig. Das hat das Haus nicht verdient, das haben auch die Menschen nicht verdient, und die Republik hat diesen Minister nicht verdient.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Helga Daub [FDP]: War bei Ihnen der Haushalt höher?)
Ich frage mich auch, wie Herr Minister Niebel jemals auf einen Aufwuchs kommen möchte, wenn er mittlerweile einer der wenigen Minister in diesem Kabinett ist, die die Finanztransaktionsteuer immer noch ablehnen.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Das muss man einmal überlegen: Wir brauchen innovative Finanzierungsinstrumente. Die Finanztransaktionsteuer ist ein Instrument, das schon vor zehn Jahren, 2001, Ihre Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul immer wieder gefordert hat.
(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Warum habt ihr
es nicht gemacht 2001?)

Dieser Vorschlag kam von Attac und von den NGOs als ein Instrument für Entwicklung. Jetzt sind wir endlich so weit, dass dieser Vorschlag auch von anderen gutgeheißen wird. Anstatt stolz und froh zu sein, dass die Initiative der Entwicklungspolitiker, solch eine Steuer zu generieren, endlich umgesetzt wird, sagt ausgerechnet dieser Entwicklungsminister erst neulich im Ausschuss: Wissen Sie, Herr Raabe, mich interessiert nicht, was die Bundeskanzlerin sagt, ich bin gegen diese Steuer. – Das ist einfach nur noch peinlich, Herr Minister.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es wurde vorhin Ostafrika angesprochen. Es ist bekannt, dass Sie nicht zum Pathos neigen. Wir würden uns sicherlich das eine oder andere Mal mehr Leidenschaft wünschen, wenn solche Katastrophen wie in Ostafrika auftreten. Wir würden uns wünschen, dass der Entwicklungsminister im Fernsehen, in den Medien sichtbar ist und die Bevölkerung auf eine solche Hungerkatastrophe hinweist. Auch in Ihrer heutigen Rede, Herr Minister, haben Sie nicht besonders viel zu dieser Katastrophe gesagt. Es geht mir gar nicht darum, dass Sie Tränen vergießen; denn die Menschen in Ostafrika brauchen in der Tat nicht Ihre Tränen, sondern Ihr Geld und Ihre Hilfe. Das kommt aber immer nur zögerlich, immer nur auf Druck hin. Das ist zu wenig. Sie verweigern sich hier. Angesichts einer solchen Hungerskatastrophe ist es nicht in Ordnung, dass Sie im Prinzip immer nur ein paar Kleckerbeträge bereitstellen. Da müssen wir richtig helfen, da müssen wir viel helfen. Auch das findet sich im Haushalt leider nicht wieder.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartwig Fischer [Göttingen][CDU/CSU]: Es ist eine absolute Frechheit, esso darzustellen!)
Es ist schon einiges zu Ihrem entwicklungspolitischen Konzept gesagt worden. Sie sind derjenige, der immer erklärt, er mache alles neu. In der Tat taucht auf den 27 Seiten 33-mal das Wort „Innovation“ auf. Trotzdem steht nichts Neues drin, Herr Minister. Ständig wird das Credo „Wirtschaft! Wirtschaft! Wirtschaft!“ wiederholt. Wir bestreiten nicht die Bedeutung der Wirtschaft; es waren die Sozialdemokraten – auch in der Regierung –, die mit Public-private-Partnership immer auch auf die Bedeutung der Privatwirtschaft und der Wirtschaftsför-derung hingewiesen haben.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Leider, leider! Das war ja das Problem!)
Man darf das aber nicht im Gegensatz zur traditionellen Entwicklungszusammenarbeit sehen, die viele Menschen vor Ort leisten.
Herr Minister, da stört mich schon der abfällige Ton, in dem Sie über Entwicklungshelfer reden. Sie haben sich im Spiegel-Interview über den Entwicklungshelfer lustig gemacht, „der mit seinem selbstgestrickten Alpaka-Pullover seit den sechziger Jahren durch die Welt geht“.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Da hat er recht! Davon gibt es viel zu viele!)
Herr Minister, ich sage Ihnen einmal: Mir sind engagierte Entwicklungshelfer im Alpaka-Pullover immer noch viel lieber als Entwicklungsminister, die mit der Militärmütze durch die Gegend reisen,
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
oder FDP-Businessdelegationen und Yuppies, die glauben, sie könnten Afrika im Nadelstreifen entwickeln, oder aber GIZ-Vertreter, die über das FDP-Parteibuch in den Vorstand gekommen sind und meinen, sie müssten in der ersten Klasse Champagner trinkend im Nadelstreifen nach Afrika fliegen.
(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das sagt der Richtige! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Da lobe ich mir die Entwicklungshelfer im Alpaka-Pullover. Ich finde, es gibt keinen Grund, so abfällig über diese Menschen zu reden.
Ebenso habe ich es als sehr stillos empfunden, dass Sie das Ministerium, das Sie übernommen haben, gegenüber dem Spiegel als „Almosenministerium der roten Heidi“ bezeichnet haben. Wissen Sie, es ist eine Frage des Stils, wie man über seine Vorgängerin redet. Ich halte es für spätpubertär, peinlich, niveau- und stillos, so über die Vorgängerin zu reden.
(Beifall bei der SPD)
Sie beleidigen mit diesen markigen Sprüchen all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, die seit Jahren eine verdammt gute Arbeit für die Menschen machen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie müssen sich nicht von Ihnen als Mitarbeiter des „Almosenministeriums“ beschimpfen lassen, was auch immer sie für einen Pullover tragen.
(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das war doch Herr Stiegler, der immer einen Pullover trug!)
Es ist unglaublich, dass Sie dann auch noch die Dreistigkeit haben, zu sagen, sie hätten aus diesem vermeintlichen „Almosenministerium“ ein Globalisierungsministerium gemacht. Wissen Sie, Herr Minister, wer wie Sie jedes internationale Instrument ablehnt, wer beim Global Fund die Mittel nicht freigibt,
(Marina Schuster [FDP]: Ja, warum?)
wer multilaterale Arbeit ablehnt, wer nur auf binationale Projekte mit deutschem Fähnchen setzt, ausgerechnet der sollte nicht von „Globalisierungsministerium“ sprechen. Das glaubt Ihnen doch kein Mensch.
Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Raabe, gestatten Sie eine – –
Dr. Sascha Raabe (SPD):
Ich komme zum Schluss. – Das Einzige, was an dem Interview stimmt: Als Replik auf die Frage, ob Sie nun Ihr Ministerium auflösen wollten, sagen Sie, dass es das Ministerium, das Sie abschaffen wollten, nicht mehr gebe. Das stimmt: Das gute Globalisierungsministerium von Heidemarie Wieczorek-Zeul gibt es wirklich nicht mehr.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Mit der SPD zurück in die Vergangenheit!)
Heute gibt es nur noch ein Ministerium, das sich um die Förderung der deutschen Außenwirtschaft kümmert, das die Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit vorantreibt. Wir werden schon dafür sorgen, dass wir 2013 das Ministerium zurückbekommen, das wir einmal hatten,
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Glauben Sie
doch nicht an den Klapperstorch!)

für die Menschen in diesem Land und auf der ganzen Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)