In seiner Rede wirbt Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, für eine Verlängerung der Operation "Atalanta" in Somalia. Der Einsatz habe insbesondere die Stabilität und die Sicherheit der zivilen Schifffahrt in der Region gefördert. Gleichwohl müsse die Operation fortgeführt werden, um auch in Zukunft eine nachhaltige Entwicklung des Landes gewährleisten zu können.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, dem Mandat, über das wir jetzt reden, zuzustimmen.

In vielen Regionen der Welt sind wir heute mit anhaltender Instabilität konfrontiert. Somalia ist dabei - man muss es wahrscheinlich so formulieren - zu einem traurigen Synonym für Staatszerfall, für das Scheitern von Staaten geworden. Die internationale Gemeinschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt das vor enorme Herausforderungen, auch deshalb, weil sie gefordert ist, Teile staatlicher Aufgaben quasi treuhänderisch zu übernehmen.

Was in unserer Diskussion abstrakt klingt, ist dagegen für die betroffenen Menschen sehr konkret, und es ist mit dramatischen Folgen verbunden. Denn ohne staatliche Strukturen und ein staatliches Gewaltmonopol gibt es keine Sicherheit und keine Entwicklung. An deren Stelle tritt die Herrschaft von Clans, von organisierter Kriminalität und, wie wir alle leider wissen, auch von immer mehr terroristischen Organisationen, von gut organisierten extremistischen politischen Kräften. Für die Grundversorgung der Bevölkerung fühlt sich dann schnell niemand mehr verantwortlich. Das können wir in Somalia seit vielen Jahren beobachten. Zudem: Die Folgen eines Staatszerfalls bleiben nicht auf das jeweilige Land beschränkt. Somalia ist auch ein Symbol dafür, dass sich die Unregierbarkeit einiger Landstriche auf die gesamte Region ausweiten kann. Die internationale Gemeinschaft ist dann natürlich noch stärker gefordert. Deswegen engagieren wir uns seit Ende 2008 unter Beteiligung der Bundeswehr in der Operation Atalanta.

Ich will die Dimension deutlich machen, um die es hier geht. Auch heute noch sind über 2,5 Millionen Menschen in Somalia auf akute Nothilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Diese Hilfe erfolgt überwiegend auf dem Seeweg. Die Operation Atalanta gilt primär dem Schutz der Nahrungsmittelversorgung für Somalia, die mit Schiffen des Welternährungsprogramms durchgeführt wird.

Ja, Atalanta hat auch noch eine andere Funktion: Sie schützt auch die zivile Schifffahrt; denn durch das Seegebiet vor Somalia, das ist allgemein bekannt, geht eine der wichtigsten internationalen Handelsrouten. Sie verbindet Europa, die arabische Halbinsel und Asien. Diese Route ist für unsere Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Auch deswegen ist die Fortsetzung von Atalanta in unserem eigenen nationalen Interesse.
Für die somalische Bevölkerung ist die Versorgung mit Lebensmitteln keine Frage des Interesses, sondern eine existenzielle Frage. Deswegen ist es eine gute Nachricht, dass seit dem Beginn der Operation Atalanta alle Schiffe des Welternährungsprogramms der UN sicher nach Somalia eskortiert wurden. Wurde im Jahr 2009 noch von 117 Piratenangriffen berichtet und wurden 46 Entführungen von Handelsschiffen registriert, so ist die Zahl der Angriffe im Jahre 2013 auf drei gesunken. Glücklicherweise können wir berichten: Entführungen haben nicht mehr stattgefunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, den wir trotz dieser guten Zahlen vom Horn von Afrika nicht vergessen dürfen. Weiterhin befinden sich Seeleute in der Gewalt von Piraten, die Lösegelder erpressen wollen, und zwar   wir wissen das aus Medienberichten   unter inakzeptablen humanitären Bedingungen. Das ist ein Fall für die internationale Strafverfolgung.

Die Anzahl der Piratenangriffe ist auf einen Tiefstand gesunken. Der Golf von Aden ist durch die Operation Atalanta erheblich sicherer geworden. Zu diesem Ergebnis haben nicht zuletzt der bessere Schutz der Handelsschiffe sowie eine bessere Koordinierung beigetragen. Ich möchte trotzdem offen sagen: Natürlich ist das Problem Piraterie damit nicht beseitigt. Wir sind uns auch bewusst, dass der Erfolg an der einen Stelle zu Verdrängungen hin zu einer anderen Stelle führt und dass wir inzwischen weitere Piraterieschwerpunkte haben: am Golf von Guinea, am Golf von Bengalen oder an der Straße von Malakka. Das bereitet uns große Sorge. Auch terroristische Angriffe, wie wir sie im Suezkanal erlebt haben, verdienen unsere Aufmerksamkeit.

Ich denke, uns allen hier ist klar, dass wir trotz der Erfolge von Atalanta noch weit von einer Stabilisierung von ganz Somalia entfernt sind. Auch deswegen engagieren wir uns mit der Trainingsmission für die somalische Armee und in der europäischen Initiative zur Stärkung regionaler maritimer Fähigkeiten. Ich finde es richtig, dass darüber und auch über die Frage, ob wir die unterschiedlichen Instrumente noch besser verzahnen können, auf europäischer Ebene eine Debatte geführt wird, die zu einem neuen Mandat führen soll. Meine Fraktion jedenfalls wird sich an dieser Debatte beteiligen und die Diskussion aufmerksam verfolgen.

Lassen Sie mich zum Schluss eines sagen: Trotz aller Schwierigkeiten gibt es auch hoffnungsvolle Zeichen in Somalia; denn in einigen Teilen des Landes haben sich durchaus funktionsfähige staatsähnliche Einheiten gebildet, zum Teil geschah das sogar unter Anwendung demokratischer Prinzipien. Diese Entwicklung sollten wir weiterhin unterstützen. Die Operation Atalanta wird nicht alle Probleme lösen, aber sie trägt dazu bei, dass ein Umfeld geschaffen wird, in dem sich Somalia in Zukunft hoffentlich demokratisch entwickeln kann.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

 

Das Video zur Rede finden Sie hier.