Der schwarz-gelbe Gesetzentwurf, über den abgestimmt wird, sei nichts anderes als eine Mogelpackung. Weder die Kosten würden begrenzt werden noch die Qualität verbessert. Die Therapie werde unsicherer gemacht.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, über welchen heute abgestimmt wird, ist nichts anderes als eine Mogelpackung, um in der Sprache der Pharmaindustrie zu bleiben. Mehr ist er nicht. Er ist eine Mogelpackung, weil weder die Kosten begrenzt werden noch die Qualität verbessert wird. Die Therapie wird unsicherer gemacht.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Heute ist ja Karnevalsanfang!)

Ich will Ihnen das erläutern. Brauchbar ist ohne Wenn und Aber die Erhöhung des Zwangsrabattes.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Immerhin!)

Selbst das wird aber keine lange Wirkung haben; denn selbstverständlich werden es die Pharmaunternehmen schaffen, die Versorgung auf teurere Medikamente umzustellen. Sie haben nichts unternommen, um sicherzustellen, dass auch die richtigen Medikamente eingesetzt werden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das glauben nur Sie!)

Bedenken Sie: Dieser Gesetzentwurf enthält keinen einzigen Aspekt, bei dem es darum geht, dass die richtigen Arzneimittel eingesetzt werden.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Das ist ja Quatsch!)

Dieser Gesetzentwurf beinhaltet keinen einzigen Aspekt des Verbraucherschutzes.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Die Verbraucher zahlen 2,4 Milliarden Euro weniger!)

In diesem Gesetzentwurf steht nichts, wodurch sichergestellt wird, dass zum Beispiel die Marketingaktivitäten der Pharmaindustrie verändert werden und dass nach wissenschaftlich gesicherten Leitlinien behandelt wird. Das ist ein reines Kostensenkungsgesetz, und diese Kostensenkung wird noch nicht einmal funktionieren.

(Beifall bei der SPD – Johannes Singhammer (CDU/CSU): Was denn? Entweder es funktioniert oder nicht!)

Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht, aus dem hervorgeht, wie der Patient vor der Verabreichung von Arzneimitteln geschützt werden kann, die gar keine Wirkung haben oder überteuert sind.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Trauen Sie den Ärzten gar nichts mehr zu?)

Sie haben lediglich Preisverhandlungen eingeführt. Diese werden auf der Grundlage von Preisvorschlägen der Pharmaindustrie und auf der Grundlage von Studien geführt, die die Pharmaindustrie selbst vorlegt. Das ist nichts anderes als eine Feilscherei auf der Grundlage von Studien, die von der Industrie einem Gremium vorgelegt werden, das selbst keine Studien erstellen kann und dem keine anderen vorliegen.

Hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Bewertung haben Sie sich selbst gelobt und gesagt, es werde etwas eingeführt, das es bisher nicht gab. Das ist nicht richtig. Die Kosten-Nutzen-Bewertung war nach geltendem Recht schon immer erlaubt und durchführbar. Sie ist aber nicht genutzt worden. Sie hätten Druck ausüben müssen, damit das bestehende Gesetz genutzt wird, das besser als der Gesetzentwurf ist, den Sie jetzt verabschieden wollen.

(Beifall bei der SPD – Patrick Döring (FDP): Warum hat Frau Schmidt das nicht gemacht?)

In einigen Bereichen werden Sie die Versorgung verschlechtern, zum Beispiel wenn es um die integrierte Versorgung geht, die die pharmazeutische Industrie jetzt erstmalig mit anbieten kann. Es ist erstmalig möglich, dass die Pharmaunternehmen selbst die integrierte Versorgung anbieten. Das hört sich zunächst einmal gut an: Der Arzt bekommt dann ein zusätzliches Honorar; die Kasse erhält einen Rabatt, und das Medikament des Pharmaunternehmens kommt auf den Markt. Es sieht so aus, als ob alle profitieren würden. Wer profitiert aber nicht? Der Patient profitiert nicht, weil er dieses neue Medikament, das er ohne den neuen Vertrag möglicherweise nie bekommen hätte, gar nicht braucht.

(Patrick Döring (FDP): Hätte, könnte, würde, sollte!)

Herr Rösler, haben Sie über diesen Teil des Gesetzentwurfs jemals mit einem Medizinethiker gesprochen? Ist Ihnen vielleicht einmal der Gedanke gekommen, sich zu fragen, weshalb Regeln dieser Art in jedem anderen europäischen Land nicht erlaubt sind? Weshalb ist das so? Das ist so, weil man sicherstellen will, dass der Patient nicht als Absatzmarkt der Industrie betrachtet wird, sondern so behandelt wird, wie er es braucht. Der Krebspatient ist in erster Linie Patient und kein Absatzmarkt, der durch einen Vertrag bedient werden soll, wie es ihn in dieser Form in keinem anderen europäischen Land gibt.

(Beifall bei der SPD)

Ich kenne keinen Ethiker, der ein solches Gesetz befürworten würde.

(Ulrike Flach (FDP): Das spricht aber eher gegen Sie!   Patrick Döring (FDP): Sie kennen die falschen Leute!)

Bedenken Sie, was es bedeutet, wenn die Jahreskosten für ein Medikament 100 000 Euro betragen. Wie groß ist dann der Anreiz, vertraglich zu regeln, dass der Arzt eine Bonifikation bekommt? Man kann das, was Sie einführen wollen, auch als legalisierte Form der Korruption bezeichnen, sehr verehrter Herr Minister.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Patrick Döring (FDP): Quatsch!)

Sie haben uns vorgeworfen, wir würden uns nicht für seltene Krankheiten interessieren. Das Gegenteil ist die Wahrheit. Bei den seltenen Krankheiten ist eine schnelle Zulassung sinnvoll. Daher werden diese Medikamente auch länger patentgeschützt. Aber wir wissen, dass diese Regelung seit Jahren von der Industrie missbraucht wird. Was aber machen Sie? Statt diesen Missbrauch einzuschränken, bohren Sie ihn auf, indem Sie diese Medikamente zusätzlich von der Kosten-Nutzen-Bewertung ausnehmen. Damit setzen Sie einen Anreiz, dass mehr Medikamente für kleine Krankheitsgruppen getestet und zugelassen werden, obwohl sie dann für viel größere Patientengruppen eingesetzt werden. Dieser Trick, den die Pharmaindustrie in ganz Europa und insbesondere bei uns anwendet, wird sich durch Ihr Gesetz wahrscheinlich weiterverbreiten. Somit werden Patienten mit seltenen Krankheiten durch Ihre Politik nicht geschützt. Vielmehr werden Medikamente gegen seltene Krankheiten von einer notwendigen Nutzenbewertung, die nach Ihrem Gesetz schon schlecht genug ist, ausgenommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was die von Ihnen vorgesehenen Einsparungen angeht, ist es richtig, dass der Rabatt den Krankenkassen etwas Geld bringen wird   es sind aber keine 1,5 Milliarden Euro, wie Sie glauben, sondern vielleicht 500 Millionen Euro, weil von einer Preissteigerung auszugehen ist  , aber dafür wird der Patient in der Apotheke zusätzlich zur Kasse gebeten. Sie erhöhen die Zuzahlungen bei Nachahmerprodukten. Bei nicht rabattierten Medikamenten muss zukünftig der volle Betrag zugezahlt werden. Hier gilt keine Obergrenze.

(Ulrike Flach (FDP): Das müssen sie ja nicht kaufen!)

Damit holen sich die Pharmafirmen den kleinen Rabatt, den Sie eingeführt haben, vom Patienten zurück. Das ist nichts anderes als „linke Tasche, rechte Tasche“.

(Beifall bei der SPD)

Der Versicherte wird minimal entlastet, und die Pharmaunternehmen holen es sich bei Kranken und älteren Menschen zurück.

Frau Flach, Sie haben gesagt, dass die Medikamente nicht gekauft werden müssen. Sie wissen doch selbst, dass ein älterer Mensch, der nicht gerade zufällig eine Ärztin als Tochter hat, das nicht entscheiden kann. Wir wollen keine Ausnutzung und Abzockerei von wehrlosen älteren Patienten. Patienten sind keine Kunden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Patrick Döring (FDP): Unglaublich!)

Die FDP muss lernen, dass der Patient kein Kunde ist. Er ist in der Regel kein junger Geschäftsmann, der sich im Internet bedienen kann. Es sind keine Menschen wie Herr Rösler, die jung, gesund und gut ausgebildet sind. Es sind Menschen, die darauf angewiesen sind, dass Sie sie vor Abzockerei schützen. Aber Sie führen diese ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In der Summe ist der Gesetzentwurf eine Mogelpackung, die im Januar nächsten Jahres geöffnet wird. Dann werden Sie sehen, dass Ihre ohnedies bescheidenen Zustimmungswerte weiter sinken werden; denn die Menschen werden in der Apotheke zuzahlen müssen. Sie werden merken, dass es Ärger mit den Verträgen mit der Pharmaindustrie gibt. Sie werden sich über die dadurch bedingten Kostenerhöhungen ärgern. Der Beitragssatz wird nicht sinken, sondern steigen. Das kommt dabei heraus. Ich habe diesbezüglich kein Mitleid. Aber die Verschlechterung der Versorgungsqualität ist ein Armutszeugnis. Daher ist der Gesetzentwurf es nicht wert, dass wir ihm zustimmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)