Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Integration des Gruppenverfahrens in die ZPO ist im Ansatz richtig, jedoch noch nicht ausgereift. Deshalb ist es jetzt wichtig, in den weiteren Beratungen in den Ausschüssen den guten Ansatz auch zu einem guten Ergebnis zu führen.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nachdem wir heute schon medizinisch in das Thema eingestiegen sind – Sie, lieber Kollege Ullrich, haben von der Operation am offenen Herzen gesprochen und Sie, Frau Künast, haben den Begriff „subkutan“ verwendet –,

(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Ein bisschen Hysterie war zwischendurch auch schon dabei!)

will ich jetzt nicht intravenös an alle herantreten, sondern versuchen, mehr die Lebensrealität in den Mittelpunkt zu rücken.

Ich sage vorweg: Der Ansatz des Gesetzentwurfs von Bündnis 90/Die Grünen ist ja recht gut. Auf die Umsetzung trifft allerdings der Satz zu: Gut gemeint, aber nicht gut gemacht. – Ich sage das deshalb, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land sich in zwei Gemengelagen bewegen. Auf der einen Seite geht es um diejenigen, die wegen eines schlechten Produkts, wegen eines verpassten Flugs, der sie in ihr geliebtes Urlaubsland hätte bringen sollen, oder wegen vermeintlicher Kleinigkeiten ihr Recht suchen. Für diese Menschen ist es vielleicht das erste Mal in ihrem Leben, dass sie mit einem Gericht zu tun haben. Sie schämen sich möglicherweise, den Gerichtsweg zu beschreiten. Da müssen wir ansetzen und etwas unternehmen, um diese Hürde zu überwinden. Da wollen Auf der anderen Seite wollen wir etwas verhindern, was wir aus amerikanischen Fernsehserien zur Genüge kennen. Nehmen wir zum Beispiel einen Fall, den auch der eine oder andere von Ihnen möglicherweise schon erlebt hat: Man macht eine gute Flasche Rotwein, einen Bordeaux zum Beispiel, auf und hat durch das Berühren des Korkens zwei Tage einen roten Daumen. In diesem Fall soll ein Verbraucher, der feststellt, dass auf der Flasche der Hinweis fehlt, dass man durch das Berühren des Korkens kurzzeitig rote Finger bekommen kann, nicht, wie wir es aus amerikanischen Fernsehserien kennen, einen Schadenersatzprozess über mehrere Millionen Euro anzetteln können.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber das ist anderes Recht!)

Dies wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Einführung des Gruppenverfahrens in die ZPO ist nichts anderes als die Fortentwicklung von Sammelklagen. In Bezug auf Gruppenklagen haben wir im Verbandsklagerecht und im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz recht gute Regelungen, die weiterentwickelt und vor allen Dingen den Verbraucherinnen und Verbrauchern nähergebracht werden müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Herr Kollege Brunner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Katja Keul?
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Gerne.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön.

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Brunner, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade das Beispiel erwähnt, dass in Amerika wegen einer Lappalie Millionenbeträge geltend gemacht werden. Würden Sie mir nicht auch recht geben, dass das weniger mit den Verfahrensrechten der ZPO zu tun hat als mit dem Unterschied im materiellen Zivilrecht, weil es in den USA so etwas wie eine Strafschadensersatzklage gibt, die es in unserem Zivilrecht gar nicht gibt? Deswegen entstehen diese Summen, die bei uns undenkbar wären. Das hat mit dem Verfahren einer Gruppenklage eigentlich gar nichts zu tun.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kennt sich jemand aus!)

Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Selbstverständlich, liebe Kollegin Keul, hat das mit unserem Zivilrecht nichts zu tun. Aber das Gruppenklageverfahren ist im Wesentlichen aus dem angelsächsischen Recht entwickelt. Deshalb habe ich auch den Bezug hergestellt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eine haben Sie nicht verstanden und das andere falsch recherchiert!)

Meine Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe ist, den Bürgerinnen und Bürgern, den Rechtsuchenden – da hat der Kollege Ullrich recht gehabt –, zum einen durch die Ausstattung der Gerichte und zum anderen durch die Ausgestaltung der Gesetze die Möglichkeit zu geben, ihre Rechtsansprüche in der bestehenden Rechtsordnung einzuklagen und die Scheu davor zu nehmen. Ich glaube auch, dass dies mit der derzeitigen Regelung über die Beratungshilfe, über die Prozesskostenhilfe, über das Verbandsklagerecht und über die gut organisierten Verbraucherverbände hinlänglich möglich ist.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass an verschiedenen Stellen sicherlich nachzujustieren ist und freue mich deshalb auf die Beratungen in den Ausschüssen, um den guten Ansatz zur Integration des Gruppenverfahrens in die ZPO zu einem guten Ergebnis zu führen. Ich denke, es ist für uns alle wichtig, dass wir jetzt zuerst einmal das Prüfverfahren der Bundesregierung und etwaige Lösungsvorschläge abwarten.
Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen, soweit Sie noch hierbleiben, einen schönen Nachmittag und ansonsten ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)