Entgeltgleichheit ist schon zu lange auf der politischen Agenda.  Entgeltdiskriminierung soll gemeinsam mit Unternehmen bekämpft werden.   Es lohnt sich für ein gleichberechtigtes, vielfältiges Frauen­leben zu kämpfen.                    

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle kennen sicher das Buch „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende. Manchmal denke ich, dass die Be­schäftigung mit der rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern genau in diese Kategorie passt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND­NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn das Thema steht schon sehr, sehr lange auf der politischen Agenda.

Sicherlich, wir haben schon viel erreicht. Aber als ich vor genau 30 Jahren mit meiner kommunalpolitischen Arbeit anfing, habe ich nicht im Traum daran gedacht, dass wir im Jahr 2014 von einer wirklichen Gleichstel­lung von Männern und Frauen noch so weit entfernt sein würden.

Ein wichtiges Thema für meine Fraktion und mich sind vor allem die erheblichen Lohnunterschiede zwi­schen Männern und Frauen. Auch im 21. Jahrhundert gibt es da bei uns in Deutschland nach wie vor ein deut­liches Gefälle. Von einer Entgeltgleichheit kann nicht die Rede sein. Die Gründe sind sicher vielschichtig. Aber Frauen verdienen immer noch bis zu 22 Prozent weniger, einfach deshalb, weil sie Frauen sind. Das ist beschämend, nicht akzeptabel und muss geändert wer­den.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND­NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber es kommt noch schlimmer. Im Laufe ihrer Er­werbsbiografie und vor allem mit steigendem Alter ver­ändert sich dieser Einkommensunterschied weiter zulas­ten der Frauen. Für diese Gerechtigkeitslücke gibt es verschiedene Ursachen. Der Erste Gleichstellungsbe­richt nennt insbesondere die familienbedingte Erwerbs­unterbrechung und vor allem die geringen Verdienst­möglichkeiten in frauentypischen Berufen sowie das Fehlen von Frauen in bestimmten Berufen und auf höhe­ren Führungsebenen. Deshalb kann ich Ihnen, liebe Kol­leginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, nur beipflichten, wenn Sie in Ihrem Antrag fordern – ich zi­tiere –:

Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ muss endlich durchgesetzt werden, damit Frauen gerecht entlohnt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND­NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht also darum, typische Frauenberufe aufzuwer­ten, die Teilzeitfalle zu durchbrechen, die prekären Be­schäftigungsverhältnisse abzuschaffen sowie ein Verfah­ren in Gang zu setzen, das Transparenz über die Entgeltstrukturen in Betrieben und bei den Tarifvertrags­parteien sicherstellt. Genau das sieht der Koalitionsver­trag vor.

Die Regierungskoalition hat sich unter anderem da­rauf verständigt, die direkte Lohndiskriminierung zwi­schen Männern und Frauen zu beseitigen, indem Unter­nehmen gesetzlich verpflichtet werden, einen Bericht zur Entgeltgleichheit vorzulegen, ein individuelles Aus­kunftsrecht einzuführen und sich verbindlichen Prüfver­fahren zu unterziehen. Unsere zuständige Ministerin ist – da bin ich vollkommen sicher – ein Garant dafür, dass dies auch umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Was wir in der Tat benötigen – darauf möchte ich ganz besonders hinweisen –, ist ein aussagekräftiges Prüf- und Bewertungsverfahren zur Messung von Lohn­ungleichheit. Wir brauchen effektive Prüfsteine, die möglichst viele Diskriminierungstatbestände erfassen. Es soll aber nicht nur bei Transparenz und Prüfung blei­ben. Wenn es tatsächlich einen Hinweis auf Entgeltdis­kriminierung gibt, benötigen wir auch Mittel und Wege, damit Betriebe und Tarifvertragsparteien aktiv werden müssen. Und wir benötigen Maßnahmen zur Durchset­zung sowie entsprechende Sanktionsmöglichkeiten, um diese Diskriminierung abzubauen. Wir brauchen also klare gesetzliche Regelungen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir Entgeltdiskriminierung aufdecken und an­gehen wollen, müssen wir alle handelnden Akteure ins Boot holen. Es geht nicht gegeneinander, sondern nur miteinander. Wenn wir hier und heute klare Signale an die Unternehmen senden, müssen wir ebenso dafür sor­gen, dass das Prinzip der Entgeltgleichheit auch in an­dere Politikbereiche einbezogen wird. Dazu zähle ich die Reform der Minijobs, die Einführung des flächende­ckenden Mindestlohns, die Diskussion über das Betreu­ungsgeld und insbesondere ein geschlechtergerechtes Steuersystem, Stichwort Ehegattensplitting.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In all diesen Bereichen besteht weiterhin sehr großer Handlungsbedarf, wenn wir die Entgeltgleichheit und die Gleichstellung von Männern und Frauen wirklich re­alisieren wollen.

Lassen Sie mich hier und heute das Thema Entgelt­gleichheit noch aus einer ganz anderen Perspektive be­leuchten, die mir persönlich sehr am Herzen liegt. Als Abgeordnete für den Kreis Borken vertrete ich – wie es so schön heißt – den ländlichen Raum. Hier stellen sich manchmal Probleme bzw. Fragen doch ein wenig anders dar. Ein Kernthema im ländlichen Raum, mit dem ich als langjährige Kommunalpolitikerin häufig zu tun hatte, sind die Leistungen pflegender Angehöriger. Wenn ich von pflegenden Familienangehörigen spreche, meine ich in erster Linie Frauen. Ich nenne sie inzwischen die ver­gessenen Frauen. Sie pflegen nach der Kindererziehung in der Mehrheit oft die eigenen Eltern oder Schwiegerel­tern, gar nicht so selten beide Elternpaare, ohne dass diese Leistung gesellschaftlich anerkannt wird. Diese Frauen und auch die wenigen pflegenden Männer sind für unsere Gesellschaft eine wesentliche Stütze.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜND­NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ohne sie würde das System der Pflege zusammenbre­chen, allein weil uns die finanziellen und personellen Ressourcen fehlen.

Fakt ist, dass mir die Entscheidung, ob ich als pfle­gender Angehöriger noch berufstätig sein kann oder nicht, vielfach durch den Grad der Pflegebedürftigkeit abgenommen wird. Bei schwer demenzerkrankten Men­schen mit Weglauftendenz oder bei Menschen mit schweren körperlichen oder geistigen Behinderungen ist eine Berufstätigkeit für die Pflegenden kaum denkbar. Deshalb benötigen wir neben einer neuen Wertschät­zungskultur – diese bitte nicht nur in Sonntagsreden – eine stärkere Berücksichtigung dieser Leistung bei den Rentenansprüchen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es kann nicht sein, dass wir diese Frauen am Ende in die Grundsicherung schicken. Hier tragen wir alle unmittelbar Verantwortung. Auch das gehört für mich zu einer gerechten Entlohnung von Frauen.

Ich könnte noch viele andere Themen ansprechen. Aber ich habe meine Redezeit schon überzogen, wie ich gerade sehe.

(Heiterkeit bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich doch noch einen Wunsch äu­ßern. Ich wünsche mir, dass spätestens die Generation meiner Enkelin Charlotte, die jetzt neun Jahre alt ist, nach Leistung und Qualifikation bezahlt wird. Sie soll sich keine Gedanken mehr darüber machen müssen, wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren kann. Kurz: Sie soll ein gleichberechtigtes, vielfältiges Frauen­leben führen. Dafür lohnt es sich doch zu kämpfen.

Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜND­NISSES 90/DIE GRÜNEN)