In seiner Rede vor dem Parlament bekräfigte der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion: Es ist wichtig, unseren Partnern im Süden, im Osten und im Westen die Hand zur gemeinsamen Arbeit zu reichen. Da sind die Herausforderungen in Osteuropa sicherlich besonders groß.

Herr Präsident! Auch von mir herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte gibt uns Gelegenheit, eines deutlich zu machen: Europa ist mehr als diese Krise.

Lieber Kollege Toni Hofreiter, ich will all denjenigen hier in diesem Saal, die den Koalitionsverhandlungen skeptisch gegenüberstehen, sagen: Eines ist für uns als Sozialdemokratie zentral: Wir wollen, dass der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit junger Menschen in Europa ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt wird,

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

dass Europa wieder zu sozialer Stabilität zurückfindet und dass wir die Spaltung in Europa überwinden. Darum geht es uns. Sie können sich darauf verlassen: Dafür kämpfen wir, nicht nur in den nächsten Wochen, sondern über vier Jahre hinweg!

(Beifall bei der SPD)

Aber es ist auch wichtig, dass wir deutlich machen: Europa ist eben nicht nur die Krise. Europa ist ein faszinierendes Projekt für Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wenn wir manchmal in Zweifel geraten, ist es gut, den Blick nach außen zu richten und zu sehen, wie neidisch und fasziniert die Menschen außerhalb der Europäischen Union, gerade in unseren Nachbar- und Anrainerstaaten, auf uns blicken und sagen: Toll! Was denen gelungen ist, das wollen auch wir erreichen. Diese Werte wollen auch wir für unsere Bürgerinnen und Bürger erstreiten und erkämpfen.

Das sollten wir uns gerade in diesen Wochen und Monaten, in denen wir uns wegen der Krise in Europa schwertun, immer wieder in Erinnerung rufen; denn diese Werte sind das eigentliche Fundament Europas. Ich kann dem Kollegen Kauder nur zustimmen: Es geht nicht in erster Linie um Euro und um Cent. Es geht um die Verteidigung von Werten, für die Generationen von Menschen vieles haben riskieren müssen. Wir haben sie jetzt. Aber es ist eben auch wichtig, dass wir die Universalität dieser Ideen immer wieder in den Mittelpunkt unserer politischen Arbeit rücken.

So wichtig es ist, dass wir uns derzeit mit uns selbst beschäftigen, um die Probleme innerhalb der Europäischen Union zu lösen, so wichtig ist es auch, unseren Partnern im Süden, im Osten und im Westen die Hand zur gemeinsamen Arbeit zu reichen. Da sind die Herausforderungen in Osteuropa sicherlich besonders groß. Dafür hat jede Bundesregierung unsere volle Unterstützung verdient.

Dies ist für uns mit einer großen Chance verbunden. Wir wissen, manches in der Europapolitik stößt bei unseren Bürgerinnen und Bürgern auf große Skepsis. Aber die Bürgerinnen und Bürger erwarten - das zeigen auch die jüngsten Umfragen -, dass wir es schaffen, dass Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme zu sprechen vermag. 65 Prozent der Bürgerinnen und Bürger erwarten in Europa mehr Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, mehr Zusammenarbeit in der Außen- und Entwicklungspolitik. Das sollte für uns ein Auftrag sein, hier etwas ambitionierter zu arbeiten, als das vielleicht in den vergangenen Jahren der Fall war.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier sehr weit auseinander. Ich weiß, in vielen außen- und sicherheitspolitischen Fragen ist es innerhalb der Europäischen Union sehr schwierig, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Ich nenne in diesem Zusammenhang den Nahen Osten, den Mittleren Osten und unser Verhältnis zu Israel. Aber trotz der Schwierigkeiten wäre es wichtig, wenn es die Europäische Union schaffte, sich auf einige zentrale außen- und sicherheitspolitische Projekte zu verständigen, bei denen es uns gelänge, endlich einmal voranzukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da sehe ich für uns auch Potenzial im Bereich der Östlichen Partnerschaft. Da kann sich etwas bewegen; da kann sich etwas tun. Dabei geht es nicht alleine um die Visaerleichterung, die eben zu Recht angesprochen wurde.

Wir müssen eine weitere Frage klären. In den vergangenen Jahrzehnten war der Umgang mit unseren Nachbarn, die geografisch zu Europas gehören, relativ einfach: Wir haben, wenn diese Länder einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt haben, das Angebot des Beitritts eröffnet. Hier hat die Bundeskanzlerin sicherlich recht: Es geht bei der Östlichen Partnerschaft nicht um Beitritte. Es muss uns dennoch gelingen, diesen Staaten ein attraktives Angebot auf Augenhöhe zu eröffnen, bei dem sie spüren: Sie sind nicht etwa ein Wurmfortsatz Europas, sondern sie gehören zu Europa. Wir haben ein Interesse daran, dass diese Staaten zu der Stabilität, zu der demokratischen Reife und zu der Form von Rechtsstaatlichkeit kommen, wie sie in der Europäischen Union, zumindest meistens, selbstverständlich sind. In dieser Frage müssen wir ambitionierter werden.

Gleiches gilt für den Dialog mit einem für uns ganz besonders wichtigen Partner, nämlich Polen. Diejenigen von uns, die sich intensiver mit unseren polnischen Partnern beschäftigen, wissen, dass der Blick unserer polnischen Freunde natürlich auch nach Osten gerichtet ist. Da wäre es auch in Anbetracht der herausragenden Bedeutung der Verantwortung Deutschlands zentral, wenn Deutschland und Polen in der Frage, wie mehr Stabilität für unsere östlichen Nachbarn erreicht werden kann, vorangingen und gemeinsame Initiativen entwickelten. Diese Initiativen müssten so attraktiv sein, dass alle anderen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union bereit und in der Lage sind, mitzumachen.

Eines hat mich dann doch ein bisschen überrascht, Herr Kollege Kauder. Sie haben eben etwas angesprochen, was für meine Fraktion in den vergangenen Jahren zentral war: unsere Glaubwürdigkeit im Umgang mit Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten. Wir sind in erster Linie eine Werteunion. Es ist daher wichtig, wie wir die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundwerte innerhalb der Europäischen Union vertreten.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Er hat aber von Ungarn gesprochen!)

Ich habe allerdings in den vergangenen Jahren nicht immer den Eindruck gehabt, dass fraktionsübergreifend gehandelt wurde, wenn die Wahrung der Grundwerte innerhalb der Europäischen Union infrage gestellt wurde.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hier gibt es keine Rabatte; hier darf nichts relativiert werden. Wir können unsere Werte nur dann glaubhaft nach außen vertreten, wenn niemand den Anlass hat, daran zu zweifeln, dass wir in unseren eigenen Reihen ernsthaft und konsequent mit diesen Werten umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte ganz bewusst einzelne Länder jetzt gar nicht erwähnen; denn ich will keine kleinkarierte Debatte führen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Rumänien!)

‑ Ja. Rumänien, Ungarn und auch Italien. Ich könnte eine ganze Reihe anderer Staaten nennen. Der Antisemitismus in Deutschland gehört selbstverständlich auch dazu.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Bei der Linken!)

Die Grundrechteagentur hat uns allen ins Stammbuch geschrieben, dass auch wir, wenn es um die Verteidigung der Freiheitswerte geht, noch etwas lernen können und dass bei uns nicht alles nur rosarot ist. Da haben Sie recht, Herr Kauder. Umso wichtiger ist es, dass wir diese Werte konsequent verteidigen. Das wäre ein gemeinsames Projekt für diese Legislaturperiode. Ich würde mich darüber freuen, wenn möglichst viele Fraktionen, vielleicht sogar alle, bereit wären, die SPD in diesem engagierten Kampf zu unterstützen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)