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Zöllmer (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
„Und jetzt?“, fragte der Spiegel in dieser Woche die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Euro-Krise. Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten.
(Dr. Volker Wissing (FDP): Morgen früh kommt die Regierungserklärung!)
Eines können wir jedenfalls feststellen: Die sogenannte Euro-Krise verschärft sich von Woche zu Woche.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Von Tag zu Tag!)
Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank spricht bereits von der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch nicht der Euro ist gescheitert, gescheitert ist die Krisenstrategie dieser Bundesregierung.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Auf Spiegel Online stellte Herr Münchau, immerhin ein Experte für diese Fragen, in dieser Woche fest ich zitiere einmal wörtlich :
"Die Chance auf eine bezahlbare Euro-Rettung ist vertan und schuld ist die Bundeskanzlerin. Angela Merkel wird uns alle ruinieren, weil sie mit ihrem Zaudern die Krise verschärft. Jetzt hat sie nur noch zwei politische Optionen: Bankrott oder Ruin."
Ich will nicht hoffen, dass Herr Münchau mit seinen Schlussfolgerungen richtig liegt, aber bei der Beschreibung des Krisenmanagements dieser Bundesregierung liegt er richtig, da hat er recht.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Bundesregierung lief der Krise immer hinterher. Als der Baum schon brannte, räsonierte man immer noch darüber, ob man nicht lieber elektrische Kerzen statt Wachskerzen nehmen sollte.
(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir erinnern uns doch alle noch daran, wie sich die Bundeskanzlerin von der Bild-Zeitung als eiserne Lady hat feiern lassen. Ihr Motto: Kein Geld für Griechenland! Dann doch Geld für Griechenland. Aber keinen Cent mehr, so Kollege Fricke von der FDP.
(Harald Koch (DIE LINKE): Nur einmalig!)
Da hatte er ja völlig recht; denn kurze Zeit später ging es nun wirklich nicht um Cents, sondern um zusätzliche Milliarden. Die Halbwertszeit der gebrochenen Beschwichtigungssprüche der Bundesregierung liegt schon jetzt unterhalb von einem Monat. Eine so miserable Krisenstrategie hat dieses Land, hat der Euro wirklich nicht verdient, und diese Stümperei geht leider immer noch weiter.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Harald Koch (DIE LINKE): So viel zur Kärrnerarbeit!)
Schauen wir uns ganz kurz die Situation bei der EFSF an. Hier hieß es zuerst: Niemand hat die Absicht, den Fonds zu hebeln. Zwei Tage später war klar: Er soll gehebelt werden, und es gab zwei Varianten. Jetzt zeigt sich, dass man die Rechnung wohl ohne die Investoren gemacht hat. Sie sind offenkundig nicht bereit, mitzuspielen. Diesen Eindruck hatten wir bei dem Besuch des Finanzausschusses in Luxemburg bereits vor zwei Wochen.
Jetzt haben wir einen Rettungsfonds, der offensichtlich seine Aufgabe nicht erfüllen kann, weil zu wenig Geld im Topf ist. Da fragt man sich: Wo ist eigentlich der Plan B der Bundesregierung? Gibt es ihn? Man stellt fest: Es gibt keinen. Alle denkbaren Alternativen werden von der Bundesregierung mit Ekel, Abscheu und Empörung abgelehnt. Man will nun mit Vertragsänderungen den Krisenbrand löschen mit Vertragsänderungen, die mehrere Jahre zu ihrer Umsetzung brauchen.
(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Leider wahr!)
So wird die Bundesregierung ungewollt zum Totengräber des Euro.
(Zuruf von der FDP: Also, Herr Zöllmer, entwaffnen Sie mal ein bisschen!)
Ja, in der Tat, warten Sie ab. Es gibt inzwischen selbst Minister, die das in Talkshows nicht mehr ausschließen. Die Bundeskanzlerin ist auf dem Weg, zur großen „Buhfrau“ in Europa zu werden. Das wundert einen auch nicht angesichts dessen, dass von ihr die Forderung verbreitet wird: Am deutschen Stabilitätswesen soll die Welt genesen.
(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Sagen Sie doch mal was zu dem Antrag der Linken! Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Das wäre nett für Herrn Troost, wenn Sie etwas zu dem Antrag sagen würden!)
„Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“, hat Herr Kauder als CDU-Fraktionsvorsitzender freudestrahlend auf dem CDU-Parteitag verkündet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten heute Morgen ein Gespräch mit griechischen Abgeordneten.
(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Da ist ja jetzt mal ein aktueller Bezug drin!)
Ein griechischer Kollege sagte: Wir Deutsche müssten uns entscheiden, ob wir ein deutsches Europa oder ein europäisches Deutschland wollen. Da hat der Mann wirklich recht.
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Das hat er nicht gesagt! Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Da war ich auch dabei, das ist nicht so richtig! Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das hat er so gesagt!)
Das hat er wörtlich so gesagt.
(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Ihre Griechisch-Kenntnisse sind wohl nicht so gut, Herr Zöllmer!)
Jetzt wollen wir uns einmal dem Antrag der Linken zuwenden.
(Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Ihre Redezeit ist um!)
Jetzt wollen die Linken eine neue deutsch-französische Initiative, sozusagen „Mercozy reloaded“, Deauville II. Wir haben eben schon einmal gesagt, dass Plagiate unzulässig sind. Das sollten Sie sich eigentlich in diesem Zusammenhang überlegen.
Natürlich ist die deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa von großer Bedeutung. Aber es muss um Zusammenarbeit gehen, nicht um Hegemonie und nicht um Unterordnung.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das stimmt! Das ist richtig!)
Jetzt wenden wir uns dem Antrag der Fraktion Die Linke etwas präziser zu.
(Zurufe von der CDU/CSU: Endlich! Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Jetzt ist die Redezeit allerdings abgelaufen! Heiterkeit)
Was wollen Sie uns mit diesem Antrag sagen? Meine These ist: Sie wollen einfach darüber hinwegtäuschen, dass Ihre Fraktion in Bezug auf Europa völlig gespalten ist. Wenn man den Antrag liest, wird das sehr schön deutlich; denn Einleitungsteil und Forderungsteil haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Im Einleitungsteil heißt es markig: Der Euro ist gescheitert, und das Sixpack der EU sei so wörtlich „ein nicht hinzunehmender Angriff auf die Grundprinzipien der Demokratie“.
Jetzt würde der kundige Leser natürlich erwarten, dass die Linken im Rahmen der Forderungen Alternativen zum Euro vorschlagen. Liest man die Forderungen der Kollege Brinkhaus hat sie eben hier seziert , findet man nur das Übliche und in diesem Zusammenhang gar nichts. Das ist Ihr Problem. Offenkundig haben sich die Europafeinde im ersten Teil verbal austoben dürfen, und die Realos haben sich dann im zweiten Teil bei den Forderungen durchgesetzt.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Nein, es ist noch viel komplizierter! - Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
- Sehr schön. - Wer soll Ihren Antrag eigentlich ernst nehmen, wenn sich aus Ihrer Analyse überhaupt keine Schlussfolgerungen ziehen lassen? Man kann zusammenfassend sagen: Die Linken wissen nicht, was sie europapolitisch wollen, aber das mit ganzer Kraft.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Nee, nee!)
Das Gleiche gilt für den Bereich der Krisenursachendiagnose. Laut Ihrem Antrag sind die deutschen Exporte schuld an der Krise. Wörtlich heißt es: Das bedeutet, dass der deutsche Exportboom und die wachsenden Schuldenberge in Griechenland ... zwei Seiten derselben Medaille sind.
Herr Kollege Troost, Sie waren doch dabei, als der griechische Kollege heute Morgen gesagt hat: Wir Griechen haben über unsere Verhältnisse gelebt.
(Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Das hat er jetzt tatsächlich gesagt! Gegenruf des Abg Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das andere hat er auch gesagt!)
- Das hat er gesagt. Das war auch richtig. - Diese Schulden ermöglichten es Griechenland, deutsche Produkte zu kaufen.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Beides!)
Was wollen Sie eigentlich den deutschen Arbeitnehmern sagen, deren Arbeitsplätze vom Export abhängen? Bei mir in der Region wird bis zu 70 Prozent der Produktion exportiert.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Es geht um Exportüberschüsse!)
- Das ist letztendlich der Export.
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Nein, das sind die mangelnden Importe!)
- Herr Kollege Troost, hören Sie doch einmal zu, was Ihre Parteivorsitzende, Frau Lötzsch, an dieser Stelle in der letzten Woche in der Haushaltsdebatte ausgeführt hat. Ich darf wörtlich zitieren:
Deutschland ist auf den Export in andere EU-Länder dringend angewiesen. Ein drastischer Rückgang der Exporte würde uns heute noch härter treffen als im Jahr 2008. Da hat sie recht. Aber was gilt denn nun bei Ihnen?
(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Das sind auch wieder zwei Seiten einer Medaille! Wir wollen mehr Importe!)
Vielleicht können Sie erst einmal intern Ihre Position klären, bevor Sie uns hier Anträge vorlegen. Machen Sie doch erst einmal Ihre Hausaufgaben, dann können wir über die Ergebnisse diskutieren.
Jetzt noch eine Schlussbemerkung an die Adresse der Bundesregierung. Es muss endlich Schluss sein mit der verfehlten Krisenpolitik. Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass die Politik der kleinen Schritte bei der Euro-Krise gescheitert ist. Was wir brauchen, ist ein vernünftiges Krisenmanagement, das den Herausforderungen wirklich gerecht wird.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)