Bei meiner Rede anlässlich der ersten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes setze ich mich dafür ein, dass Punkte, bei denen zwischen der Bundesregierung und der Opposition Einigkeit besteht, z.B. die Sowieso-Maßnahmen des Strommarktes 2.0 oder das KWK-Gesetz, zügig abgearbeitet werden müssen.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nun wissen Sie auch, warum ich gerade nicht schon ein schönes Wochenende gewünscht habe. Seien Sie gewiss: Für mich ist es genauso ungewöhnlich wie für Sie, zwei Reden hintereinander zu halten. Wir versuchen es, und wir bekommen es miteinander hin.
Die Energiewende ist ein Projekt, das man nicht einfach einmal per Gesetz beschließt, und dann wird alles gut. Das erzähle ich immer wieder, wenn wir Besuch von ausländischen Delegationen bekommen, die teils sehr euphorisch zu uns in den Wirtschaftsausschuss kommen. Erst fragen sie: Meint ihr das eigentlich ernst mit der Energiewende? – Wenn wir das bejahen, dann fragen sie: Wie bekommt ihr das eigentlich hin? – Die Euphorie wird leicht gebremst, wenn man darüber berichten muss, dass es nicht reicht, ein Gesetz zu verabschieden, damit die Energiewende stattfindet, sondern dass man während des Prozesses der Energiewende ständig nachjustieren muss. Wir haben es bei der Energiewende ganz oft mit Anpassungsbedarfen zu tun, aber nicht deshalb, weil das Gesetz etwa schlecht wäre, was man ab und an hört, sondern weil sich die Rahmenbedingungen auch aufgrund des guten Gesetzes, das vorher verabschiedet wurde, verändern.
Was soll in diesem Rahmen neu geregelt werden? Wir werden zwei Branchen in die Besondere Ausgleichsregelung wieder aufnehmen, nämlich solche, die sich mit der Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, also der Wärmebehandlung von Stahl, befassen. Das betrifft insbesondere die Unternehmen der Umformung, zum Beispiel den in Deutschland wichtigen Karosseriebau. Diese Branchen erfüllen nach den neuesten Erkenntnissen die Voraussetzungen, die wir im letzten Jahr formuliert haben: Sie haben nämlich eine Handelsintensität von 4 Prozent und eine Stromkostenintensität von 20 Prozent. Die Branchen, die diese Voraussetzungen erfüllen, dürfen nicht schlechtergestellt werden. Es ist nur gerecht, dass sie mit aufgenommen werden.
Der zweite Bereich, den wir ändern wollen, ist die anteilige Direktvermarktung. Auch darüber haben wir im letzten Jahr – ich kann mich gut erinnern – im Sommer lange miteinander gesprochen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Mehrere Anlagen werden zum Beispiel in einem Windpark an einem Netzverknüpfungspunkt angeschlossen. Bisher war nur die Direktvermarktung insgesamt möglich; man konnte es nicht aufteilen. Nun ist das auch anteilig möglich. Die durch die alte Regelung, durch die Verhinderung der anteiligen Direktvermarktung, entstandenen wirtschaftlichen Nachteile sollen nun ausgeglichen werden. Auch das ist nur mehr als gerecht.
(Beifall bei der SPD)
Die weiteren Regelungsinhalte sind eher unspannend. Dabei haben wir im Moment gar keinen Mangel an spannenden Themen. Deswegen will ich dazu etwas sagen.
Zuerst zum nationalen Klimabeitrag. Das 40-Prozent-Ziel war Konsens; es steht im Koalitionsvertrag. Die Einsparung von 22 Millionen Tonnen CO2 ist seit dem Kabinettsbeschluss vom Dezember bekannt. Im Dialog mit der Kraftwerkswirtschaft haben wir Lösungen zu finden. Dieser Dialog hat endlich begonnen. Das ist etwas, was wir begrüßen können. Klar ist: An der zusätzlichen Einsparung von 22 Millionen Tonnen führt kein Weg vorbei. Wie bei den Energieleitungen würde ich aber auch hier sagen: Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Um das Wie ausreichend beleuchten zu können, fehlen im Moment die Alternativvorschläge. Fragen sind zwar besser als Antworten – Stichwort: „Günther Jauch“ –, aber das reicht nicht.
Wir alle wissen, dass dieses Wochenende zwei große Demonstrationen in Berlin und in der Lausitz stattfinden. Wir werden diesen Menschen verantwortungsvoll gegenübertreten müssen, und wir werden mit ihnen zusammen eine Lösung finden müssen. Wir werden die Alternativvorschläge, die von diesen Menschen kommen, bewerten und abwägen müssen, um gemeinsam zu einer Lösung zu kommen. Wir wollen nämlich nicht, dass durch die Einsparung von 22 Millionen Tonnen CO2, wie von vielen befürchtet – die Sorgen muss man ernst nehmen –, Strukturbrüche entstehen. Die tatsächlichen direkten Auswirkungen auf jedes der 1 500 Kraftwerke in Deutschland sind noch nicht kalkuliert. Sie müssten die Grundlage für eine faire Bewertung jedes Vorschlages bilden.
Wir wollen die Menschen, die in der Stromversorgung arbeiten, mitnehmen. Das sind wir ihnen schuldig. Darauf können sie sich auch verlassen. Deswegen sind Alternativvorschläge gerne gesehen, Alternativvorschläge von der Wirtschaft, von den Gewerkschaften, von den Umweltverbänden und auch von den Bürgerinnen und Bürgern.
Durch die Diskussion zum Klimabeitrag gerät die Diskussion zum Strommarktdesign völlig in den Hintergrund. Man kann sich fragen: Ist dies gut, oder ist es schlecht? – Das Grünbuch liegt vor; wir sind in der Phase, in der die Reaktionen ausgewertet werden. Wir stehen vor der Erarbeitung des Weißbuches durch das Ministerium, und ich habe bisher in der gesamten Diskussion keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Strommarkt 2.0 vernommen. Es gibt einige, die grundsätzliche Bedenken haben; jedoch haben sie diese aus meiner Sicht nicht ausreichend begründet.
Einigkeit besteht in großen Teilen bei den sogenannten Sowieso-Maßnahmen: Die Spot- und Regelleistungsmärkte sollen weiterentwickelt werden. Wir alle wissen: Dort steckt Potenzial. Ferner ist die EU-Marktkopplung zu vergrößern. Darüber sind wir uns weitestgehend einig. Alternative Anbieter von Regelleistungen sollen zugelassen werden. Dafür würde ich eine breite Mehrheit prognostizieren wollen. Es geht außerdem darum, die Bilanzkreisverantwortung zu stärken und dadurch Effizienz zu schaffen. Ich glaube, hier sind wir uns im Großen einig. Dann sollen die Stromnetze ausgebaut werden, und dabei ist auch auf die Bürgerakzeptanz zu achten. Darüber haben wir gerade gesprochen. Schließlich soll die einheitliche Preiszone erhalten bleiben, und die europäische Kooperation soll intensiviert werden. Auch hier kann ich, so glaube ich, eine breite Mehrheit im Hause sehen.
Die energiepolitische Gemengelage ist derzeit nicht einfach, keine Frage. Darüber, dass sie nicht einfach ist, können wir uns einig sein. Trotzdem sollten wir die Dinge, bei denen Einigkeit besteht – ich habe sie gerade benannt –, zügig abarbeiten und nicht warten, bis endgültig weißer Rauch bei allen Fragen aufsteigt. Dass wir jetzt in der Energiewende zügig weiterarbeiten, das können die Bürger von uns erwarten; denn sie haben die Energiewende insgesamt eben auch gewollt.
Dazu gehört auch das KWKG. Die Positionen liegen aus meiner Sicht nicht weit auseinander. Herr Krischer, bevor Sie eine Zwischenfrage stellen, sage ich es lieber gleich: Wir haben einen doppelten CO2-Einspareffekt. Ich habe schon in meiner letzten Rede dazu über die Möglichkeit eines Wärmebonus gesprochen. Auf jeden Fall müssen wir das Potenzial des KWKG in der Verbindung mit den regenerativen Energien sehen und das stärken. Ich könnte mir also vorstellen, dass zu KWKG-Anlagen auch thermische Solaranlagen mit Speichern gehören. Diese Speicher können auch eine nicht unbedeutende Rolle bei der Energiewende spielen, nämlich dann, wenn wir zu viel Strom im Netz haben.
Die Themen sind kompliziert. Normal ist, dass die Opposition und die die Regierung tragende Koalition unterschiedliche Ansichten vertreten. Beide sind gut beraten, einander gut zuzuhören. De een kann rieden, un de anner hett dat Peerd, heißt es in Ostfriesland, wenn Entscheidungen getroffen werden. Viele Entscheidungen wollen gut abgewogen und gut überlegt sein. Einige können wir bereits jetzt treffen, damit wir die von den Bürgerinnen und Bürgern gewünschte Energiewende weiter fortführen können.
Und nun wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)