14 Jahre nach der Einführung der Lebenspartnerschaft gibt es immer noch Diskriminierung. Es ist beschämend, dass gegen diese Intoleranz und Ausgrenzung nicht entschiedener vorgegangen wird, zumal die breite Mehrheit der Gesellschaft und der Abgeordneten diesen Hauses längst für die Ehe für alle sind.
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass zu dieser späten Stunde noch so viele der Debatte zu diesem wichtigen Thema folgen! Ich befürchtete schon eine etwas schütterere Anwesenheit. Die Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne machen es noch besser. Es hat mich eigentlich gefreut, heute festzustellen: Schön, dass es die SPD gibt! Denn wenn es uns nicht gäbe, woran könnte sich sonst jetzt die Opposition abarbeiten und reiben?
(Harald Petzold (Havelland) [DIE LINKE]: Da finden wir schon etwas!)
Eine wirkliche Gleichstellung gibt es nur mit uns. Deshalb war der Slogan „100 % Gleichstellung nur mit uns“ richtig; er ist richtig und wird richtig bleiben. Denn die
Beseitigung von Diskriminierungen bei schwulen und lesbischen Ehen und Familien gibt es nur mit uns.
(Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: In wie vielen Wahlkämpfen wollen
Sie das noch plakatieren?)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich ist es ja beschämend, dass es bei uns 14 Jahre nach der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft immer noch Diskriminierung, Ausgrenzung und Intoleranz gibt. Schlimm ist für mich immer noch, wenn gegen diese Diskriminierung und Intoleranz nicht entschieden vorgegangen wird, obwohl die breite Mehrheit der Gesellschaft, die Mehrheit der Abgeordneten dieses Hauses – aus allen Fraktionen – sowie inzwischen die Mehrheit in Europa längst für die Ehe für alle ist.
(Beifall bei der SPD)
Aber das ist heute leider nicht das Thema. Heute geht es nur um die Angleichung der Rechtsvorschriften. Meine Damen und Herren, für mich ist es absolut unverständlich und auch nicht hinnehmbar, dass selbst die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele unterlaufen, ignoriert und torpediert werden. Man müsste erwarten – ja, man sollte es –, dass das Wohl aller Deutschen einschließlich der Schwulen und Lesben Richtschnur des Handelns ist, und zwar im Kanzleramt, bei der Kanzlerin. Warum sage ich das? Ich wiederhole, was ich schon im Frühjahr gesagt habe: Schon seit Sommer 2014 lag
der entsprechende Gesetzentwurf im Kanzleramt. Ich frage: Warum hat ihn Frau Merkel bis zum Koalitionsgipfel im Frühjahr 2015 in ihrem Hause blockiert? Und
warum hat Frau Merkel die Bedenkenträger und Bewahrer miefiger Intoleranz weitere sieben Monate das Verfahren verzögern lassen? Warum geht es mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Homophobie im federführenden Innenministerium nicht voran? Schließlich zeigt unsere Familienministerin, wie das gehen könnte.
(Mechthild Rawert [SPD]: Richtig!)
Warum sind hier die kleinen Schritte so klein, dass es auch mir schwerfällt, überhaupt noch Bewegungen festzustellen? Warum ist die Entscheidung über die feste
Verbindung zweier Menschen eine politische und keine Gewissensfrage?
(Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Hat die Kanzlerin auch das Explosionsstoffgesetz
gestoppt?)
Ich will nicht, dass wir auf der Stelle treten. Ich als Sozialdemokrat will Bewegung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich will ein weltoffenes Land ohne Diskriminierung von Asylbewerbern, Flüchtlingen, Schwulen, Lesben, Biund Transsexuellen. Ich will dies, das sage ich deutlich, mit dieser Regierung, und das möglichst bald.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Gestatten Sie noch eine Frage des Kollegen Hoffmann?
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Gerne, wenn wir schon einmal beieinander sind. Kollege Beck darf auch noch eine Frage stellen. Wir haben heute Abend, bis das Licht ausgeht, noch etwas Zeit hier
im Hause.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Alexander Hoffmann (CDU/CSU):
Kollege Brunner, ich denke, die Zeit haben wir. – Sie haben über die Kanzlerin und über das Innenministerium referiert. In meinem Kopf ist noch ein Fragezeichen geblieben.
Der Entwurf, über den wir reden, ist ein Entwurf des Justizministeriums?
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Selbstverständlich. Im Sommer 2014 wurde er dem Kanzleramt vorgelegt, und bis zum Koalitionsgipfel im Frühjahr 2015 ist er im Kanzleramt liegen geblieben.
(Dr. Katarina Barley [SPD]: Das geht ja gar
nicht!)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Jetzt darf der Kollege Beck endlich seine Frage stellen.
(Dr. Katarina Barley [SPD]: Ja, endlich! – Dr.
Volker Ullrich [CDU/CSU]: Was ist denn jetzt
mit dem Sprengstoffgesetz?)
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Zunächst einmal lobe ich ausdrücklich Ihren Mut und Ihre kollegiale Fairness, die anderen Rednern vorhin abgingen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Ich wollte Sie fragen, ob Sie wissen, warum das Rechtsbereinigungsgesetz von Heiko Maaß zahlreiche Regelungen wie das Explosionsstoffgesetz, die Einbürgerungsregelung
für Lebenspartner von Spätaussiedlern oder verschiedene Laufbahnverordnungen des Bundes nicht enthält? Gibt es dafür einen rechtspolitischen oder einen verfassungsrechtlichen Grund? Oder war das Schlamperei? Oder hat die Bundeskanzlerin diese Artikel eigenhändig aus dem Gesetzentwurf herausgerissen?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Hat die
Kanzlerin herausgenommen! Genau!)
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Da ich nicht weiß, was die Bundeskanzlerin in dem Fall denkt bzw. was im Gesetzentwurf enthalten ist, kann ich nur die Vermutung anstellen, man wollte auch der
Opposition die Gelegenheit geben, in der Beratung in den Ausschüssen an diesem Gesetzentwurf zu feilen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der
CDU/CSU – Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie
unserem Änderungsantrag ja sicher zu!)
Ich sage herzlichen Dank und wünsche allen einen schönen Abend.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende dieser Aussprache.