Dieser Untersuchungsausschuss habe zwar keine neuen Erkenntnisse gebracht. Die Erkenntnisse seien alle da gewesen. Nur, sie seien von Union und FDP immer wieder bestritten worden. In diesem Untersuchungsausschuss habe man endlich Dokumente und klare Zeugenaussagen dafür gefunden, dass die Aussagen der SPD zu Gorleben, wie es dazu gekommen und dass das eine politische Entscheidung gewesen sei, richtig waren, erklärte Kirsten Lühmann.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Verehrte Zuhörende! Ich wohne in der Region Gorleben.
(Eckhard Pols (CDU/CSU): Na, na, na!)
Die Menschen dort trauen mittlerweile keinem Politiker und keiner Politikerin mehr, weil sie sich seit etwa 30 Jahren getäuscht und bewusst fehlinformiert fühlen.
(Dr. Lutz Knopek (FDP): Ja, von wem denn?)
Das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses hat gezeigt: Die Menschen dort haben recht.
Herr Grindel, in einem Punkt bin ich mit Ihnen einer Meinung: Dieser Untersuchungsausschuss hat keine neuen Erkenntnisse gebracht. Die Erkenntnisse waren alle da. Nur, sie wurden von Ihnen immer wieder bestritten. In diesem Untersuchungsausschuss haben wir endlich Dokumente und klare Zeugenaussagen dafür gefunden, dass unsere Aussagen zu dem Thema Gorleben, wie es dazu kam und dass das eine politische Entscheidung war, richtig waren. Die Dokumente sind jetzt öffentlich, und die Öffentlichkeit kann sie einsehen. Das ist das Neue und das Gute dieses Untersuchungsausschusses.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
All dies wäre ohne den mutigen Widerstand der Wendländer und Wendländerinnen nicht möglich gewesen. Ohne diesen Widerstand hätten wir jetzt nämlich vermutlich ein Endlager in Gorleben, und vermutlich wäre dieses Endlager nicht nach dem heutigen Stand der Technik und Wissenschaft gebaut worden.
(Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja, ja! Vermutlich, vermutlich!)
Die Erkundungsarbeiten in Gorleben sind gestoppt. Das ist gut; das fordern wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen schon seit langem. Wir waren auch dagegen, dass durch eine Erkundung nur im Wendland immer mehr Fakten pro Standort Gorleben geschaffen werden.
Worum ging es in diesem Gorleben-Ausschuss? Unter anderem um die Fragen: Wieso wurde der Empfehlung von Experten, mehrere Standorte zu erkunden, um dann den besten zu nehmen, nicht entsprochen? Wie wurde Gorleben, das es in einer wissenschaftlichen Auswahlstudie noch nicht einmal unter die zehn besten Standorte geschafft hat, plötzlich zum einzig möglichen Standort? Warum wurden Kriterien, die von Anfang an als unabdingbar für ein sicheres Endlager galten, plötzlich unwichtig, nur weil der Standort Gorleben sie nicht erfüllt hat?
Gorleben ist nicht aus wissenschaftlichen Grünen als Atommüllendlager ausgewählt worden, sondern aus strategischen Gründen der damaligen CDU-geführten Landesregierung Albrecht. Es war der niedersächsische Wirtschaftsminister Walther Leisler Kiep, der diesen Standort aus politischem Kalkül präsentierte. Um der drohenden Debatte in der Region ein schnelles Ende zu bereiten, wurde der Standort dann als ‑ die Kanzlerin würde heute sagen: ‑ alternativlos erklärt. Der damalige Ministerpräsident brachte es auf den Punkt: entweder Gorleben oder gar kein Standort in Niedersachsen. Meine Herren und Damen, das ist Populismus pur. Das wird der Ernsthaftigkeit des Themas in keiner Weise gerecht.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die erhoffte Debatte war eben nicht zu Ende. Vielmehr hat diese CDU-Entscheidung den Anfang für eine Bürgerbewegung im besten Sinne gemacht, in der sich der erbitterte Widerstand in der Region manifestierte. Diese Bürgerbewegung, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist bis heute lebendig. Ein Grund dafür ist: Seit fast 40 Jahren wurden sämtliche Entscheidungen zu dem Thema Gorleben weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit getroffen, und das war ein Fehler.
Es gab später noch Versuche, das Verfahren wieder in ordentliche Bahnen zu lenken, so im Jahre 1983 mit dem Vorschlag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, doch nach Alternativen zu suchen. Doch die damalige Kohl-Regierung hat das mit einem Federstrich weggewischt. Gleich mehrere Zeugen haben von einer „Weisung aus Bonn“ gesprochen. Das widerspricht der Aussage der CDU, dass sie an einer wissenschaftlich fundierten Endlagersuche interessiert war. Das war sie nicht.
Ende der 90er-Jahre hat die damalige Umweltministerin Angela Merkel gegen den Rat von Fachleuten die Weitererkundung von Gorleben angeordnet. Kritische Stimmen wurden durch eine Umorganisation innerhalb einer Behörde einfach kaltgestellt, ein unglaublicher Vorgang.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Alles Legenden!)
Die CDU-Methode „Augen zu und durch“ funktioniert heute glücklicherweise nicht mehr, dank der harten parlamentarischen Aufklärungsarbeit sowohl in Gorleben als auch in der Asse. Ich möchte hier stellvertretend für all die Bürger und Bürgerinnen, die sich dafür eingesetzt haben, Marianne Fritzen und Andreas Graf von Bernstorff danken. Beide waren auch als Zeugen unseres Untersuchungsausschusses geladen. Ich muss allerdings sagen: Wie einige von Ihnen, meine Herren aus den Regierungsfraktionen, mit diesen beiden Menschen, die sich seit Jahrzehnten für ihre Rechte und die Rechte ihrer Region einsetzen, umgegangen sind, das steht auf einem anderen Blatt. Ich bezeichne so etwas als unanständig.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der gesellschaftspolitische Druck ist in den letzten Jahren durch die Katastrophe von Fukushima immens gewachsen. Wir alle merken, wie schwer es der CDU/CSU und der FDP fällt, umzuschwenken. Ein Beleg dafür ist der Erkundungsstopp, den die schwarz-gelbe Bundesregierung im letzten November mitten im niedersächsischen Wahlkampf ausrief. Sie hat versucht, in dieser Frage der Mehrheitsmeinung zu folgen. Das Wahlergebnis zeigt deutlich: Dieses Manöver war unglaubwürdig; so einfach kann man uns Niedersachsen nicht täuschen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Frau Lühmann!)
Mit Blick auf das Ergebnis im Ausschuss muss ich sagen: Die Legende zu Gorleben, die CDU/CSU und FDP aufgebaut haben, ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Aus diesem Dilemma führt nur ein Weg: Bleiben Sie auf dem Weg, den Ihr Umweltminister, Herr Altmaier, eingeschlagen hat, auf dem Kompromissweg! Wir haben jetzt noch eine letzte Chance, etwas grundlegend zu korrigieren. Mir ist bewusst, das geht nicht von heute auf morgen. Das hat Stephan Weil, der niedersächsische Ministerpräsident, im April auch hier in diesem Haus gesagt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, eine wissenschaftlich fundierte, transparente Endlagersuche auf den Weg zu bringen! Damit könnten wir auch wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit in die Atompolitik bringen. Ich denke, das lohnt sich.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)