Carola Reimann fordert eine wirksame Bekämpfung von Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen, damit die Patientinnen und Patienten sicher sein können, dass sie wirklich das bekommen, was medizinisch begründet ist.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redebeiträge der Koalitionsfraktionen, die wir hier bislang zu hören bekamen, lassen eine klare Botschaft erkennen. Sie lautet: Von dieser Bundesregierung ist in Sachen Korruptionsbekämpfung nichts zu erwarten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Heinz Lanfermann (FDP): Schon der erste Satz ist falsch!)
Wir alle kennen die Fakten; sie wurden in unserem Antrag schon umfassend genannt. Bis zu 18 Milliarden Euro gehen den Versicherten jährlich durch Korruption, Abrechnungsbetrug und Falschabrechnungen verloren. Noch gravierender sind die gesundheitlichen Gefahren für die Patientinnen und Patienten, wenn nicht allein medizinische Gründe den Ausschlag für eine Behandlungsentscheidung geben.
Das ist für Sie ebenso wenig Anlass, gesetzgeberisch aktiv zu werden, wie das Urteil und die bemerkenswerten, geradezu auffordernden Worte des BGH im Juni dieses Jahres. Einige von Ihnen haben die Worte offensichtlich nicht mehr so ganz im Ohr, deswegen zitiere ich:
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers,
so das Gericht,
... durch die Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung zu ermöglichen.
(Beifall bei der SPD - Elke Ferner (SPD): Ja! Und was tun Sie?)
Ich frage mich: Wie viele Alarmglocken müssen denn noch läuten, damit Sie endlich aufwachen?
Es ist nicht so - das ist ja auch angeklungen - , dass wir uns jetzt das erste Mal mit diesem Thema beschäftigen. Als Braunschweigerin kann ich mich noch gut an das Urteil des dortigen Oberlandesgerichts Anfang 2010 erinnern. Schon damals ging es um Zuwendungen von Apothekern, Pharmaunternehmen und anderen Partnern des Gesundheitswesens an niedergelassene Ärzte. Dies war letztlich Auslöser für die Rechtsprechung des BGH.
Das Urteil des BGH liegt seit mehr als einem halben Jahr vor. Es hat weitreichende Folgen, unter anderem die, dass korruptives Verhalten von Kassenärzten nach geltendem Recht nicht strafbar ist. Dabei muss man sich die Rahmenbedingungen in unserem Gesundheitssystem vor Augen führen. Ärztinnen und Ärzte handeln in einem komplexen Umfeld, mit teilweise schwer durchschaubaren und intransparenten Abrechnungssystemen, einem Umfeld, in dem Milliarden Euro umgesetzt werden, in dem aber auch Kostendruck herrscht. Der gesunde Menschenverstand sagt uns doch, dass solche Rahmenbedingungen leider auch geeignet sind, einen Nährboden für Korruption zu bieten.
(Elke Ferner (SPD): Ja!)
Dabei sind Ärzte nicht anfälliger als andere Berufsgruppen, aber eben auch nicht automatisch resistent. Deshalb ist der Dauervorwurf, hier würde ein ganzer Berufsstand unter Generalverdacht gestellt, genauso absurd wie das Gerede von einer Kultur des Misstrauens, das wir uns immer anhören müssen. Das sind alles Ablenkungsmanöver.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wer zu solchen Vorwürfen greift, dem sind in der Regel die Argumente ausgegangen.
(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man kann sich nicht einigen!)
Wenig überzeugend ist auch Ihr Verweis auf berufsrechtliche Regelungen. Ich würde es ja gut finden, wenn es anders wäre, aber Sie wissen genau, dass diese Regelungen nicht wirksam sind und dass sie, Kollege Lotter, leider nicht zu einer konsequenten Strafverfolgung führen. Es fehlen einfach die strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten.
Mir ist bis heute nicht bekannt, ob der Fall, der zum Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig und letztlich zur Rechtsprechung des BGH geführt hat, berufsrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen hat. Bei der Ausschusssitzung im September haben wir im Rahmen eines Expertengesprächs danach gefragt. Der Vizepräsident der Bundesärztekammer konnte die Frage zum damaligen Zeitpunkt nicht beantworten. Auf eine schriftliche Darstellung warten wir noch heute.
(Elke Ferner (SPD): Tja!)
Wir brauchen eine strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit, denn letztendlich sind Kassen und Ärztekammern immer auch auf die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften angewiesen; das sagen alle. Nur, wenn sich niedergelassene Ärzte bei korruptivem Verhalten und Bestechung gar nicht erst strafbar machen also Korruption gar nicht strafbar ist , dann wird auch keine Staatsanwaltschaft tätig werden können.
(Elke Ferner (SPD): So ist es! - Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)
Ohne Straftatbestand werden Sie diese Probleme nicht in den Griff bekommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Kollege Franke und die Kollegin Klein-Schmeink haben es auch schon angesprochen: Was für angestellte Ärzte gilt, muss auch für niedergelassene Ärzte gelten.
(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau! So ist es!)
Tun Sie doch bitte nicht so, als ob die Freiberuflichkeit oder gar die Freiheit in Gefahr wäre, wenn korruptives Verhalten wirklich konsequent verfolgt wird. Das ist genauso absurd wie die anderen Vorwürfe, die wir hier gehört haben.
Wir hatten eine Aktuelle Stunde, das ist richtig, aber nicht zu unserem Antrag, sondern zum BGH-Urteil. Minister Bahr hat in dieser Aktuellen Stunde vor gut einem halben Jahr angekündigt, das Urteil des Bundesgerichtshofes auszuwerten, zu prüfen, welche Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen seien, und ebenfalls zu prüfen, wie die weiteren Anregungen des Bundesgerichtshofes umgesetzt werden könnten.
(Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ja, die prüfen sich doch tot!)
Der Minister hatte seinerzeit gesagt, dass die Konsequenzen nicht schon ein paar Tage nach Erlass des Urteils gezogen werden könnten. Aber nun der Minister ist leider nicht da sind schon etliche Tage ins Land gezogen. Der Ausschuss hat sich mehrmals mit diesem Thema befasst, im Zusammenhang mit unserem Antrag natürlich, aber auch in Expertengesprächen zum Urteil des BGH. Alle Fachleute waren sich da einig, dass Handlungsbedarf besteht. Und was hören wir aus dem Ministerium? Nichts. Mit jedem Tag, der verstreicht, rückt die Bundestagswahl näher. Damit blüht der Korruptionsbekämpfung das gleiche Schicksal wie der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs oder dem Härtefallfonds, nämlich: keine Lösung in dieser Legislaturperiode.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, wer unseren Antrag „Korruption im Gesundheitswesen wirksam bekämpfen“ genau gelesen hat, der weiß, dass es eben nicht um einen Generalverdacht geht. Es geht auch nicht um die Freiberuflichkeit der Ärzte, die Union, FDP und auch einige Ärztefunktionäre sehr hoch halten
(Kathrin Vogler (DIE LINKE): Wie eine Monstranz!)
und vielleicht mehr lieben als mancher Arzt oder manche Ärztin, die ich vor Ort treffe.
Wir haben ein Ziel, und das ist der Schutz der Patientinnen und Patienten. Deshalb brauchen wir eine wirksame Bekämpfung von Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen, sodass die Patientinnen und Patienten sicher sein können, dass sie wirklich das bekommen, was medizinisch begründet ist. Deshalb bitte keine Ausreden mehr, bitte keine Ablenkungsmanöver mehr!
(Elke Ferner (SPD), an die CDU/CSU und die FDP gewandt: Sagen Sie doch einfach: Wir wollen es nicht!)
Gehen Sie das Problem endlich an! Unser Antrag ist der richtige Weg dahin.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den letzten Satz lassen wir mal weg! Aber ansonsten ist es gut!)