Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte mit einem Blick zurück auf das Jahr 2002/2003 beginnen. Damals hat die PISA-Studie uns alle in Bewegung versetzt. Die Kultusministerkonferenz hat unter anderem im Zusammenwirken mit dem Bund sieben entscheidende Handlungsfelder definiert. Viele davon sind angegangen bzw. abgearbeitet worden. Heute setzen wir in der Tat einen wichtigen Punkt in Bezug auf das siebte Handlungsfeld, nämlich der Verbesserung der Lehrerausbildung.
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Meine erste Bemerkung. Bisher lag die Handlungsleitung mehr bei den Ländern. Es sollte nicht unterschlagen werden, dass die Länder Vereinbarungen zur Mobilität getroffen haben, dass die Länder sehr viel Innovation in die Lehrerausbildung hineingebracht haben. Dieses Programm obendrauf ist ein gutes Versprechen. Deshalb kann es ein guter Prozess werden, wenn wir uns zusammen verpflichten – egal, wer in den nächsten Jahren regiert –, dieses wirklich durchzuziehen. Denn bisher ist es nur ein Versprechen.
Kollege Gehring hat völlig recht: Die Hinterlegung im Haushalt soll erst im September vollzogen werden. Wir werden sehr genau darauf achten, was im September von dieser Regierung vorgelegt wird. Wir werden das kritisch prüfen und unser Vorhaben bekräftigen, dass wir in jedem Fall an den 500 Millionen Euro festhalten wollen, um für mittelfristige und für langfristige Garantien zu sorgen. Dieses Vorhaben muss stehen, sonst ist alles Schall und Rauch.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine zweite Feststellung ist, dass der Wechsel einer Ministerin von Landesebene auf Bundesebene manchmal dazu führen kann, dass man sich ganz schnell von Staatsverträgen verabschiedet. Jetzt stehen nur noch Sachsen und Bayern allein auf weiter Flur; die anderen haben sich davon überzeugt, dass eine Richtlinie mehr Mobilität garantiert.
Drittens. Es wurde aufgrund einer Bundesinitiative eine merkwürdige, aber zum Guten verlaufende Diskussion über die Struktur der Verbesserung der Lehrerausbildung angestoßen. Ganz am Anfang stand die Diskussion über ein zentrales Qualitätssicherungsinstitut für Lehrerbildung auf ganz Deutschland bezogen. Das ist dann schnell vergessen worden.
Der nächste Begriff war: die Exzellenzinitiative. Kollege Rupprecht, da wir uns politisch fast freundschaftlich verbunden sind, will ich Ihre Wandlung beschreiben, die mir noch sehr gegenwärtig ist. Das war sehr kühn von Ihnen, zu behaupten: Wenn die drei besten Exzellenzinitiativen alle nur in Niedersachsen sind, dann fordern wir sie nur in Niedersachsen. – Ein solcher Ansatz findet sich jetzt allerdings nicht mehr wieder.
Der jetzige Ansatz lautet – von Kollegin Hein über das ganze Haus hingetragen –, dass wir gerade bei der Lehrerbildung in jedem Bundesland innovativ sein müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dies wird durch den Verteilschlüssel garantiert, den der Staatssekretär richtig dargestellt hat; Frau Hein hat ihn allerdings noch nicht richtig verstanden.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Es gibt für jedes Bundesland eigenes Geld. Welche Projekte daraus realisiert werden, wird wettbewerblich festgestellt, analog entsprechender innovativer Vorschläge. Wenn die innovativen Vorschläge nicht beim ersten Mal in den Ländern platziert werden können, dann beginnt allerdings ein länderquotenunabhängiger Wettlauf um die letzten Mittel.
Wir müssen uns in die Sache hineinbegeben, um das entsprechend positiv darzustellen. Es ist positiv, dass wir überall eine gute Lehrerausbildung stimulieren wollen. Das Versprechen gilt: Das packt der Bund obendrauf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Rossmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Hein?
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Selbstverständlich, weil dann die Uhr von Herrn van Essen langsamer geht.
(Heiterkeit)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Also, ich habe sie angehalten.
Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE):
Vielen Dank. – Herr Rossmann, würden Sie mir recht geben: Wenn es in einem Bundesland nur eine einzige Einrichtung gibt, die Lehramtsausbildung durchführt und die dann vielleicht nicht das richtige Konzept vorlegt, kann die Klausel, dass nicht verbrauchte Mittel in anderen Bundesländern ausgegeben werden können, dann dazu führen, dass das Bundesland gar keine Mittel bekommt? So interpretiere zumindest ich die Vereinbarung.
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Das ist richtig, und das ist doch auch in Ordnung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Wenn ein Bundesland nichts Innovatives liefert, sondern wenn es sich allein auf Lückenschluss in Bezug auf fehlende Mittel bei der Lehrerausbildung konzentriert, dann darf ein Fachkreis sagen: Die bekommen es nicht. Sie sollen das merken. Dann gehen die Mittel für Innovation woanders hin.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Jedes Bundesland hat die Chance, in einem bestimmten Korridor innovative Vorschläge zu machen. Die Balance zwischen Bund und Ländern ist in der Fläche gut austariert, dafür sorgt das linke Prinzip der Innovation und des Fortschritts.
Zu der Rückfrage in Bezug auf die Inhalte. Nicht nur unter den Sozialdemokraten, auch von Herrn Weinberg bis zu Herrn Gehring herrscht breite Übereinstimmung. Ich könnte sie zitieren, es käme das Gleiche heraus, was wir in Bezug auf Inklusion, Ganztagsschule und Verbreiterung des Schulangebots sagen würden.
Kollege Braun hat seine Rede mit einem Hinweis auf Karl Jaspers begonnen. Ich möchte an dieser Stelle einen Gedanken hinzufügen, der bisher von den Ländern und auch vom Bund nicht hinreichend diskutiert worden ist. Frau Canel, Sie haben gesagt: Die Schule ist die Wiege der Demokratie. Karl Jaspers, von Herrn Braun in die Diskussion eingeführt, war nicht nur Philosoph, sondern ein besorgter Politikbegleiter, der schon vor der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1958 wichtige Werke, unter anderem Über die Atombombe und die Zukunft Deutschlands, veröffentlicht hat. Er hat immer darauf bestanden: Die Demokratie braucht auch ihre Schule, sie braucht auch politische Bildung. Es hat mich ein wenig verwundert – das ist jetzt eine persönliche Bemerkung –, wie wenig wir dies bei der Diskussion über die Verbesserung der Konzepte der Lehrerbildung reflektieren, während wir gleichzeitig beobachten, dass junge Menschen sich nicht von vornherein mit der Demokratie identifizieren und sie nicht von vornherein praktizieren können. Demokratie ist kein Lehrfach, sondern eine Haltung – eine Haltung, die bei allen Lehrkräften durchscheinen müsste.
Deshalb werbe ich darum, nicht nur Schule der Demokratie, sondern demokratische Schule zu machen. Wir sollten das als Aufgabe für jede Form moderner Lehrerbildung begreifen, und das sollte auch von den Ländern und vom Bund aufgegriffen werden. Herr Braun, egal, ob Sie dieses Thema noch länger begleiten oder nicht: Diese Bitte richtet sich auch an Sie.
Gute Lehrerbildung ist auch gute demokratische Bildung. Denn in der demokratischen Bildung spiegelt sich das Grundprinzip guter Lehrerbildung – von Comenius über Nohl mit seinem pädagogischen Bezug bis zu John Hattie von heute – wider: Der Pädagoge wirkt als Person und über die Person in einem Bezug und holt gleichzeitig den Gegenstand in eine Reflexion, in eine Aneignung an den Schulen mit hinein. Dies gilt auch für Demokratie. Wir brauchen demokratische Lehrer und Lehrer der Demokratie und die Aneignung von Demokratie.
Ich weiß, dass diese Bemerkung von den 500 Millionen Euro wegführte. Aber ich wollte in diese Debatte noch die Besinnung auf Kernpunkte der gemeinsamen Identität hinsichtlich der Schule einbringen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)