Deutschland braucht mehr Investitionen in moderne und effiziente Gebäude, Energie- und Verkehrsinfrastruktur. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier spricht auf dem Tag der deutschen Bauindustrie in Berlin. Dessen Motto: "Deutschland vor der Wahl - Investieren statt blockieren".

"Lieber Herr Bauer, lieber Herr Knipper,

Verehrte Damen und Herren,

Branchentreffen gibt es reichlich in dieser Zeit! Gestern Stahldialog, vorgestern Kommunalkonferenz, davor der Luftverkehrskongress. Man kommt kaum nach.

Aber jede Branche will die Parteien testen, uns auf den Zahn fühlen. Das verstehe ich. Das müssen Sie. Trotzdem fällt das einem das bei dem einen manchmal schwerer als bei dem anderen.

Aber zu Ihnen komme ich besonders gern! Und das hat zwei Gründe: Erstens, glaube ich, haben wir Ihnen tatsächlich was zu sagen. Zweitens, weiß ich, dass ich viele bekannte Gesichter im Saal treffe. Ich freue mich über das Wiedersehen – und ich finde es schön, dass wir uns nicht nur hier bei der Jahrestagung über den Weg laufen, sondern in kleineren Formaten auch zwischendurch immer wieder. Es lässt sich gut arbeiten mit Ihnen! Herzlichen Dank für die Einladung!

Anrede,

wenn man unterschätzt wird, ist das nicht immer ein Nachteil! Ihre Branche wird unterschätzt. Aber das drückt Gott sei Dank nicht auf’s Selbstbewusstsein. Dazu besteht auch nicht der geringste Anlass! Lasst doch alle Welt gerne von Automobil, vom Wunder des deutschen Maschinenbaus oder von unserer Elektroindustrie reden. Und wichtig genug sind die ja.

Aber wenn’s drauf ankommt, dann wird ganz schnell bewusst, wie wichtig eine funktionierende Bauwirtschaft ist. Wenn der Wohnraum wieder knapp wird, wenn die Mieten steigen oder – und darum ist die Kanzlerin ja nicht da – wenn den Menschen das Wasser bis zum Hals steht, Haus und Hof wieder hergestellt werden müssen oder Schutz vor der nächsten Flut gebaut werden muss.

Ohne das Know-how Ihrer Ingenieure und Fachleute werden wir die Fluten nicht eindämmen können. Die Flutkatastrophe in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern weckt Erinnerungen an die große Flut. Wieder müssen Tausende von Menschen ihre Häuser verlassen. Viele sind verzweifelt. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl gilt den Tausenden Menschen, die heute in vielen Ecken unseres Landes in Not sind. Und den tausenden Helferinnen und Helfern von Feuerwehr, THW, Polizei und Rotem Kreuz, die unermüdlich, rund um die Uhr im Einsatz sind gebührt unser aller Dank und Respekt. Sie leisten Großartiges!

Tage wie diese, wenn so viele um ihr Hab und Gut ringen, sind eigentlich keine Gelegenheit, um den politischen Gegner nochmal aufs Korn zu nehmen. Trotzdem sind Sie hier heute hier, um zu von mir zu hören, wie wir die Zukunftsfähigkeit unsere Wirtschaft einschätzen und was wir tun wollen, um diese zu erhalten.

Anrede,

ich habe mich zunähst mal gefreut, dass Sie Ihre Jahrestagung unter das Motto „Investieren statt blockieren“ gestellt haben! Dieser Leitspruch könnte ein sozialdemokratischer sein! Und zwar nicht nur, weil wir in einem Wahljahr sind.

"Investieren statt blockieren“. Das heißt Bauen, Aufbauen, Anpacken. Und so genau habe ich die Aufgabe von Politik verstanden. Und dass man danach handeln kann, haben wir bewiesen.

Vor zehn Jahren, gegen Ende der 90er-Jahre waren dieses Land und seine Volkswirtschaft genau an dem deprimierenden Punkt, an dem heute die meisten unserer europäischen Nachbarn sind: Die Konjunktur war abgewürgt, das Wachstum ging abwärts, der Reformdruck wuchs mit jedem Tag. Wir galten als europäisches „Musterbeispiel“ für Verkrustung und Unbeweglichkeit. Wir waren der „Kranke Mann Europas“ – und das war nicht mal üble Nachrede, sondern die nackte Wahrheit, die aus allen Zahlen sprach. Nur ein Jahrzehnt ist es her, dass dieses Land wirtschaftlich am Tiefpunkt war. Und denjenigen, die heute laut daran zweifeln, ob Sozialdemokraten überhaupt was von Wirtschaft oder Geld verstehen, rufe ich gern in Erinnerung, wer damals diesen Karren aus dem Dreck gezogen hat. Das waren wir!

Wir haben während unserer Regierungszeit

  • die Arbeitsverwaltung neu aufgestellt
  • die Arbeitslosigkeit gesenkt und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung halbiert.
  • die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt beseitigt
  • den Druck auf die Aufnahme von Beschäftigung erhöht.
  • Krankenversicherung und Rentenversicherung wieder stabilisiert.
  • neue Formen privater Zusatzversicherung eingeführt.
  • die Erwerbsbeteiligung der Frauen wie auch der Älteren angehoben.
  • Lebensarbeitszeit verlängert.

Es wurde viel gestritten. Aber ohne unsere Anstrengung der Reformjahre 2003 bis 2005 wäre unsere Wirtschaft schon an der Krise 2008 zerbrochen. Die Minus 5 Prozent Wirtschaftseinbruch nach Lehman Brothers hätten wir nicht überlebt, hätten wir nicht gemeinsam vorher den Schalter umgelegt.

Und im zweiten Krisenwinter, 2008/2009, dann in der Großen Koalition, haben wieder Sozialdemokraten, nämlich Peer Steinbrück, Olaf Scholz und ich, das Programm entworfen, mit dem wir die Brücken über die Krise hinweg gebaut haben. Mit Instrumenten wie Kurzarbeit und Abwrackprämie, vor allem dem kommunalen Investitionsprogramm (80 Prozent des Gesamtvolumens!). Nur deshalb ist bei uns die Arbeitslosigkeit trotz Krise nicht wieder explodiert. Nur deshalb kamen wir schneller auf die Beine als andere! Davon haben auch Ihre Betriebe profitiert! Mit Sozialdemokraten in der Regierung ist Deutschland zwei Mal binnen zehn Jahren gut durch Krisen gekommen – und sogar gestärkt aus ihnen hervorgegangen.

Wir haben vieles getan, das nicht im Gen-Code der SPD lag. Wir haben es getan, weil wir ohne diese Grundüberholung des Modells Deutschland abgesoffen wären. Dabei will ich ausdrücklich nicht nur der Sozialdemokratie auf die Schultern klopfen. Sie hat damals zwar die politische Verantwortung getragen – aber geackert haben wir alle zusammen: Sie, in den Unternehmen. Und nicht zu vergessen die Gewerkschaften, die mit einer moderaten Lohnpolitik ihren Beitrag geleistet haben.

[Und ganz nebenher haben wir noch die LKW-Maut eingeführt.]

Ich denke, auf diese gemeinsame Leistung können wir doch alle miteinander ein bisschen stolz sein!

Anrede,

diesen Zukunftsvorsprung, den wir uns damals gemeinsam hart erarbeitet haben, drohen wir wieder zu verlieren. Denn wo stehen wir heute?

Gestartet ist diese Bundesregierung mit dem Rückenwind durch die Politik der SPD bis 2009, mit einem Wachstum von 3,6 Prozent in 2010. Nach vier Jahren Schwarz-Gelb liegt die Prognose für 2013 nur noch bei 0,3 Prozent.

In unserem Land wird de facto nicht mehr investiert. Der Arbeitsmarkt ist erneut erlahmt. Der Aufschwung bleibt aus. Im Vergleich zum Vorjahr steigt die Arbeitslosigkeit sogar wieder an. Die Infrastruktur ist marode.

Frau Merkel lebt von der Substanz und von den Reformen ihrer Vorgängerregierungen, hat aber selbst nichts getan, um unser Land auf eine schwieriger werdende Zukunft vorzubereiten – weder bei Bildung, noch bei Arbeit und Fachkräftemangel, weder bei Rente, noch bei Infrastruktur und Bau.

Im Gegenteil: Der Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit, den wir mit den Reformen vor zehn Jahren errungen haben, droht schon allein durch eine völlig missratene Energiewende wieder verloren zu gehen.

Gerade die Fehler bei der Energiewende kommen Ihre Branche teuer zu stehen! Allein der Off-Shore-Windausbau hat doch einen Bau-Anteil von 40%! Wenn Energiepolitik schlampig gemanagt wird, hat das fatale Folgen für die gesamte industrielle Wertschöpfungskette – auch für eine Branche wie Ihre!

Gestern konnten Sie alle die Ergebnisse der aktuellen McKinsey-Studie zur Energiewende in der WELT nachlesen: Die Studie zeigt nicht nur, dass wir mit der Energiewende nicht voran kommen, nein, wir machen sogar Rückschritte.

Wenn so etwas zusammen kommt, mit anderen Maßnahmen, wie der Streichung der Programme „Soziale Stadt“, „Energetische Gebäudesanierung“ und „Altersgerechter Umbau“, dann schadet das nicht nur der Bauwirtschaft. Dann wirft uns das auch bei der Energiewende zurück!

Das Fazit nach vier Jahren schwarz-gelber Wirtschafts- und Energiepolitik in unserem Lande ist: dem Klima geht’s nicht besser, aber unserer Wirtschaft schlechter.

Das ist keine Vorbereitung auf die Zukunft, wie ich sie mir vorstelle. Im Gegenteil: der mühsam errungene Reformvorsprung, die nach der Agenda wieder erlangte Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen drohen durch eine völlig missratene Energiewende verloren zu gehen!

Anrede,

Die Ankündigungen der Kanzlerin von vergangener Woche wirken angesichts all dessen fast wie ein schlechter Witz: Nach vier Jahren Missmanagement, Stillstand und 100 Milliarden Euro neuen Schulden, wird jetzt mit neuen Wahlversprechen die Kasse geplündert.

Die Kosten für Frau Merkel Vorschläge sind übrigens kein Pappenstiel. 28 Milliarden Euro wird das den Bundeshaushalt kosten – übrigens keine Schätzung meiner Leute, sondern vom Handelsblatt. Insgesamt verspricht Frau Merkel Maßnahmen in Gesamthöhe von 45 Milliarden Euro an Wahlgeschenken – ohne einen Cent Gegenfinanzierung. Ich weiß nicht, wie das ohne neue Schulden gehen soll! Und ich will gar nicht darüber nachdenken, was das für unsere mühsam aufgefüllten Reserven heißt.

Mit Blick auf Ihre Branche finde ich diese Verschaukelung besonders zynisch.

Zur Erinnerung:

  • Frau Merkel war es, die Investitionen in die Städtebauförderung massiv gekürzt und den Heizkostenzuschuss beim Wohngeld gestrichen hat.
  • Herr Ramsauer war es, der die die KfW-Programme des energetischen Bauens und Sanierens runtergefahren hat.
  • Er war es auch, der seit 2012 die Bundesmittel (100 Millionen Euro) für das Programm „Altersgerecht Umbauen“ gestrichen und die Zuschussvariante des Programms damit abgeschafft.
  • Genauso wie er die Städtebauförderung um 20 Prozent gegenüber 2009 auf nur noch 455 Millionen Euro Bundesmittel gekürzt, das Programm „Soziale Stadt“ um zwei Drittel auf 40 Millionen Euro.

All diese Entscheidungen bringen Auftragseinbußen für Ihre Branche mit sich! All diese Entscheidungen werfen die Infrastruktur in unserem Land um Jahre zurück!

Die Infrastruktur – das Kronjuwel unserer Volkswirtschaft! Ihre Unternehmen, unsere Industrie, wir leben doch alle davon, dass wir eine hervorragend ausgebaute, moderne und leistungsfähige Infrastruktur haben! Darum beneidet uns doch die ganze Welt! Diese Infrastruktur und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil sind aber nur zu halten, wenn wir auf hohem Niveau investieren – und zwar auf allen Ebenen: im Bund, in den Ländern und in den Kommunen.

Und genau hier haben die Bundesregierung und der Verkehrsminister versagt! Schlimmer noch: Unserem Land droht eine Investitionsblockade. In kaum einem Bereich ist die Politik des Nichthandelns, des Stillstandes spürbarer als in der Infrastruktur – bei Straßen, Brücken, Schienen, Gebäuden und Energieleitungen, sozusagen beim Nervensystem unserer Volkswirtschaft.

Dieses Nervensystem leidet. Auf unseren Straßen und Schienen hat sich ein riesiger Investitionsstau gebildet. Rund 14 Prozent der Gesamtbrückenfläche der Bundesfernstraßen sind so marode, dass dringender Instandhaltungsbedarf besteht. Allein in NRW müssen fast die Hälfte aller Großbrücken ertüchtigt oder neu gebaut werden. Den Mangel an Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur spürt inzwischen jeder in seinem Alltag: Egal ob gesperrte Brücken, marode Straßen, Staus, Zugausfälle, geschlossene Schwimmbäder, zerfallene Gebäude – unter den Mangelerscheinungen haben alle zu leiden.

Kein Wunder, dass die deutsche Industrie Alarm schlägt. Sie beziffert einen Investitionsbedarf von mehr als 4,5 Milliarden Euro jährlich nur um den Substanzverlust der Infrastruktur aufzuhalten. Und 250 Millionen Euro Schäden entstehen jährlich allein, weil Umwege in Kauf genommen werden müssen, da Straßen nicht befahrbar und Brücken nicht mehr überquert werden können.

Anrede,

Und was macht diese Bundesregierung? Neue Ausgaben statt Investitionen! Statt Investitionen in Infrastruktur will sie Mütterrenten und Betreuungsgeld einführen. Insgesamt 28 Milliarden Euro!! Davon sind nur 1 Milliarde investiv, der Rest wird konsumiert! Das ist die ganze Wahrheit!

Dabei braucht Deutschland mehr Investitionen in moderne und effiziente Gebäude, Energieinfrastruktur und vieles andere mehr! In Zukunft wollen wir deshalb jährlich verlässlich zwei Milliarden Euro zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur im Bundeshaushalt zur Verfügung stellen, auch die Ausweitung der LKW-Maut trauen wir uns zu!

Ein gewaltiges Investitionspotential besteht auch im Bereich der energetischen Gebäudesanierung. Klimaschutz und industrielle Interessen gehen hier Hand in Hand. Jeder Euro an Förderung löst rund neun Euro an privaten Investitionen aus. Deshalb kämpfen wir dafür, dass das energetische Gebäudesanierungsprogramm verlässlich finanziert wird. Peer Steinbrück hat dieses Thema bewusst ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt: Er will den Wohnungsbau, die energetische Sanierung und den familien- und altersgerechten Umbau von Häusern und Wohnungen gezielt fördern und zwar gemeinsam mit den Bundesländern.

Wir sind da auch ganz konkret:

  • Wir wollen die Wohnraumförderung als zentrales Instrument der Länder auf bisherigem Niveau von 518 Millionen Euro jährlich bis Ende 2019 fortführen.
  • Wir wollen die CO2-Sanierung mit 2 Milliarden Euro fördern, damit Mieter/innen nicht aus sanierten Wohnungen verdrängt werden.
  • Wir wollen den „Altersgerechten Umbau“ wieder mit 100 Millionen Euro Bundesmitteln auch in der Zuschussvariante fördern.
  • Und wir wollen die Städtebauförderung und so existenzielle Programme wie die „Soziale Stadt“ verlässlich mit 700 Millionen Euro Bundesmitteln finanzieren.

Die Sozialdemokratie ist beim Thema Infrastruktur mutig, klar und zuverlässig. Wir wollen einen neuen Infrastrukturkonsens, dessen Maxime lautet: transparenter planen, schneller bauen. Diejenigen die ein Projekt konzipieren müssen diejenigen sein, die es dann auch bauen!

Und beim Bau müssen Bund und Länder Hand in Hand arbeiten. Deshalb werden wir einen föderalen Investitionspakt auf den Weg bringen. Mit einer Mehrzahl von inzwischen SPd-regierten Ländern sind die Chancen dafür groß!

Aber: Zur ganzen Wahrheit gehört natürlich auch, dass der Erhalt und der Ausbau unserer Infrastruktur Geld kosten. Seien wir ehrlich: Schuldenabbau auf der einen und höhere Investitionen auf der anderen Seite sind nur zu vereinbaren, wenn Bund, Länder und Kommunen über stabile Einnahmen verfügen.

Anders als andere Parteien haben wir uns dazu entschlossen, ehrlich zu sein und zu sagen: Steuersenkungsversprechen sind in dieser Lage verantwortungslos. Wer eine gesunde Infrastruktur will, wer gut ausgebildete Jugendliche will und Betreuungsinfrastruktur für die ganz Kleinen, bessere Schulen und leistungsfähige Hochschulen im internationalen Wettbewerb will, der muss die entsprechenden Investitionen finanzieren können.

Haushaltskonsolidierung, also Sparen, einerseits und gleichzeitig mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur – diesen Widerspruch muss Politik auflösen!

Für uns ist es ein Gebot der Ehrlichkeit unter diesen Voraussetzungen klar zu sagen: der Spitzensteuersetz, den wir selbst gesenkt haben und den wir auch nicht wieder auf die alte Höhe anheben wollen, darf kein Tabu sein.

Anrede,

wir müssen den Industriestandort Deutschland wieder fit machen. Weiterbauen, an dem starken Fundament, das wir vor zehn Jahren mit den Reformen gelegt haben.

  • mit einem professionellerem Management der Energiewende
  • vernünftigen Weichenstellungen im Bereich der Familien- und Bildungspolitik
  • und vor allem einer modernen Infrastruktur.

Ohne die deutsche Bauindustrie, ohne Ihre Unternehmen, ohne Ihr Know-how und Ihre Erfahrung werden das nicht schaffen. Deswegen möchte hier heute auch nicht gehen, ohne etwas zu einem Thema zu sagen, von dem ich weiß, dass es Sie umtreibt: die geplanten Änderungen auf europäischer Ebene beim Thema Zahlungsverzug.

Ich habe das Gefühl, dass da eine anfangs gute Idee hinten raus vermurkst wurde. Ziel der europäischen Richtlinie war es doch, der schlechten Zahlungsmoral im Süden Europas beizukommen. Das war durchaus sinnvoll! Nicht sinnvoll ist, dass dadurch auch die bewährten Zahlungsfristen in unserem Lande verändert werden sollen. Kein Mensch versteht, warum hier Zahlungsziele von 30 auf 90 Tage erhöht werden sollen. Das hat für eine Branche, die so stark in Vorleistung geht wie Sie, im Einzelfall dramatische Folgen!

Ich teile daher bei diesem Thema Ihre Sorgen! Ich verstehe auch nicht, warum die Bundesregierung dem Ganzen so untätig zusieht . Mit einem einfachen Brief nach Brüssel wäre das doch gegessen. Ich kann mir das nur so erklären, dass ein paar Leute bei Herrn Rösler andere Interessen im Kopf haben, statt die mittelständische Bauindustrie vor Missbrauch schützen. Bei der Anhörung im Deutschen Bundestag im Januar hat meine Fraktion jedenfalls unsere Bedenken mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht!

Bisher sind wir bei der Regierung leider auf taube Ohren gestoßen! Das wird uns jedoch nicht davon abhalten trotzdem weiter dafür kämpfen, dass das gesetzliche Leitbild der sofortigen Fälligkeit auch weiterhin uneingeschränkte Gültigkeit besitzt. Wir wollen Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr keineswegs begünstigen, sondern wirksam bekämpfen! Und ja, dabei müssen auch die öffentlichen Auftraggeber gutem Beispiel voran gehen!

Anrede,

Deutschland ist wieder an einem ähnlichen Punkt wie vor etwas mehr als zehn Jahren. Statt Stillstand brauchen wir wieder mehr „Investieren statt blockieren!“. Und damit meine ich mehr als nur die vorhin erwähnte ökonomische Wirkung der Agenda 2010. Diese Reformen waren mehr. Sie waren eine Befreiung aus einem weit verbreiteten Gefühl der Beklemmung. Deutschland hatte zu hohe Arbeitslosigkeit. Haushalt und Sozialsysteme waren gefangen in der Verschuldungsfalle. Die Zukunft wurde verpfändet. Zu gering waren die Kräfte der Innovation.

Aber noch schlimmer war, was diese Malaise im Bewusstsein der Gesellschaft anrichtete. Nichts ging mehr! Das glaubten fast alle. Deutschland hatte sein Selbstbewusstsein beinahe verloren. Es war Ende der 90er Jahre ein verzagtes Land, das sich selbst nichts mehr zutraute. Und in dieser Verfassung war es auch international kein vertrauenswürdiger Partner. Die ängstliche Nabelschau beherrschte alle Debatten.

Mit dem Wagnis einer Zäsur, mit der Reformpolitik und ihren ersten Erfolgen hat das Land sich selbst und seinen Partnern bewiesen, dass wieder etwas geht. Das Selbstvertrauen kehrte zurück. Die Beklemmung – auch die Verklemmtheit – verschwanden. Wer heute zwanzig oder 25 Jahre alt ist, der kennt nur dieses gewandelte Deutschland und kann kaum mehr glauben, wie es vorher war. Das ist vielleicht das wichtigste Erbe der Agenda. Die Haltung wurde eine andere. Gestaltungsmut und Verantwortungsbereitschaft kehrten zurück – und auch so etwas wie die souveräne Gelassenheit eines Landes, das weiß, was es kann.

Natürlich auch in der Wirtschaft. Und mit einer wachsenden Zahl von sozialversicherten Arbeitsplätzen – seit 1998 ein Zuwachs von mehr als 2,7 Millionen! – konnten schließlich auch die Gewerkschaften ihren Mitgliederverlust stoppen und wieder mit erhobenem Haupt die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Sie haben da mit den Baugewerkschaften meistens an einem Strang gezogen. Nicht nur deswegen werden Sie sich über Klaus Wiesehügels Berufung ins Team von Peer Steinbrück gefreut haben dürfen!

Nein, der Haltungswandel, den wir in der Politik bewiesen haben, betrifft eben nicht nur die Wirtschaft, sondern das gesamte öffentliche Klima und die politische Kultur. Wir konnten uns wieder zutrauen, auch international auf das Modell Deutschland als einem vorbildlichen Entwicklungsweg aufmerksam zu machen.

Genau daran wollen wir wieder anknüpfen. Jedenfalls wenn Sie wollen und wir wieder in die Regierung gewählt werden. Vielen Dank!"

Hier ist das Programm des Kongresses zu finden.