Frau Präsidentin, vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erneute, von ISIS ausgelöste Flüchtlingswelle verschärft in der Tat die humanitäre Katastrophe in der Region. Ich glaube, es geht uns allen so: Die Berichte von den Flüchtlingen, die sich in die Türkei retten konnten, sind erschütternd. Angesichts der anhaltenden Flüchtlingskatastrophe in der gesamten Region – wir reden in der Tat über Syrien, Libanon, Jordanien und auch über den Iran und den Irak, weil alle diese Länder auch innerhalb ihrer staatlichen Grenzen noch einmal Flüchtlinge aufgenommen haben – ist die Lage dramatisch.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich glaube, wir alle müssen angesichts dieser Bilder, die täglich über den Fernsehschirm flimmern, ein bisschen aufpassen, dass wir nicht abstumpfen gegenüber den Bildern, die dort auf uns einprasseln. Die Ermordung, Versklavung und Vertreibung von politischen Gegnern und Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften, die ISIS zu politischen Gegnern erklärt hat, ist ein Teil der perfiden Strategie des sogenannten „Islamischen Staates“.
Wenn wir, so wie es die Bundesregierung tut, den Flüchtlingen helfen, dann tun wir das aus humanitärer Verantwortung, aber auch deshalb – ich teile die Meinung der Kollegin Roth –, weil es ein Teil einer politischen Antwort auf den Krieg von ISIS ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Kämpfer von ISIS versuchen, ihre Ideologie und Vorstellungen durch breitflächige Vertreibung durchzusetzen und gleichzeitig mit den von ihnen ausgelösten Flüchtlingsströmen die Stabilität der gesamten Region zu erschüttern und dabei ihren eigenen Machtbereich auszuweiten. Wir stellen dem die entschlossene Bekämpfung von ISIS entgegen und sorgen gleichzeitig für eine Stärkung der Staatlichkeit; darum geht es letztlich. Zur Stärkung der Staatlichkeit gehört auch die Stärkung von UN-Organisationen wie UNHCR, Welternährungsprogramm, UNICEF sowie vielen privaten NGO, die sich engagieren und einen Teil zur Regierbarkeit dieser Region beitragen.
Es ist gut, dass wir wieder im Rahmen der Vereinten Nationen über die Probleme diskutieren. Es gibt nun eine Resolution gegen sogenannte Foreign Fighters. Es ist ein Fortschritt, dass der Sicherheitsrat zu einer einstimmigen Empfehlung und einem Beschluss gekommen ist. Der Gang vor die Vereinten Nationen ist der richtige Weg. Ich möchte die Bundesregierung ermutigen, sich noch stärker für die Aufwertung der UNO einzusetzen. Die SPD unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung für eine inklusive Regierung in Bagdad und für eine breite regionalpolitische Allianz gegen ISIS. Hier haben wir Fortschritte erzielt.
Frau Kollegin Hänsel, es gibt sicherlich viele Punkte, die an der Regierung Erdogan zu kritisieren sind. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass in den letzten Monaten und Jahren zu häufig die Abschnitte der Grenze zu Syrien offen waren, die eigentlich hätten geschlossen sein müssen, und dass ausgerechnet die Abschnitte der Grenze geschlossen waren, die für humanitäre Hilfe hätten geöffnet sein müssen; das ist richtig. Aber die Art und Weise, wie Sie hier den plakativen Vorwurf gegen die türkische Regierung ohne jegliche Unterlegung von Fakten erheben, den „Islamischen Staat“ zu unterstützen,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das alles kann man in Zeitungen nachlesen!)
macht eine konstruktive Kritik nicht einfach. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich die Bundesregierung in Dialogen und Zusammenarbeit engagiert. Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass Sie mit Ihrer Vorstellung, man sei gut beraten, mit einem radikalen Schnitt bei den Beitrittsverhandlungen für eine Änderung der Politik Ankaras zu sorgen, auf dem Holzweg sind.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben in den letzten Monaten weitestgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit – ich bin der Bundesregierung dafür dankbar – Fortschritte gemacht, auch bei den Beitrittsverhandlungen. Wir brauchen die Türkei. Wenn wir die Türkei als Teil eines regionalen Bündnisses brauchen, dann ist die Politik, die Sie uns empfehlen, kein Weg in die richtige Richtung. Es ist in den letzten Jahren doch ein großer Verdienst der Regierung Erdogan gewesen, Friedensgespräche mit der PKK zu führen. Die aktuelle Situation zeigt, wie richtig und wichtig dieser Weg ist. Ich will Ihnen offen sagen, dass ich dafür bin, dort, wo es notwendig ist, Gespräche mit der PKK und ihrem syrischen Ableger zu führen. Aber Sie blenden vollkommen aus, dass diese Organisation Terroranschläge begangen hat, auch hier in Deutschland.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Welche Terroranschläge meinen Sie denn?)
Es ist ebenfalls eine unverantwortliche Politik, auszublenden, dass es dort, wo der PKK-Ableger in Syrien eine regionale Machtbasis aufgebaut hat, keine politische Alternative gibt. Reden Sie doch einmal mit den Kurden, die in Opposition zu PYD stehen.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Es geht um den Friedensprozess!)
Es handelt sich dabei weiterhin um eine straff organisierte, autoritäre Partei. Ich finde es ein wenig irritierend, wie Sie hier mit unterschiedlichem Maß messen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich glaube, wir sind insgesamt sehr verantwortlich mit einer ausgesprochen schwierigen Situation umgegangen. Im Mittelpunkt unserer Bemühungen sollte nicht die kurzfristige Suche nach einer Überschrift in der nächsten Ausgabe einer Zeitung stehen. Vielmehr sollten die Bemühungen im Mittelpunkt stehen, die humanitäre Lage für die Menschen zu verbessern.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)