Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Sie verletzt die Solidarität in der Gesellschaft und untergräbt die Fundamente des Rechtsstaates. Seit Monaten führen wir – gegen schwarz-gelben Widerstand – die Auseinandersetzung über Steuergerechtigkeit in Deutschland. SPD und Grüne haben im Bundesrat ein Steuerabkommen von Merkel und Schäuble mit der Schweiz zu Fall gebracht, das die Aufklärung und die Strafverfolgung von Steuerhinterziehung vereitelt hätte. Peer Steinbrück hat einen 8-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Steuerbetrug vorgelegt, den die SPD-Bundestagsfraktion noch vor der Sommerpause in den Deutschen Bundestag einbringen wird. Steueroasen sind Gerechtigkeitswüsten, hat Peer Steinbrück zu Recht gesagt. Wir wollen organisierten Steuerbetrug entschieden bekämpfen. Wie notwendig dies alles ist, hat sich am Wochenende erneut gezeigt.
Selbstanzeige von Uli Hoeneß
Die Selbstanzeige von Uli Hoeneß hat das Thema Steuerhinterziehung nun wieder in die Schlagzeilen katapultiert. Das Entsetzen über den Glaubwürdigkeitsverlust einer geschätzten Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ist das eine. Wichtiger aber: Die ersten Reaktionen aus den Reihen der Regierung Merkel zeigen die politische Dimension des Falles. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer ließ verlauten, er habe schon seit geraumer Zeit über den Fall Hoeneß Bescheid gewusst. Wir fragen: Seit wann und aus welchen Quellen wusste Seehofer über den Fall Hoeneß Bescheid? Gab es vor der Selbstanzeige vertrauliche Gespräche zwischen Mitgliedern der Bayerischen Landesregierung und Uli Hoeneß, in denen es um das deutsch-schweizerische Steuerabkommen ging? Hoeneß selbst hat angegeben, er habe abgewartet, um seine Angelegenheiten über das Steuerabkommen zu regeln. Bekam Hoeneß also Tipps von CSU-Vertrauten, wie er unter dem Schutz dieses Abkommens der Strafverfolgung hätte entgehen können? Haben Unionspolitiker von dem Rechtsbruch gewusst und dazu geschwiegen? Gehörte Hoeneß zu den Spendern der CSU?
Die Reaktion der CDU-Vorsitzenden Merkel ist Heuchelei: Sie sei „enttäuscht“ von Hoeneß, ließ die Kanzlerin gestern verlautbaren. Dabei ist Hoeneß´ Selbstanzeige die direkte Folge des Scheiterns eines von Merkel vehement verfochtenen Steuerabkommens mit der Schweiz. Noch letzten August ließ sie erklären, das Abkommen sei der geeignete Weg, um das Problem der Steuerhinterziehung zwischen den beiden Ländern zufriedenstellend zu lösen. Dies betreffe sowohl die Vergangenheit als auch künftige Fälle. Hätte Merkel sich damit durchgesetzt, wäre aber der Fall Hoeneß gar nicht bekannt geworden. Er – und mit ihm all diejenigen, die ihr Geld in der Schweiz versteckt haben – wären anonym geblieben. Wenn die Kanzlerin damit zufrieden gewesen wäre, wie sie sagte, kann ihre Empörung über das Verhalten von Uli Hoeneß nicht ehrlich sein.
Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit bedeuten sehr viel mehr als nur Staatseinnahmen in Euro und Cent. Deswegen lassen wir es nicht zu, dass einige Privilegierte sich heimlich, still und leise auf Kosten aller anderen Steuerpflichtigen rauskaufen können. Deswegen ist es auch richtig, den Druck auf die Steuerhinterzieher aufrecht zu halten, z. B. durch den Ankauf von Steuer-CDs, so wie es Rheinland-Pfalz in der letzten Woche wieder getan hat. Wer diese Strafverfolgung denunziert, erweckt den Anschein, er mache sich zum Komplizen und Schutzpatron von Steuerhinterziehern und verhöhne diejenigen, die sich an die Gesetze halten. Bei aller berechtigten Aufregung über Einzelfälle sollten wir eines nicht vergessen: Politisch geht es vorrangig um die Gleichbehandlung von Bürgerinnen und Bürgern vor dem Gesetz und damit unmittelbar auch um die Legitimität unserer demokratischen Ordnung.
Die CSU-geführte Landesregierung von Bayern hat, nach Auskunft des bayerischen Rechnungshofs, sind Hunderte benötigte Stellen in der Steuerverwaltung nicht besetzt. Insbesondere bei den Betriebsprüfungen fehlen mehr als 400 Prüfer, eine Unterbesetzung von 20 Prozent. Finanzminister Söder äußerte noch vor kurzem Verständnis für Steuerhinterzieher. Das alles spricht nicht für besonderen Ehrgeiz bei der Aufklärung von Steuervergehen.
Klientelpolitik und Selbstbedienung
Im Übrigen entblößt die CSU auch an anderer Stelle, wie sie Klientelpolitik und Selbstbedienung vor Rechtsstaatlichkeit stellt: Bekannt geworden ist die familiäre Vorteilsnahme von CSU-Politikern durch Beschäftigung von nahen Angehörigen. Der Landtag hat am 1. Dezember 2000 für die Zukunft ausgeschlossen, dass Ehefrauen, Kinder, Schwägerinnen und Schwager auf Kosten des Steuerzahlers beschäftigt werden. Wenn aber jemand vorher schon einen Arbeitsvertrag hatte, so galt er weiter. Noch kurz vor der Beschlussfassung wurden rasch Angehörige eingestellt und werden bis heute beschäftigt. Im Fall des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses von der CSU wurden sogar die 13 und 14 Jahre alten Söhne als „Berater“ eingestellt.
Gesetzentwurf zur Abgeordnetenbestechung
Skandale der Vorteilsnahme beschädigen die Demokratie. Auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität von Parlamentariern und Parlamentarierinnen schwindet. In dieser Woche berät der Deutsche Bundestag unseren Gesetzentwurf zur Abgeordnetenbestechung. Er sieht vor, Volksvertreterinnen und Volksvertreter zu bestrafen, wenn sie einen Vorteil dafür annehmen, sich bei der Wahrnehmung ihres Mandats in einer bestimmten Weise zu verhalten. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Auch derjenige, der den Vorteil gewährt, soll bestraft werden. Auch hier geht es nicht um Einzelfälle, sondern um die Wiederherstellung des Vertrauens in die Demokratie.
Begrenzung des Strompreisanstiegs
Seit Monaten sind wir mit der schwarz-gelben Blockade nahezu aller politischen Initiativen konfrontiert. Nichts geht mehr im Kabinett Merkel. Deutschland wird nicht mehr regiert, sondern blockiert. Union und FDP haben den Mindestlohnvorstoß der Länder blockiert. Letzte Woche haben sie unseren Vorstoß für eine Frauenquote blockiert. Jetzt hat Merkel auch die Begrenzung des Strompreisanstiegs blockiert. Umweltminister Altmaier wurde kalt gestellt. Das Kanzleramt hat bei der Koordinierung der Bund-Länder-Gespräche über eine Strompreisbremse versagt. Nicht das erste Mal ist Merkels Kanzleramt ein Totalausfall. Schwarz-Gelb ist entscheidungsunfähig und nimmt bis zur Bundestagswahl nichts mehr ernsthaft in Angriff. Wir sind zur Fortsetzung der Gespräche über die Kontrolle der Strompreise bereit. Wenn Merkel will, können wir noch immer vor der Sommerpause zu Ergebnissen kommen. Unsere mit den rot-grün regierten Ländern abgestimmten Vorschläge zur Senkung der Stromsteuer liegen auf dem Tisch.