Die Pläne, die die Union in dieser Woche zur Migrationspolitik in den Bundestag eingebracht hat, sind nicht durchdacht und verstoßen gegen Europa-, internationales und Verfassungsrecht.
Dauerhafte Grenzkontrollen oder die grundsätzliche Zurückweisung Schutzsuchender an den deutschen Binnengrenzen, so wie Oppositionsführer Friedrich Merz vorschlägt, sind europarechtswidrig und können schlichtweg nicht umgesetzt werden.
Europäische Solidarität wird untergraben
Mit solch nationalen Alleingängen untergräbt Merz die europäische Solidarität - ausgerechnet jetzt, wo es auf Europas Einheit und Stärke ankommt, um international gegen imperialistische Bestrebungen bestehen zu können.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat Friedrich Merz monatelang immer und immer wieder Gespräche zu notwendigen Gesetzen in der Innenpolitik angeboten. CDU und CSU waren es, die sämtliche Gesprächsangebote ausgeschlagen haben.
Dabei wäre es möglich, jetzt schnell zu handeln, indem die bereits auf europäischer Ebene beschlossene Reform der europäischen Asylpolitik oder die von der Union im Bundesrat blockierten Sicherheitsgesetze umgesetzt werden.
Jetzt die Europäische Asylrechtsreform umsetzen
Die Union hätte zeigen können, wie ernst es ihr mit dem Reformwillen und einer europarechtskonformen Grenzregelung ist. SPD und Grüne haben diese Gesetze in dieser Woche eingebracht - sie hätten noch vor der Bundestagswahl im Kreis der demokratischen Fraktionen verabschiedet werden können. Doch die Union blockiert sie und beharrt auf ihren gesetzeswidrigen Plänen.
Unsere Vorschläge im Detail
Es ist im vergangenen Jahr gelungen, zwischen den EU-Mitgliedstaaten eine Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu vereinbaren – ein historischer Schritt für mehr Ordnung und Steuerung in der europäischen Flüchtlingspolitik. Bis Sommer 2026 muss die Reform in allen Staaten umgesetzt sein. Mit dem Gesetzentwurf von SPD und Grünen wollen wir diese Reform nun rasch in deutsches Recht umsetzen. Zudem wollen wir die polizeilichen Befugnisse stärken, unter anderem um besser gegen Extremismus vorgehen zu können.
GEAS rasch umsetzen
- Alle Personen, die irregulär in die EU einreisen, sollen ein effizientes und verpflichtendes Screening innerhalb einer kurzen, wenige Tage dauernden Zeitspanne durchlaufen.
- In vielen Fällen sollen bei Einreise über die EU-Außengrenzen die Asylverfahren bereits dort im Asylgrenzverfahren durchgeführt werden.
- Vereinbart wurde zudem erstmals ein neuer Solidaritätsmechanismus. EU-Mitgliedstaaten, in denen viele Geflüchtete ankommen, sollen z. B. durch die Übernahme von Schutzsuchenden oder finanzielle Unterstützung entlastet werden. Die bisherigen Regeln werden reformiert, um die Verfahren zu beschleunigen und so irreguläre Sekundärmigration zu reduzieren – also das unkontrollierte Weiterziehen in andere EU-Mitgliedstaaten.
- Die GEAS-Rechtsakte sehen Möglichkeiten zur Beschränkung der Bewegungsfreiheit sowie zu Haft vor. Abschiebungen können unter bestimmten Bedingungen schneller durchgeführt werden.
- Mit der Umsetzung der europäischen Einigung in nationales Recht haben wir auch ein Pilotprojekt zur Durchführung von Asylgrenzverfahren vorgesehen, die ab dem 12. Juni 2026 verpflichtend auch an den deutschen Außengrenzen anzuwenden sind. Wir wollen jetzt starten, um bereits Erfahrungswerte zu sammeln.
Polizeiliche Befugnisse stärken
Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden bei Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sollen gestärkt werden:
- Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei (BPOL) benötigen Zugriff auf die erforderlichen Daten und müssen über die notwendigen Instrumente verfügen, diese Daten aufzubereiten und auszuwerten. Mit dem Gesetzentwurf werden daher neue Befugnisse geschaffen für den biometrischen Internetabgleich, die automatisierte Datenanalyse, BKA-Anfragen bei Banken sowie eine Kontrollbefugnis für die Bundespolizei für bereits durch uns eingerichtete Waffenverbotszonen.
Warum wir die Pläne der Unionsfraktion ablehnen
Am Mittwoch hat die Union zwei Entschließungsanträge mit Aufforderungen an die Bundesregierung eingebracht. Einer davon wurde beschlossen, in dem die Union sich mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit beschafft hat. Darin enthalten sind unter anderem folgende Forderungen:
Vollständige Grenzkontrollen: Die Staatsgrenzen zu allen Nachbarländern sollen vollständig kontrolliert werden. Alle Personen ohne zulässige Einreisepapiere sollen zurückgewiesen werden; dies stellt ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne Papiere dar.
- Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den deutschen Binnengrenzen sind europarechtswidrig. Es gibt auf europäischer Ebene ein konkret festgelegtes Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit für Asylsuchende und der Überstellung in zuständige Mitgliedstaaten.
- Auch haben wir keine rechtliche Handhabe, solche Zurückweisungen ohne Einverständnis gegen den Willen der anderen EU-Mitgliedstaaten durchzusetzen.
- Nationale Alleingänge und ein Bruch des europäischen Rechts bergen das Risiko, dass andere Mitgliedstaaten das geltende Recht ebenfalls nicht mehr anwenden und z. B. Schutzsuchende einfach unregistriert durchleiten. Wir erwarten von den anderen Mitgliedstaaten, dass sie sich an die Regeln halten und die Einigung zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zügig umsetzen. Dann müssen auch wir mit gutem Beispiel vorangehen.
Zuständigkeitserweiterung der Bundespolizei für Abschiebungen (inklusive Abschiebungshaft)
- Die Zuständigkeiten für Abschiebungen sind klar geregelt. Sie liegen grundsätzlich bei den Ländern und hier bei den Ausländerbehörden. Bereits heute besteht in eng begrenzten Fällen, in denen es sinnvoll ist, eine Zuständigkeit der Bundespolizei – im 30-km-Grenzgebiet ist die Bundespolizei für Zurückschiebungen zuständig. Eine Zuständigkeitslücke gibt es nicht. Vielmehr ergeben sich bei der Forderung der Union Doppelzuständigkeiten und ein Zuständigkeitswirrwarr, was auch verfassungsrechtlich problematisch ist.
- In der Praxis sollte die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verbessert werden und eine durchgängige Erreichbarkeit bei den Ausländerbehörden sichergestellt werden.
- Die für eine Aufgabenerweiterung benötigten Ressourcen der Bundespolizei – personell und finanziell – reichen aktuell hierfür gar nicht aus und sind kurzfristig auch nicht zu erreichen. Zusätzliche Aufgaben verhindern, dass die Bundespolizei ihre tatsächlichen Aufgaben dort wahrnehmen kann, wo sie gebraucht wird – an Bahnhöfen, Grenzen und Flughäfen.
- Bereits jetzt unterstützt der Bund die Länder im Rahmen seiner Zuständigkeit und Möglichkeiten, insbesondere bei der Passersatzbeschaffung und Flugabschiebung.
Aufgegriffene ausreisepflichtige Personen inhaftieren und sofort abschieben:
- Mit gutem Grund ist in einem Rechtstaat Inhaftierung immer nur ultima ratio. Wir haben das Recht der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams durchweg verschärft, sodass für viele Fälle bereits geltendes Recht zur Anwendung kommen könnte. Hier sind auch die Länder in der Umsetzungspflicht.
- Zudem scheitert die Rückführung oft an bekannten Hindernissen: Keine Papiere, keine Rücknahmebereitschaft der zuständigen Dublin- oder Herkunftsstaaten, unsichere Lage im Herkunftsland. Klar ist: Daran muss gearbeitet werden. Allerdings kann man ohne geklärte Rückführungsmöglichkeit oder zumindest eine zeitnahe Rückkehrperspektive Menschen nicht – womöglich über Jahre – einfach so präventiv wegsperren.
Am Freitag hat die Union zudem das Zustrombegrenzungsgesetz eingebracht. Auch hier haben wir nicht zugestimmt. Die Union hat erneut versucht, mit der AfD eine Mehrheit zu erreichen, scheiterte jedoch. Unsere inhaltliche Kritik konzentriert sich unter anderem auf diesen zentralen Punkt:
Beendigung Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte:
- Familiennachzug ist nur noch möglich im Rahmen eines Ermessens aus humanitären Gründen, zudem gilt eine Obergrenze 1000 Personen pro Monat. Das Kontingent wurde oftmals nicht ausgeschöpft.
- Die vollständige dauerhafte Abschaffung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte ist völkerrechtlich bedenklich. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann der Familiennachzug für diese Personengruppe lediglich temporär, aber nicht dauerhaft ohne Einzelfallprüfung ausgeschlossen werden.
- Auch Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht haben in verschiedener Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass eine dauerhafte Verweigerung des Familiennachzugs ohne Berücksichtigung von begründeten besonderen Härten nicht rechtskonform sei.