Zu Beginn nahm die Vorsitzende Bezug auf die Geschehnisse in Japan und leitete damit die kritische Betrachtung des Wachstumsdenkens ein. Anschließend kam es zu einer spannenden und ertragreichen Debatte über die durchaus unterschied-lichen Herangehensweisen an das Thema. Fast alle Wortmeldungen hatten einen mehr oder minder wachstumskritischen Aspekt inne.
Der Abgeordnete Dr. Matthias Zimmer (CDU) stellte in 9 Kernthesen dar, dass hinter der Bejahung von Fortschritt bzw. Kritik am Fortschrittsglauben ganz unterschiedliche Erfahrungen stünden, die von den Erfolgen der Natur-wissenschaft in der Frühen Neuzeit bis zu den Katastrophen der beiden Welt-kriege und dem Holocaust im vergangenen Jahrhundert reichen würden.
Die Grundlagen für die „Janusköpfigkeit der Moderne“ wurden nach Auffas-sung des Sachverständigen Michael Müller bereits in der Aufklärung gelegt, als sich die Idee einer sich nicht zuletzt in Wohlstand niederschlagenden bes-seren Welt mit dem Konzept gepaart habe, die Natur als „Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstand“ zu nutzen. Dies habe „mit ökologischer Verantwor-tung nichts zu tun.“
Weiter betonte er, dass die in der Aufklärung wurzelnde Moderne „eindrucks-volle Beispiele“ für Fortschrittlichkeit liefern würde: eine steigende Beherr-schung von Natur und Technik, eine bessere Gesundheit und Nahrungsver-sorgung, ein längeres Leben, eine Steigerung des Wohlstands und mehr In-formationen. Grenzenlosigkeit und Maßlosigkeit des Fortschrittsdenkens hät-ten jedoch auch zu den „ökologischen Katastrophen unserer Zeit“ geführt. Der Sachverständige Müller forderte, als Konsequenz die Entgegensetzung von Mensch und Natur durch die Idee der Nachhaltigkeit zu überwinden. Die Natur müsse als „partnerschaftliche Mitwelt“ wahrgenommen werden.
Der Sachverständige Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué widersprach der These, Wachstum sei erst eine Idee des 19. Jahrhunderts gewesen. Schon das Mit-telalter sei von solchen Bestrebungen geprägt gewesen, auch wenn kein konzeptionelles Denken über Wachstum existiert habe. Das Prinzip des „trial and error“ sähe er als Antriebsfeder für das Wachstum an. Er lehnte in die-sem Zusammenhang einen Realismus im Sinne von Descartes als übertrie-ben ab.
Aus Sicht des Sachverständigen Prof. Dr. Ulrich Brand wurzeln die heutigen Krisen nicht nur in dem historisch komplizierten Verhältnis von Mensch und Natur: Eine wesentliche Rolle würden in der „kapitalistischen Moderne“ auch die Prinzipien von Profit und Konkurrenz spielen. Auch sieht er die Entwick-lung des Kapitalismus als eine nichtlineare an, da sie von Krisenzeiten ge-prägt sei. Eine „Green Economy“ wäre seiner Meinung nach keine Lösung, da dies zu wenig reflexiv sei, denn ein „weiter so“ mit grünem Anstrich führe nicht aus der jetzigen Situation heraus.
Der Sachverständige Prof. Dr. Martin Jänicke stellte in seinem Beitrag „Green Growth“ als Krisenüberwindungsstrategie vor. Er betonte dabei die starke ökologische Komponente von Investitionen in den Umweltsektor und stellte dies als Wachstumsmotor anhand vieler empirischer Daten heraus. Ausbli-ckend stellte er den Wachstumsbegriff des Europa 2020-Papier der europä-ischen Kommission kurz zur Diskussion.
Abschließend berichteten die Vorsitzenden der Projektgruppen über den Ar-beitsstand:
PG 2 (Indikator): Die Abgeordnete Stefanie Vogelsang (CDU) gab bekannt, dass in der nächsten Projektgruppensitzung der Sachverständige Prof. Dr. Meinhard Miegel das Wohlstandsquartett des Denkwerk Zukunft vorstellen und dass der Sachverständige Prof. Dr. Gert Wagner Anmerkungen zur Zusammenfassung von Indikatoren machen werde. Ferner sollen demnächst die Verfasser des Nationalen Wohlfahrtsindexes (NWI), Prof. Dr. Hans Diefenba-cher und Roland Zieschank für einen Vortrag eingeladen werden.
PG 3 (Möglichkeiten und Grenzen der Ressourcen-Entkopplung): Der Ab-geordnete Dr. Hermann Ott (B90/Die Grünen) berichtete, die Projektgruppe habe sich, eingeführt von einem Vortrag vom Sachverständigen Prof. Dr. Uwe Schneidewind, mit den Grenzen des Umweltraums beschäftigt. Hierzu sei maßgeblich der Bericht von Rockström behandelt worden.
PG 1 (Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft): Die Ab-geordnete Kerstin Andreae (B90/Die Grünen) berichtete, dass der Begriff der Nachhaltigkeit behandelt wurde. In der nächsten Sitzung solle mit der Be-handlung der programmatischen Wachstumsperspektive für Deutschland fortgefahren werden. Hierzu seien die Sachverständigen Prof. Dr. Paqué, Dr. Reuter und sie selbst aufgerufen, Papiere im Vorfeld zu erarbeiten.
Die gesamte Aufzeichnung und die bereitgestellten Unterlagen der Enquetesitzung vom 4. April können hier eingesehen werden.