Dialogpapier im Werkstattgespräch debattiert
Dazu hat die Projektgruppe „Infrastrukturkonsens“ ein Dialogpapier mit konkreten Vorschlägen und 35 Fragen zur künftigen Gestaltung der Bundesverkehrswegeplanung vorgelegt. Ziel ist es, den Reformstau in der Verkehrspolitik zu überwinden und den Bau von Verkehrswegen wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und bürgernäher zu gestalten.
In einem Werkstattgespräch am 6. Februar in Berlin mit rund 100 Vertreterinnen und Vertretern aus Verbänden, Wirtschaft, Bürgerinitiativen, Wissenschaft und sozialdemokratischer Landtagsfraktionen hat die SPD-Bundestagsfraktion das Dialogpapier diskutiert. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen die Infrastrukturpolitik am Leitbild einer in sozialer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht nachhaltigen Entwicklung ausrichten.
Infrastruktur im Konsens weiterentwickeln
„Jeder wolle eine gute Infrastruktur, aber niemand wolle sie vor seiner Haustür,“ so beschrieb der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Florian Pronold, ein Grundproblem bei Modernisierung und Ausbau der Infrastruktur in unserem Land. Deshalb streben die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an, die Infrastruktur im Konsens mit den Bürgerinnen und Bürgern weiter zu entwickeln.
Klare Ziele, nationale Prioritäten, mehr Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort
„Verkehrspolitik darf nur das versprechen, was sie auch umzusetzen in der Lage ist,“ heißt es im Dialogpapier. Deshalb soll die Bundesverkehrswegeplanung zu einer verkehrsträgerübergreifenden Bundesverkehrsnetzplanung umgestaltet werden. Sie soll anhand klarer Zielvorgaben nationale Prioritäten formulieren, die sich an der Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit orientieren. Gleichzeitig sollen vor Ort neue Gestaltungsspielräume entstehen und mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht werden.
Verkehrsengpässe auf Hauptachsen und an Knotenpunkten im Netz beseitigen
Es soll nicht mehr darum gehen, Projekte isoliert zu betrachten, sondern das verlässliche Funktionieren des Verkehrsnetzes soll im Mittelpunkt stehen. „Der künftige Bedarf an Verkehrswegen soll sich aus einer Engpass- und Schwachstellenanalyse ableiten,“ erklärte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sören Bartol. Die Beseitigung von Engpässen und der Ausbau stark belasteter Hauptachsen und Knotenpunkte sollen künftig Priorität haben. Auf dieser Grundlage sollen unterschiedliche Zielnetze entwickelt werden: z. B. mit unterschiedlicher Aufteilung der Mittel auf die Verkehrsträger und unterschiedlicher Schwerpunktsetzung wie Personen- oder Güterverkehr. Eines der Zielnetze soll nach öffentlicher Diskussion zur Umsetzung ausgewählt werden.
Verkehrsverlagerung muss finanziert werden
Wenn Verkehre z. B. von der Straße auf die Schiene verlagert werden sollen, müssen dafür auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, schreibt die Projektgruppe „Infrastrukturkonsens“ in ihrem Dialogpapier. Außerdem soll der Grundsatz „Erhalt geht vor Aus- und Neubau“ in Zukunft stärker verfolgt werden. Die Grundlage dafür soll ein regelmäßiger und detaillierter Verkehrsinfrastrukturbericht liefern, den das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) dem Bundestag vorlegen muss. Ebenso soll vor jedem Neu- oder Ausbau von Verkehrswegen geprüft werden, ob sich die Kapazität der vorhandenen Infrastruktur durch eine optimierte Nutzung steigern lässt. Dazu zählen z. B. die telematische Verkehrslenkung oder die zeitweilige Freigabe von Standspuren.
Nationales Verkehrswegeprogramm auflegen
Für die im Zielnetz enthaltenen Verkehrsprojekte mit überregionaler Bedeutung und dem größten verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen soll ein „Nationales Verkehrswegeprogramm“ aufgelegt werden. Dafür sollen mindestens 80 Prozent der Aus- und Neubaumittel reserviert werden. Die Finanzierung soll nach dem Vorbild der Verkehrsprojekte deutsche Einheit (VDE) außerhalb der Länderquote erfolgen und auf fünf Jahre im Bundeshaushalt durch Verpflichtungsermächtigungen festgeschrieben werden.
Für die verkehrliche Erschließung in der Fläche sollen weiterhin 20 Prozent der Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Dafür entfällt dort die Netzplanung, und es werden nur das Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Umweltverträglichkeit geprüft.
Länder sollen mehr entscheiden
Die Länder sollen mehr Gestaltungsspielräume erhalten. Die Landesministerien sollen letztendlich über die regional bedeutsamen Vorhaben und somit über 20 Prozent der Ausgaben entscheiden. Bislang entscheidet auch hier das BMVBS. Außerdem sollen die Länder mehr Freiräume bei der Verwendung der Mittel erhalten. Statt in Umgehungsstraßen zu investieren können auch der ÖPNV oder bestehende Ortstraßen ausgebaut werden, wenn der gleiche Entlastungseffekt kostengünstiger erreicht werden kann.
Außerdem sollen die Länder mehr Spielräume bei der Festlegung der Trassen erhalten – auch bei überregional wichtigen Verkehrswegen. Der Bund soll nur noch den groben Korridor und die zu schaffende Kapazität festlegen. Alles andere soll im Raumordnungs- oder Linienbestimmungsverfahren geklärt werden. Dadurch können Bürgerinnen und Bürger vor Ort über den Trassenverlauf mitentscheiden, der bisher bereits im Bundesverkehrswegeplan festgelegt wird.
Transparenz schaffen und Bürger von Anfang an beteiligen
Doch auch die Bundesnetzplanung soll nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden werden. Deshalb müssen zunächst alle Unterlagen im Internet öffentlich zugänglich sein. Zudem muss die Öffentlichkeit Stellung nehmen können, bevor die Netzplanung mit den Ländern abgestimmt und im Bundeskabinett beschlossen wird. Somit entscheiden die Bürgerinnen und Bürger mit darüber, ob ein Verkehrsweg überhaupt gebaut wird und wie seine Trasse verlaufen soll. „Nur so lassen sich Lösungen finden, die möglichst vielen Interessen gerecht werden und Akzeptanz schaffen,“ bekräftigte Sören Bartol. Das Ergebnis der öffentlichen Beteiligung soll in einem Bericht an den Bundestag dokumentiert werden.
Auch bei der Konzeptentwicklung setzt die SPD-Fraktion auf Beteiligung
Zusätzlich zum Werkstattgespräch hat die SPD-Bundestagsfraktion Verbände, Unternehmen, Initiativen, wissenschaftliche Experten/innen, Landesverkehrsministerien und SPD-Landtagsfraktionen um schriftliche Stellungnahme zum Dialogpapier bis zum 15. März 2012 gebeten. Darüber hinaus, können alle Interessierten die Vorschläge und Fragen auf der Debattenplattform zukunftsdialog.spdfraktion.de debattieren, Kommentare zu den Vorschlägen abgeben, eigene Vorschläge machen und die Vorschläge anderer bewerten. Durch diese Maßnahmen setzt die SPD-Bundestagsfraktion schon bei der Entwicklung eines Konzepts zur Verkehrsnetzplanung von morgen auf eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit und mehr Transparenz. Voraussichtlich soll das endgültige Konzept, in das der Input von außen eingeflossen ist, im April oder Mai von der Fraktion beschlossen werden.
Zuvor hatte die Projektgruppe „Infrastrukturkonsens“ bereits ein Papier zur Verbesserung der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und Planungsbeschleunigung vorgelegt. Weitere Papiere sollen zur Energieinfrastruktur (z. B. zu neuen Stromleitungstrassen), zur flächendeckenden Breitbandversorgung und zur Schienenpolitik folgen.
Die Projektgruppe „Infrastrukturkonsens“ ist ressortübergreifend besetzt. Ihre Mitglieder kommen aus der Verkehrs-, Wirtschafts-, Innen-, und Umweltpolitik. Das Projekt ist Teil des „Projekt Zukunft“, das im Sommer ein Gesamtkonzept für künftiges Regierungshandeln vorlegen wird.