Seit über einem Jahr arbeitet in diesem Zusammenhang der NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages an der Aufklärung des NSA-Ausspähskandals und der Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND). Das deutsche Parlament ist weltweit das einzige, das dazu einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat.

Gravierende technische und organisatorische Mängel beim BND

Die erfolgreiche Arbeit des Untersuchungsausschusses habe als Zwischenergebnis „gravierende technische und organisatorische Mängel“ im BND festgestellt, berichtete SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag vor der Hauptstadtpresse. „Deshalb will die SPD-Bundestagsfraktion politische Antworten geben und den BND in einen demokratisch legitimierten und kontrollierten Raum überführen.“

Diese Antworten haben die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in einem 16-seitigen Eckpunktepapier für eine „grundlegende Reform der Strategischen Fernmeldeaufklärung des BND mit internationaler Vorbildwirkung“ formuliert. Das Papier stellte Oppermann gemeinsam mit dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, der auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist, und mit dem SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, vor.

 

 

Gesetzliche Grundlage für BND-Auslandsaufklärung

Die SPD-Fraktion wolle den BND durch eine präzisere Aufgabenbeschreibung stärken, sagte Oppermann: „Gerade in Zeiten terroristischer Bedrohung ist es notwendig, dass Nachrichtendienste weltweit Informationen sammeln.“ Im BND-Gesetz gebe es jedoch Regelungslücken bei der Überwachung von ausländischer Telekommunikation. Zudem sei das Gesetz „noch vom analogen Zeitalter geprägt und trägt dem Stand der Technik nicht Rechnung“, stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende fest. „Es geht darum, den BND aus der rechtlichen Grauzone herauszuholen“. Die SPD-Fraktion hat dabei den Bereich der Auslandsaufklärung des BND im Blick, die sie möglichst schnell auf eine effektive und verfassungsrechtlich einwandfreie gesetzliche Grundlage stellen will.

SPD-Fraktion will neues BND-Gesetz noch in dieser Wahlperiode

„Maßnahmen des BND dürfen nur im Rahmen des Auftragsprofils der Bundesregierung erfolgen. Sie müssen notwendig und verhältnismäßig sein und dürfen nicht gegen deutsche Interessen verstoßen“, sagte Oppermann. Wirtschaftsspionage solle ausdrücklich verboten werden und „der deutsche Dienst darf dabei auch nicht anderen Nachrichtendiensten behilflich sein“. In diesen Verdacht ist der BND durch den Skandal um die US-amerikanischen Selektoren (Suchmerkmale) geraten, mit denen Daten aus ausländischer Telekommunikationsüberwachung unter anderem auf Daten europäischer Unternehmen durchsucht worden sein sollen.

Außerdem soll „die Umgehung nationaler rechtlicher Beschränkungen zum Beispiel durch systematischen Ringtausch mit anderen Diensten“ untersagt werden, berichtete Oppermann. Darunter ist zu verstehen, dass deutsche Dienste Informationen von ausländischen Diensten beziehen, die sie selbst nicht erheben dürfen und im Gegenzug in gleicher Weise Wissen zur Verfügung stellen, auf das der Partner seinerseits nicht zugreifen darf. Konkrete Meldungen mit nachrichtendienstlicher Relevanz, zum Beispiel über terroristische Gefahren, sollen weiterhin zwischen Partnerdiensten ausgetauscht werden können, erläutert Oppermann. Auch die Kontrolle des BND solle verbessert werden. Dazu seien die Kontrollgremien zu stärken.

Thomas Oppermann bekräftigte, dass die SPD-Fraktion diese notwendige Reform vorantreiben wolle. Es handele sich bei den Eckpunkten um die „ambitionierteste Reform eines Nachrichtendienstes“. Die SPD-Fraktion fordert, dass dazu noch in dieser Legislaturperiode ein neues BND-Gesetz auf den Weg gebracht wird.

 

Kein Daten-Heuhaufen – nur anlassbezogene Überwachung

Christian Flisek unterstrich, dass mit den Eckpunkten erste Konsequenzen aus der Aufklärungsarbeit durch den NSA-Untersuchungsausschuss gezogen würden. Bereits im Mai 2014 habe die Anhörung von Verfassungsrechtsexperten ergeben, dass die Auslandsaufklärung des BND rechtlich geregelt werden müsse. Die jetzigen Gesetze atmeten noch den Geist des Kalten Krieges, so Flisek. Das belege auch die Aussage eines BND-Mitarbeiters zur Fernmeldeaufklärung des BND, dass „alle Daten, die nicht Inländer betreffen, zum Abschuss freigegeben sind. Wir können nicht mit dem empörten Finger auf die USA zeigen, sondern müssen auch klären, wie bei uns das Auftragsprofil und der rechtliche Rahmen aussehen.“ Deutschland könne hier mit klaren rechtlichen Regelungen eine Vorbildfunktion einnehmen. „Sich gegenseitig auszuspionieren, ist aus der Zeit gefallen“, sagte Flisek. So solle für EU-Bürger, EU-Mitgliedstaaten und EU-Institutionen ein besonderer Schutz gelten. Zudem solle die Bildung eines „Daten-Heuhaufens“ im Unterschied zu den USA in Deutschland verboten sein, Daten sollten nur anlassbezogen überwacht werden. Der BND habe „in all seinen Tätigkeitsbereichen deutsches Datenschutzrecht einzuhalten“, betonte Flisek.

Kontrolle des BND stärken

Der Umgang mit der Selektorenliste innerhalb des BND habe gezeigt: „Nicht einmal der BND weiß, was der BND macht“, sagte Burkhard Lischka. So würden dem Parlamentarischen Kontrollgremium „nichtige Vorgänge“ in epischer Breite vorgelegt, aber der Fund der Selektoren sei anderthalb Jahre von „Unterabteilungsleitern im BND gedeckelt worden“, und dem BND-Präsidenten Schindler habe nach eigener Aussage „die Phantasie dafür gefehlt, dass EU-Ziele ausspioniert worden sein könnten“. Lischka forderte vor diesem Hintergrund klare Regeln, zur Informationsweitergabe innerhalb des BND und eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. So müssten die Kontrollbefugnisse der G10-Kommission auf die Auslandsfernmeldeaufklärung ausgedehnt werden. Bislang ist die G10-Kommission nur dann beteiligt, wenn es um Eingriffe der Nachrichtendienste in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis von deutschen Bürgerinnen und Bürgern geht. Außerdem sei laut Lischka die bisher vierköpfige G10-Kommission personell zu erweitern, und sie solle durch zusätzliche Mitarbeiter mit technischem, juristischem und nachrichtendienstlichem Sachverstand unterstützt werden. Ebenso sollten Sachverständige von der G10-Kommission hinzugezogen werden können, so Lischka. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Vernetzung der Kontrollgremien, die sich mit der Auslandsaufklärung befassen.

Mit ihren konkreten Vorschlägen hat die SPD-Bundestagsfraktion der Debatte über die Reform der Auslandsausklärung des BND neuen Schwung gegeben.

 

Die wichtigsten Forderungen der SPD-Fraktion zur Reform der strategischen Fernmeldeaufklärung des BND im Überblick:

 

  • Schließen der bestehenden gesetzlichen Regelungslücken bei der Strategischen Fernmeldeaufklärung durch den BND. 
  • Maßnahmen dürfen nur im Rahmen des Auftragsprofils der Bundesregierung für den BND erfolgen. Sie müssen notwendig und verhältnismäßig sein und dürfen nicht gegen deutsche Interesse verstoßen. 
  • Bei Erstbeantragung einer Maßnahme muss der BND-Präsident zustimmen. 
  • Verbot der Bildung eines „Daten-Heuhaufens“ nach Vorbild der NSA. 
  • Ausdrückliches Verbot der Wirtschaftsspionage zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen in kommerzieller Hinsicht. 
  • Besonderer Schutz von EU-Bürgern, EU-Mitgliedstaaten und EU-Institutionen. 
  • Gesetzliche Klarstellung der Geltung der bestehenden Datenschutzbestimmungen auch für rein ausländische Kommunikation, insbesondere bei der Übermittlung an ausländische Partnerdienste. 
  • Ausdrückliches Verbot eines systematischen „Ringtauschs“ zur Umgehung nationaler Restriktionen. Konkrete Meldungen mit nachrichtendienstlicher Relevanz müssen aber selbstverständlich weiter ausgetauscht werden können. 
  • Wirksame interne Kontrolle durch verpflichtende Beteiligung des behördlichen G10-Juristen bei der Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Löschung von Daten. 
  • Externe Kontrolle der gesamten Fernmeldeaufklärung des BND durch eine erweiterte und massiv gestärkte G10-Kommission. Bereits existierende Kontrollbefugnisse der G10-Kommission müssen auf die gesamte Fernmeldeaufklärung ausgeweitet werden. Neue Kompetenzen, wie etwa die Möglichkeit, Sachverständige einzusetzen, müssen hinzukommen. 
  • Verstärkte personelle Unterstützung der G10-Kommission (juristisch, technisch, nachrichtendienstlich) bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Bestimmung eines hauptamtlichen Datenschutzbeauftragten in der G10-Kommission.

​Anja Linnekugel