Gegner des Betreuungsgeldes sind breit aufgestellt
Mittlerweile gibt es eine breite Phalanx gegen die Einführung eines Betreuungsgeldes, das dafür gezahlt werden soll, wenn Kinder nach den ersten 12 Monaten keine Kita besuchen. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, der Kinderschutzbund, die evangelische Kirche und viele Experteninnen und Experten lehnen diese kontraproduktive staatliche Leistung ab. Nur die CSU hält unbeirrt daran fest. Die Kanzlerin sagt, es müsse als Bestandteil des Koalitionsvertrages eingeführt werden, und die FDP macht, obwohl sie es eigentlich ablehnt, unterwürfig mit.
Alle Studien und Umfragen unter der Bevölkerung sprechen sich dagegen aus
Dabei liegen mittlerweile nicht nur verschiedene wissenschaftliche Studien vor, die dem Betreuungsgeld ob seiner sozial negativen Wirkung eine Absage erteilen, auch zwei Drittel der Bevölkerung lehnen es laut mehrerer Umfragen ab - auch in Bayern. Erfahrungen in Thüringen und in skandinavischen Ländern, die ein Betreuungsgeld zahlen, zeigen, dass mehrheitlich die Kinder keine Kita besuchen, für die frühkindliche Bildung besonders notwendig wäre.
Auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition ist die Kita-Fernhalteprämie heftig umstritten. 23 Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion haben ihrem Vorsitzenden Kauder schriftlich mitgeteilt, dass sie nicht für das Gesetz stimmen werden. Daraufhin versuchte die Koalitionsführung, die Abtrünnigen mit einer verbesserten Berücksichtigung der Erziehungszeiten für Mütter, deren Kinder vor 1992 auf die Welt kamen, zu locken.
Justizministerin meldet Bedenken an
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält das Vorhaben der Koalition für verfassungsrechtlich fragwürdig. So wird der Streit in der Koalition immer absurder. Ein Gesetzentwurf liegt noch nicht vor, und die Finanzierung ist völlig unklar.
Rede der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dagmar Ziegler MdB
Ziegler zur Familienministerin: Bleiben Sie sich treu: Tun sie nichts
Die CSU hat jetzt sogar gefordert, Familienministerin Schröder (CDU) die Zuständigkeit für den Gesetzentwurf zu entziehen. Diesen bizarren Vorgang griff Fraktionsvizin Dagmar Ziegler in der Debatte auf. Sie sagte Schröder „die volle Unterstützung“ der SPD-Fraktion dafür zu, dass die Ministerin noch keinen Gesetzentwurf für das unsinnige Betreuungsgeld vorgelegt habe. „Bleiben Sie sich treu: Tun sie nichts!“ sagte Ziegler.
Denn das Betreuungsgeld wolle niemand, es sei schädlich und grabe „dem richtigen und notwendigen Kita-Ausbau das Wasser ab“. Eltern sollten sich für den Lebensentwurf entscheiden können, den sie wollen. Doch dies scheitere an den fehlenden Kita- und Ganztagschulplätzen, so die SPD-Fraktionsvizin. Das Betreuungsgeld koste Bildungschancen. Es gehe jetzt darum, den Verfassungsauftrag auf Gleichstellung umzusetzen. Der CSU gehe es nur darum, ein Jahr vor der Landtagswahl ihre konservative Klientel zu bedienen. „Was passiert mit dem bayerischen Erziehungsgeld, das das Land zahlt,“ fragte Ziegler. Sie gehe davon aus, dass Bayern durch das Betreuungsgeld des Bundes 100 Millionen einsparen wolle. Ziegler kündigte an, dass die SPD-Fraktion bei Vorliegen des Gesetzentwurfs eine Klage vor dem Verfassungsgericht prüfen
Rede der familienpoltischen Sprecherin Caren Marks MdB
Marks: Eine moderne Familienpolitik gibt es nicht mit Schröder
Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, fragte Schwarz-Gelb angesichts des Streits in der Koalition: „Wie wollen Sie eine Mehrheit für das unsinnige Projekt zu Stande kriegen?“ Auch am Betreuungsgeld werde der Zerfall dieser Regierung sichtbar. Gutachten meldeten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Betreuungsgeldes an, das für die Nichtinanspruchnahme staatlicher Leistungen gezahlt werde, sagte Marks. Selbst die Sachverständigenkommission zum Gleichstellungsbericht der Bundesregierung habe dringend vom Betreuungsgeld abgeraten. Auch die EU-Kommission rüge das Betreuungsgeld, das die frühkindliche Bildung nicht fördere. Die Wahlfreiheit, die der CSU-Abgeordnete Norbert Geis ständig anführe, were es nur geben, wenn eine ausreichende Zahl an Kita-Plätzen geschaffen wird. Caren Marks forderte die Koalition auf, auf „das absurde Gesetz“ zu verzichten und statt dessen die zwei Milliarden Euro in rund 166.000 Kitaplätze zu investieren. Darauf warteten die Familien. Doch eine moderne Familienpolitik werde es mit dieser Nichtfrauenministerin nicht geben.
Brase: Rot-Grün hat in NRW nach Rüttgers bei Kita-Ausbau aufgeholt
Der SPD-Abgeordnete Willi Brase warf der Regierung vor, den Kommunen, denen nun das Geld für den Kita-Ausbau fehle, Mittel durch die „Hotelierssteuer“ entzogen zu haben. In Nordrhein-Westfalen habe Ex-Ministerpräsident Rüttgers (CDU) kein Geld vom Bund für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen abgerufen. Die jetzige rot-grüne Landesregierung habe aufgeholt. Der Demografiebericht der Regierung zeige, dass Fachkräfte dringend gebraucht würden. Auch deshalb sei das Betreuungsgeld für junge Familien und junge Frauen falsch. Auf die fehlinvestierten zwei Milliarden Euro, die das Betreuungsgeld jährlich koste, lege Schwarz-Gelb jetzt noch mal drei Milliarden für die rentenrechtliche Anerkennung von Erziehungszeiten von Müttern drauf, um Abtrünnige in der Koalition umzustimmen. Das Geld solle besser in die Ausbildung von jungen Menschen statt in die Kita-Fernhalteprämie investiert werden.
Schieder: CSU sieht selbst in Talk-Shows alt aus.
Die bayerische SPD-Abgeordnete Marianne Schieder erinnerte die CSU daran, dass selbst der katholische Frauenbund in Bayern das Betreuungsgeld ablehne, ebenso wie die katholische Jungend. Die Haltung der CSU werde in den Talk-Shows vorgeführt. So habe CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bei Markus Lanz im ZDF „wie ein kleiner Schulbub“ ausgesehen, als ihm die konservative Schauspielerin Uschi Glas klar gemacht habe, dass das Betreuungsgeld das falsche Signal sei. Ebenso sei es in der rbb-Sendung „Klipp und klar“ gewesen als der Talk-Gast, CDU-MdB Klimke, das Betreuungsgeld abgelehnt habe.
Zum Hintergrund
Die Bundesregierung lässt Kommunen bei der Kinderbetreuung im Regen stehen. Der Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder, die älter als zwölf Monate sind, stockt. Ihre Eltern haben ab August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.
Schätzungen gehen davon aus, dass rund 230.000 Betreuungsplätze fehlen. Auf die Kommunen wird deshalb eine Klagewelle zukommen. Doch anstatt den klammen Kommunen unter die Arme zu greifen, wollen Familienministerin Schröder (CDU), die Kanzlerin und allen voran die CSU bis zu zwei Milliarden jährlich für das unsinnige Betreuungsgeld ausgeben. Das sollen Eltern erhalten, wenn sie für ihre Kinder keinen Kitaplatz in Anspruch nehmen. Mit den Kosten des Betreuungsgeldes könnten 166.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden.