Seit dem 19./20. Dezember 2010 ist es auch eine Geschichte der Fassungslosigkeit, der Trauer und Wut sowie des tiefen Erschreckens über die Brutalität, mit der Lukaschenko nach der gefälschten Wahl protestierende Bürger niederknüppeln ließ und seine Gegenkandidaten und ihre Kampagnenhelfer wegen Anstiftung zum Aufruhr anklagen lässt.
Seit diesem Tag hören und lesen wir täglich über Repression und Verfolgung, Durchsuchungen und Anklagen, Einschüchterung und Racheakten an Oppositionellen. Das, was dort passiert ist, ist ein "Schlag ins Gesicht der Annäherungspolitik" der EU.
Die OSZE und die EU müssen reagieren. Das OSZE-Büro in Minsk wurde am 31. Dezember ohne Vorwarnung geschlossen.
Noch am 3. Dezember hat Lukaschenko in Astana sich auf alle Prinzipien der OSZE mit seiner Unterschrift unter die Gipfelerklärung verpflichtet: Demokratie und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Meinungs- und Versammlungsfreiheit, freie und faire Wahlen - alle Werte verhöhnt und mit Polizeiprügel in den Dreck geworfen.
Es gibt eine große Einigkeit für eine große Reihe von Forderungen:
- Die Gefangenen müssen sofort freigelassen werden, die Anschuldigungen gegen sie fallengelassen werden. Rechtsanwälte, die bisher nur wenig Zugang zu den Verhafteten haben, müssen Zugang bekommen und die Verletzten und die Hungerstreikenden ärztliche Versorgung. Zwei der oppositionellen Präsidentschaftskandidaten - Sannikow und Nyaklajew sind offensichtlich schwer verletzt, Nicolai Statkevich ist seit seiner Verhaftung im Hungerstreik, Lebedko hat offensichtlich seiner Hungerstreik abgebrochen - von anderen wissen wir nichts.
- Wir fordern den Visabann, das Reiseverbot für diejenigen, die an Wahlbetrug und an der Niederknüppelung der friedlichen Demonstranten beteiligt waren und ein Einfrieren der Auslandskonten. Wir wollen die Schuldigen sanktionieren - aber nicht das belarussische Volk. Deshalb fordern wir die Visaerleichterung über das Maß hinaus, das wir hier im Deutschen Bundestag schon beschlossen haben. Die Menschen sollen reisen können und sehen, was Demokratie und Freiheit bedeutet.
- Studenten, die von ihren Universitäten verwiesen wurden, müssen bei uns in Europa Stipendien und damit Lebenschancen bekommen - und mehr als wir uns bisher abgerungen haben.
- Wir müssen neue Wege finden, um die Zivilgesellschaft zu schützen und zu unterstützen. Die Instrumente der Europäischen Nachbarschaftspolitik sollen auf die zivile Gesellschaft konzentriert werden. Menschenrechtler, Journalisten, Rechtsanwälte, die mit viel Mut ihre schwierige Arbeit leisten, brauchen uns jetzt. Die EU muss alle ihre Finanzierungsinstrumente nutzen, um dies zu ermöglichen. Das Finanzierungsinstrument zur Unterstützung von Demokratie und Menschenrechten von 2006 (European Instrument for Democracy and Human Rights) kann ohne Zustimmung der belarussischen Regierung angewendet werden. Aber bitte schnell und unbürokratisch. Die Menschen dürfen nicht Monate und Jahre warten müssen.
- Wir müssen Wege finden, die Familien und die Betroffenen zu unterstützen, deren Existenzgrundlage bedroht ist.
- Das Europäische Parlament fordert eine unabhängige internationale Untersuchungskommission unter der Leitung der OSZE. Wir sollten uns dieser Forderung anschließen und gleichzeitig die Bundesregierung auffordern, sich im Rahmen der OSZE für die Aktivierung des sogenannten Moskauer Mechanismus einzusetzen. Dieser Mechanismus erlaubt es, eine ad hoc Mission von Experten zu benennen, die ein Problem der menschlichen Dimension - und die Situation in Belarus ist ein solches Problem - lösen helfen sollen.