Johannes Schraps, zuständiger Berichterstatter:

Am 1. Juli 2020 hat offenbar eine große Mehrheit der russischen Bürgerinnen und Bürger den Verfassungsänderungen zugestimmt. Die SPD-Bundestagsfraktion zeigt sich besorgt über die angenommenen Änderungen, die unter anderem vorsehen, dass Wladimir Putin theoretisch bis 2036 Präsident seines Landes bleiben kann.

„Sowohl die Inhalte der verabschiedeten Verfassungsänderungen, als auch das Abstimmungsprozedere sind mit den Werten einer freiheitlichen und demokratischen Ordnung kaum vereinbar und stellen einen weiteren Schritt zu einem immer nationalistischer und autoritäreren Staatsmodell dar. Nicht nur wird Wladimir Putin durch die neue Verfassung die Möglichkeit gegeben, erneut 2024 und 2030 für das Präsidentenamt zu kandidieren und seine persönliche Macht damit weiter zu manifestieren; auch seine Position gegenüber dem russischen Parlament wird weiter gestärkt. Mit den angenommenen Änderungen wird der russische Präsident in Zukunft auch Richter entlassen können, was die Gewaltenteilung weiter untergräbt.

Das sich insgesamt über eine Woche hinziehende Abstimmungsverfahren hat durch seine Intransparenz erhebliche Zweifel bei allen Beobachtern hinterlassen. Die unabhängige Organisation Golos, die sich für Wählerrechte einsetzt, berichtete bereits jetzt von über 2.000 Hinweisen auf Verstöße.

Zahlreiche Inhalte der angenommenen Verfassung, wie zum Beispiel das Festschreiben der Ehe als ‚Verbindung zwischen Mann und Frau‘ sowie die Umstände ihres Zustandekommens sind auch eine Hypothek für die deutsch-russischen Beziehungen. Durch die weitere Machtkonzentration im Präsidentenamt verlieren alle anderen politischen Institutionen zunehmend an Legitimation. Präsident Putin hat damit leider eine weitere Chance verpasst, sein Land in die Zukunft zu führen. Stattdessen setzt es seinen rückwärtsgewandten Kurs in die Vergangenheit unbeirrt fort.“