Die Bundesregierung ist aufgefordert, das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbeschwerdeverfahren endlich zu zeichnen und rasch zu ratifizieren. Nach der konstruktiven Rolle, die sie bei der Erarbeitung des Zusatzprotokolls gespielt hat, ist die jetzige Verzögerungstaktik unverständlich und beschädigt die Vorbildfunktion Deutschlands bei der menschenrechtlichen Normensetzung.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Zusatzprotokoll am 10. Dezember 2008 angenommen. Es ermöglicht, dass Einzelpersonen oder Gruppen - auch im Namen anderer - Beschwerden einlegen können, wenn sie die im UN-Sozialpakt festgeschriebenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verletzt sehen und den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft haben. Durch diesen Beschwerdemechanismus werden die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in ihrer Bedeutung gestärkt und den bürgerlichen und politischen Rechten gleichgesetzt.

Deutschland hat bereits Individualbeschwerdemechanismen zu anderen internationalen Übereinkommen anerkannt. Erfahrungsgemäß ist auch durch den neuen Beschwerdemechanismus nicht mit einer Flut von Beschwerden zu rechnen. Im Übrigen bedeutet die Ratifizierung des Zusatzprotokolls keine neuen Verpflichtungen über jene hinaus, zu denen sich Deutschland als Vertragsstaat des UN-Sozialpakts ohnehin verpflichtet hat. 32 Staaten haben das Zusatzprotokoll bislang gezeichnet, darunter zehn europäische Staaten.

Zur morgigen Bundestagsdebatte hat die SPD-Fraktion den Antrag "Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbeschwerdeverfahren ratifizieren" (BT-Drs. 17/1049) eingebracht. Es dürfte interessant sein, von den Rednern der Koalition zu erfahren, wie lange die Bundesregierung noch braucht, um endlich ihre Haltung zum Zusatzprotokoll festzulegen.