Die ganz große Mehrheit der Experten in der heutigen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages hat die SPD-Auffassung bestätigt: Die von der Bundesregierung angestrebte Ausdehnung der Umsatzsteuer auf Teile der Post-Universaldienstleistungen ist mit dem Europarecht nicht zu vereinbaren. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen Pakete zwischen zehn und 20 Kilogramm und zum Beispiel Massensendungen nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Zukunft mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belastet werden - unabhängig davon, ob die Leistung von der Deutschen Post AG (DPAG) oder von Wettbewerbern erbracht wird. Das trifft alle, die keine Vorsteuer abziehen können: private Kunden, Behörden, Banken, Kirchen, Ärzten, Vereinen, Parteien, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände. Schwarz-Gelb bleibt sich treu: Klientelpolitik zugunsten einiger weniger. Denn nur die Interessenvertreter der privaten Postkonkurrenten zeigten sich mit den Plänen der Bundesregierung zufrieden. Das sind die, die sich weigern, den Postmindestlohn zu akzeptieren. Die Zeche bezahlen unter anderem Privatkunden, Vereine, Kirchen und Wohlfahrtsverbände: Die erhofften 300 Millionen Euro Steuermehreinnahmen über die Umsatzsteuer auf Post-Universaldienstleistungen sollen wohl helfen, die Entlastungen für Hotels auszugleichen.

Grundgesetz und EU-Postrichtlinie gewährleisten den Post-Universaldienst: eine flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung mit postalischen Dienstleistungen in einer bestimmten Qualität und zu erschwinglichen Preisen. Nach europäischem Recht sind Universaldienstleistungen von Unternehmen, die zur Erbringung des Universaldienstes verpflichtet sind, von der Umsatzsteuer zu befreien. Das dient, ganz im Sinne des Gedankens der Daseinsvorsorge, der Entlastung der Kunden.

Bisher wird der Post-Universaldienst alleine von der Deutschen Post AG (DPAG) erbracht. Diese muss nach Paragraf 56 Postgesetz jede Einschränkung des Angebots der Bundesnetzagentur sechs Monate vorher mitteilen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung räumt den Wettbewerbern die Möglichkeit ein, ebenfalls Post-Universaldienstleistungen zu erbringen, versäumt es aber, sie den gleichen Qualitätskriterien aus der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) und einer dem Paragraf 56 Postgesetz entsprechenden Verpflichtung zu unterwerfen. Unter dem Vorwand, Wettbewerb im Postsektor herstellen zu wollen, unterläuft die Bundesregierung ihre grundgesetzliche Verpflichtung, einen günstigen und flächendeckenden Universaldienst zu garantieren. Postdienstleistungen werden für viele teurer und die Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten immer schlechter.

Zusätzlich droht Chaos bei der Umsetzung: Da es künftig zwei Arten von Universaldienstleistungen gäbe, hätte der Briefträger sowohl mehrwertsteuerpflichtige und -befreite Sendungen dabei. Wie das durch die ganze postalische Leistungskette steuerlich getrennt werden soll, bleibt das Geheimnis einer Koalition, die sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben hat. Völlig unklar bleibt auch, welche Unternehmen auf welchem Weg steuerbefreit werden sollen.