Frau Merkel schweigt noch immer zur künftigen Regierungspolitik, um die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nicht zu gefährden. Stattdessen lassen immer häufiger Beiträge aus der zweiten und dritten Reihe erahnen, wohin die Reise geht.
In der Plenardebatte zur europarechtskonformen Ausgestaltung des deutschen Kündigungsschutzrechts ließ sich Frau Gitta Connemann (CDU) in die Karten schauen. Während sie die Anträge von SPD und Grünen rundweg ablehnte, rutschte ihr folgendes heraus: "Ein mögliches Unterscheidungsmerkmal wären zum Beispiel […] die Vorbeschäftigungszeiten. Bei der Ermittlung der Beschäftigungsdauer könnten die ersten Jahre eines Arbeitsverhältnisses außer Betracht bleiben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird dies prüfen."
Ihr Kollege Ulrich Lange sprang ihr bei: "Das gesamte deutsche Kündigungsrecht steht auf dem Prüfstand, einschließlich der Sozialauswahl mit dem Alterskriterium. […] Wir wollen als nationaler Gesetzgeber die grundsätzliche Möglichkeit haben, altersdifferenziert […] nationale Gesetze erlassen zu können."
Dies heißt im Klartext: Nach dem Willen der Union sollen die ersten zwei, fünf oder vielleicht auch zehn Jahre einer Beschäftigung nicht berücksichtigt werden bei der Berechnung von Kündigungsfristen. Ein Arbeitnehmer hätte dann erst nach einer bestimmten Anstellungszeit ohne jeglichem Schutz Anspruch auf eine Kündigungsfrist.
Für den heutigen Arbeitsmarkt, der immer häufiger nur noch befristete Arbeitsverträge gewährt, bedeutet dies praktisch eine Abschaffung des Kündigungsschutzes für einen Großteil der Beschäftigten.
Das BMAS sollte sich bei der von Frau Connemann angekündigten "Prüfung" an folgendes erinnern:
- Es gibt empirisch keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen den Regulierungen durch das Arbeitsrecht und dem Beschäftigungserfolg einer Volkswirtschaft.
- Nach einer aktuellen Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung sprechen sich 80 Prozent der Bevölkerung für einen starken Kündigungsschutz aus. Der Kündigungsschutz gibt auch den jüngeren Beschäftigten Sicherheit und Planungsmöglichkeiten.
- Noch im Wahlkampf hat die Bundeskanzlerin versprochen, den Kündigungsschutz nicht anzutasten.
Die von Frau Connemann in den Raum gestellten Änderungen wären eine einseitige Verschlechterung zulasten von Millionen von Arbeitnehmern. In Zeiten leerer Kassen nun sogar beim Kündigungsschutz zu "sparen", ist ein Armutszeugnis ohne gleichen.
Für die SPD ist der Kündigungsschutz mehr als nur ein ökonomischer Wert oder ein betrieblicher Kostenfaktor. Deshalb wollen wir ein wirkungsvolles Kündigungsschutzrecht erhalten.
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil zur Berücksichtigung der Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr für die Länge der Kündigungsfristen entschieden, dass die Regelung zu den Kündigungsfristen im Arbeitsrecht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs gibt es keine sachlichen Gründe für eine abweichende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).