Stefan, herzlichen Glückwunsch zu deiner Wahl als Sprecher der Arbeitsgruppe Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der SPD-Bundestagsfraktion. Was bedeutet für dich als Abgeordneter des Bundestages eigentlich sozialdemokratische Entwicklungspolitik? Was verstehst du darunter?

Herzlichen Dank. Ich denke in der Entwicklungszusammenarbeit geht es um ganz grundlegende sozialdemokratische Werte. Der Antrieb meines politischen Engagements war schon immer gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen und wenn wir uns diese Welt anschauen, dann haben wir hier noch einige politische Kämpfe zu führen. Es ist einfach ungerecht, wenn viele für den Wohlstand weniger leiden müssen. Die soziale und gerechte Gestaltung von Globalisierung muss das Ziel einer sozialdemokratischen Entwicklungspolitik sein.

Im September letzten Jahres hat die UN-Generalversammlung ihre 2030-Agenda beschlossen, mit 17 Haupt- und 169 Unterzielen für eine nachhaltige Entwicklung. Wie beurteilst du die Agenda und was ist nun konkret zu tun?

Die UN-Nachhaltigkeitsziele, kurz SDGs, sind ein großer Fortschritt in der internationalen Entwicklungspolitik. Erstmals wird die bisher vorherrschende Geber-Nehmer-Struktur aufge-brochen und anerkannt, dass sich eben nicht nur die sogenannten Entwicklungsländer „entwickeln“ müssen, sondern, alle Staaten müssen einen Beitrag leisten. Dazu braucht es hier vor Ort eine kohärente Politik über alle Ressorts hinweg. Meine Aufgabe als Entwicklungspolitiker besteht auch darin, immer wieder für die SDGs zu werben und auf sie aufmerksam zu machen, damit sie auch in den anderen Politikfeldern automatisch mitgedacht werden.

In der aktuellen Flüchtlingspolitik wird immer wieder betont, dass zur Lösung der Situation vor allem die Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Welchen Beitrag kann hier die Entwicklungspolitik leisten?

Aus meiner Sicht ist die Entwicklungszusammenarbeit die dritte Säule in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die erste Säule stellt die Integration der nach Deutschland Geflüchteten dar. Diese Menschen müssen hier Perspektiven erhalten, nur so kann Integration auch funktionieren. Die zweite Säule stellt die humanitäre Hilfe für die Menschen in den Flüchtlingslagern in Drittstaaten, wie zum Beispiel Jordanien oder auch Kenia dar. Drittens – und hier kann die Entwicklungszusammenarbeit einen substanziellen Beitrag leisten – müssen die tatsächlichen Fluchtursachen bekämpft werden. Neben Krieg und Terror spielen nämlich Armut, Hunger, Klimawandel und Perspektivlosigkeit eine entscheidende Rolle, warum sich Menschen auf den gefährlichen Weg nach Europa machen – oft auch machen müssen. Hier schließt sich der Kreis zu den SDGs und der eingangs beschriebenen Anforderungen an eine sozialdemo-kratische Entwicklungspolitik. Nur wenn wir es schaffen, die Globalisierung sozial gerecht zu gestalten, werden sich die Menschen nicht mehr auf den Weg machen müssen. Hier will ich Francis Picabia zitieren: „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“. Danach sollten wir handeln: weg von nationalstaatlichen Egoismen hin zu wirklicher internationaler Solidarität in unser aller Interesse!

 

Das Interview führte Johanna Agci