Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat beim Holocaust-Gedenken des Bundestags vor dem Erstarken des Antisemitismus in Deutschland gewarnt und zu mehr Mut im Umgang mit ihm aufgerufen. „Wenn Rechtsextremisten und Geschichtsrevisionisten Wahlerfolge feiern, dann ist das kein Alarmzeichen, sondern allerhöchste Zeit zu handeln," sagte Bas, und forderte den entschlossenen Einsatz aller Mittel, die die wehrhafte Demokratie kennt, um eben diese zu verteidigen. Dann sei es höchste Zeit zusammenzustehen, um die Werte und Institutionen unserer freien, demokratischen Gesellschaft zu beschützen. „Der Antisemitismus ist mitten unter uns“, sagte Bas.

Die Demokratie trage „kein Ewigkeitssiegel“. Sie sei angewiesen auf Bürgerinnen und Bürger, die sie schätzen und mit Leben erfüllten. Auch daran erinnere der Gedenktag und die deutsche Geschichte: „Von uns allen hängt es ab.“ Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Rassismus hätten in unserer Gesellschaft keinen Platz, so Bas. „Weder in der Gegenwart, noch in der Zukunft."

Der Antisemitismus finde sich nicht nur am äußersten Rand, nicht nur bei den ewig Unbelehrbaren und ein paar antisemitischen Trollen im Netz. Das Wissen um die Geschichte habe nicht verhindert, dass ein Drittel der deutschen Bevölkerung meine, die Juden hätten vielleicht doch zu großen Einfluss. Dieses Wissen habe auch nicht verhindert, dass die Corona-Pandemie „auf ohnehin grassierenden Judenhass wie Brandbeschleuniger wirkt.“

Bas mahnte: „Unsere freiheitliche Demokratie muss sich wappnen gegenüber jenen, die die Demokratie beschwören, aber nur ihre eigene Freiheit meinen. Die Toleranz für sich einfordern, aber für den Pluralismus nur Verachtung übrighaben. Die Lügen verbreiten, um zu verunsichern. Die zu Hass und Gewalt aufstacheln - und sich im Nachhinein mit empörter Geste distanzieren." Die Mehrheit in diesem Land habe dafür nichts übrig.

Die Mehrheit lasse sich nicht zum Hass verführen. „Sie wählt und streitet demokratisch.“ Gegenüber den anderen „brauchen wir mehr Mut zur Intoleranz“, so Bas weiter. „Den entschlossenen Einsatz aller Mittel, die die wehrhafte Demokratie kennt.“

Der 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführte Holocaust-Gedenktag erinnert an die Befreiung von Auschwitz. Vor 77 Jahren war das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden.

Bei der Gedenkstunde war auch die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher zu Gast. Sie schilderte das Grauen ihrer Verfolgung als Kind und wie sie das Konzentrationslager Theresienstadt überlebte und rief dazu auf, dem auch in Deutschland wiedererwachten Judenhass zu begegnen. Sie mahnte: „Judenhass ist in vielen Ländern, auch in Deutschland, wieder alltäglich. Diese Krankheit muss so schnell wie möglich geheilt werden." Ihr eigener, innigster Wunsch sei die Versöhnung aller Menschen.

Auch der Präsident des israelischen Parlaments, Mickey Levy, nahm an der Veranstaltung teil. Deutschland und Israel teilten die Werte der Demokratie, Freiheit und Toleranz, sagte er. Gemeinsame Aufgabe bleibe, kommende Generationen davor zu warnen, „andere zu hassen, nur weil sie anders sind“. Die ewige Mahnung des Holocaust an den Juden laute: „Nie wieder, nie wieder“, sagte Levy.