Am 10. Juni 2015 besichtigen die Mitglieder der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion das Gelände der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg. Neben der dort bereits befindlichen Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR (BStU), Roland Jahn, soll hier die Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989“ der Robert-Havemann-Gesellschaft (RHG) und möglicherweise auch das von der RHG bewahrte Archiv der DDR-Opposition dauerhaft gesichert werden. Zudem wurde am Vorabend des 25. Jahrestages des Sturms auf die Normannenstraße am 14. Januar 2015 die neue Dauerausstellung „Staatssicherheit in der SED-Diktatur“ in „Haus 1“ der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin eröffnet, welche sich die Abgeordneten ebenfalls zeigen ließen.
Noch immer ist der Komplex Normannenstraße sehr beeindruckend und gibt eine beängstigende Vorstellung davon, wie die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Stasi) hier einmal ausgesehen haben könnte. Umso beeindruckender war der Bericht von Tom Sello, der dies als Oppositioneller in der DDR noch erlebt hatte und heute als Mitarbeiter der RHG dafür Sorge trägt, ein umfassendes, nicht nur auf den Aspekt der Stasi verengtes Bild der ehemaligen DDR zu vermitteln. Er erläuterte den Abgeordneten die Bemühungen der RHG, auf dem bisher als Parkplatz genutzten Innenraum des Geländes die vor knapp fünf Jahren auf dem Alexanderplatz gezeigte Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989“ dauerhaft zu installieren.
Daran schloss sich ein Rundgang über das Gelände und die Besichtigung des beeindruckenden Archivs der BStU an. Anhand der kilometerlangen Akten und der darin hinterlegten vielen Einzelschicksale war für die Abgeordneten das menschenverachtende Wirken der Stasi, welche der Sozialistischen Einheitspartei (SED) als der einzigen Regierungspartei in der DDR ihre Machtbasis sicherte (die Stasi verstand sich als „Schild und Schwert der Partei“), sehr spürbar. Im Archiv, in dem die 1990 sichergestellten Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR aufbewahrt werden, lagern insgesamt mehr als 111 Kilometer Aktenmaterial und über 1,4 Millionen Fotos.
Bei der persönlichen Führung durch den Bundesbeauftragten Roland Jahn wurde der Umfang der bereits geleisteten, aber auch der noch bevorstehenden Arbeit der Auswertung und Aufarbeitung der Akten deutlich. Allein in 2014 gingen ca. 68.000 Anträge auf persönliche Akteneinsicht ein. Insgesamt gab es seit dem Bestehen der Behörde mehr als 3 Millionen Anträge, deren Bearbeitungszeit sich von wenigen Monaten bis hin zu zweieinhalb Jahren erstrecken kann. Zudem besichtigten die Abgeordneten die Arbeit der Abteilung, in der die von der Stasi in ihren letzten Tagen zerrissenen Akten mühsam vorsortiert und zum Teil auch wieder zusammengesetzt werden.
Abschließend besichtigten sie noch die in Kooperation zwischen der BStU und der ASTAK e.V. betriebene und im Januar 2015 neu eröffnete Dauerausstellung „Staatssicherheit in der SED-Diktatur“. Die Antistalinistische Aktion (ASTAK) e.V. ging aus einer Initiative von Bürgerrechtsgruppen im Jahr 1990 zurück, die das Ziel hatte, den historischen Ort zu sichern und bereits am 7. November 1990 die "Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße" mit der Ausstellung "Wider den Schlaf der Vernunft" eröffnete. Seither ist Haus 1 als Museum der Öffentlichkeit zugänglich.
Insgesamt zeigte der Besuch, dass die Aufarbeitung der SED-Diktatur ein langwieriger Prozess ist, der – auch weil noch immer viele Menschen mit ihrem persönlichen Schicksal damit verbunden sind – sehr viele Dimensionen birgt, die allein in den Zahlen der Akteneinsicht nicht zu erfassen sind. Vor diesem Hintergrund war es den Abgeordneten wichtig, sich vor Ort ein Bild von der Arbeit der verschiedenen Akteure zu machen, auch um zu verstehen, welche Fragen bei der Umsetzung der im Koalitionsvertrag zu diesem Thema hinterlegten Vorhaben bestehen und gelöst werden müssen.
Dieser sieht unter anderem vor, dass „das von der Robert-Havemann-Gesellschaft bewahrte Archiv der DDR-Opposition und die Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989" dauerhaft gesichert werden“ soll und „die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg künftig als Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand zu nutzen und fortzuentwickeln“ sei.