„… unser Gesetzentwurf ist gut und zielführend. Vielleicht geht er an einigen Punkten nicht weit genug - daran kann man ja noch arbeiten - und einige Fristansätze - auch daran kann man noch arbeiten - sind vielleicht etwas zu weit gefasst. Ich freue mich, dass wir weiter an diesem Thema arbeiten, und hoffe, dass wir das alle zusammen konstruktiv tun“, sagte Dirk Heidenblut.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Eines möchte gleich zu Beginn klarstellen: Wir werden natürlich nichts zurückziehen, und wir werden auch nichts einmotten.
Ganz im Ernst: Wer angesichts einer Infrastruktur, über die wir uns - ich bedaure das durchaus - seit über zehn Jahren Gedanken machen - wir machen uns vor allem Gedanken über die Sicherheit -, mit dem Vorwurf kommt, wir würden fahrlässig Gesundheits- und Patientendaten in irgendwelche Netzen speisen, den kann man nicht für voll nehmen. Das tut mir furchtbar leid, aber das ist natürlich Kokolores. Insofern werden wir das auch nicht tun.
Kathrin Vogler (DIE LINKE):
Herr Kollege Heidenblut, wir haben doch erst kürzlich im Fernsehen bewundern dürfen, wie einfach es ist, sich mit öffentlich erhältlichen Daten aus dem Callcenter einer Krankenkasse Zugang zu den Versichertendaten einer anderen Person zu beschaffen, sich eine falsche elektronische Gesundheitskarte ausstellen zu lassen und damit sogar auch noch Einsicht in die Rentenunterlagen zu nehmen. Meinen Sie nicht auch, dass das zumindest ein Anlass hätte sein können, in dieser Debatte ein bisschen nachdenklicher aufzutreten und noch einmal zu überlegen, ob Sie da tatsächlich auf dem richtigen Weg sind?
Dirk Heidenblut (SPD):
Wenn Menschen durch betrügerische oder andere Maßnahmen versuchen, sich Zugang wozu auch immer zu verschaffen, dann ist das ein Anlass, darüber nachzudenken, wie man dafür sorgt, dass sie das a) nicht mehr können und dass man b) ihrer entsprechend habhaft wird, damit man sie dafür bestrafen kann.
Das ist der primäre Ansatz. Wir sagen außerdem: Wir brauchen eine sichere, eine zuverlässige, eine geschützte Infrastruktur. Wir erwarten natürlich von der Selbstverwaltung, und zwar von allen Beteiligten der Selbstverwaltung, dass sie das mit sicherstellen.
Genau das wird an dieser Stelle auch passieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nutzen Sie eigentlich eine der Fitness- und Gesundheitsapps mit dem Smartphone oder vielleicht mit einem dieser wunderschönen Armbänder, die man dazu bekommen kann? Speichern Sie Ihre Schritte und versuchen, Laufbewegung und Puls aufzuzeichnen, wahrscheinlich im Internet? Nein? Na gut, dann gehören Sie wahrscheinlich wie ich zu der Spezies Mensch, die sagt: Es muss jetzt nicht alles von mir elektronisch im Internet verfügbar sein. Meine Pulsdaten gehen am Ende nur mich etwas an. - Aber wenn Sie das nutzen wollen, dann können Sie das.
Vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die leider unendlich viele Medikamente nehmen müssen und gerne sichergestellt haben würden, dass sie den Medikamentenplan in einer vernünftigen Struktur in der Hand haben - nicht nur in der Hand, sondern nach Möglichkeit auch auf elektronischen Medien -, dass die Daten aktuell sind und dass, egal zu welchem Behandler Sie kommen, Fehlmedikationen und Fehlbehandlungen - die Staatssekretärin hat das angesprochen - ausgeschlossen werden können, weil der Arzt weiß, was Sie nehmen und Ihnen das Richtige dazu verordnen kann. Wenn Sie sich dies wünschen, muss ich Ihnen sagen: Das ist leider nicht möglich.
Genau das will das Gesetz verändern. Wir wollen sicherstellen, dass Sie die Hoheit über Ihre Daten bekommen und dass solche Dinge in Zukunft für alle Beteiligten möglich werden.
Denn gerade für mehr Patientensicherheit, für mehr Hoheit über die eigenen Daten und für mehr Nutzung telemedizinischer Möglichkeiten - auch das gehört dazu; das ist ja kein Frevel - ist es dringend nötig, dass die seit Jahren angekündigte IT-Gesundheitsstruktur endlich in Schwung kommt. Wir haben das übrigens schon im Koalitionsvertrag festgehalten, leider mit ein wenig dürren Worten; aber der Minister hat daraus gleich ein recht umfangreiches und, wie ich finde, zielführendes Gesetz entwickelt.
Nun will ich hier keineswegs die Entwicklung von Apps mit unserer komplexen Telematik auf die gleiche Ebene stellen, nein, wegen der von uns zwingend zu sichernden geschützten und zuverlässigen Infrastruktur, dem deutlich höheren Maß an Datenvolumen und am Ende natürlich auch an echter Gesundheitsleistungen ist das unmöglich. Aber die Apps machen deutlich: Es gibt viele, die so etwas gerne nutzen würden, auch für die eigene Gesundheit, und es gibt eigentlich keinen Grund, warum das eine im Monats-, Wochen- oder Tagesrhythmus problemlos aktualisiert und vorgelegt werden kann und das andere - ich sage das einmal freundlich - nach etwas mehr als einem Jahrzehnt noch nicht so ganz aus den Puschen gekommen ist. Deswegen müssen wir dem einen Schub verleihen. Das tun wir mit diesem Gesetzentwurf an mehreren Stellen. Ich will drei davon kurz ansprechen.
Erstens: die elektronische Gesundheitskarte. Ich weiß, dass man sie als Politiker nicht so gerne anspricht, weil man dann häufig gesagt bekommt: Da habt ihr uns ja eine schöne Karte mit Bild beschert. - Aber so ist es eben nicht. Sie ist eine Karte, die den Schlüssel zu einem sicheren Gesundheits-IT-System und die für den Patienten und die Patientin den Schlüssel zur Hoheit über die eigenen Daten darstellt.
Natürlich bilden das Notfalldatenmanagement und der Medikationsplan, die im Gesetzentwurf vorgesehen sind, insgesamt ganz sicher noch keine elektronische Patientenakte; aber wir sind jetzt konsequenter auf dem Weg dorthin.
Zweitens: die Telematikinfrastruktur; auch sie wurde schon angesprochen. Auf diesem Wege werden Daten in Zukunft sicher über ein Netz übertragen. Die Testphasen laufen an. Ich bin sicher, sie werden nächstes Jahr erfolgreich abgeschlossen. Dann muss natürlich definiert werden: Wer darf was wie tun? Im vorliegenden Gesetzentwurf wird dafür ein vernünftiges Reglement vorgegeben. Dazu gehört, dass wir über Interoperabilität, also über vernünftige Standards, und über Zugangsmöglichkeiten reden müssen. All diese Punkte beinhaltet unser Gesetzentwurf.
Drittens - last but not least - ein Wort zur Telemedizin. Ja, Telemedizin kann eine Menge bewirken. Darauf setzen wir, auch im Hinblick auf die Versorgungsstärkung. Wir setzen auch darauf, wenn es um moderne und aktuelle Behandlungsmöglichkeiten geht. Eines ist doch völlig klar: Wenn das Ganze nicht geregelt ist - das gilt für die Nutzenbewertung genauso wie für die finanziellen Konsequenzen, die daraus erwachsen -, dann werden wir die möglichen Weiterentwicklungen an dieser Stelle nicht hinbekommen. Auch hierzu enthält unser Gesetzentwurf Regelungen.
Ich gebe zu, das ist ein Punkt, an dem man sagen kann: Darüber, ob die Beschränkung auf den Röntgenbereich die richtige Zielsetzung ist, kann man ja noch einmal reden.
Dass im Gesetzentwurf eine Regelung getroffen wurde, ist aber richtig. Außerdem werden viele Fragen zur Kommunikation und zu anderen Aspekten angesprochen, die uns ganz sicher nach vorne bringen werden.
Im Gesetzentwurf geht es auch um Sanktionen. Aber die Sanktionen - das haben Sie ein wenig unterschlagen - richten sich im Zweifel gegen die Partner, die das Ganze nicht weiter voranbringen, also zum Beispiel gegen die Ärzteschaft, gegen die KVen, gegen die gesetzlichen Krankenversicherungen. Was aus Sicht der Linken so fürchterlich daran ist - wir wollen einen Schub leisten, damit das Ganze im Interesse der Patienten endlich vorankommt -, kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Abschließend: Ich finde, unser Gesetzentwurf ist gut und zielführend. Vielleicht geht er an einigen Punkten nicht weit genug - daran kann man ja noch arbeiten -, und einige Fristansätze - auch daran kann man noch arbeiten - sind vielleicht etwas zu weit gefasst. Ich freue mich, dass wir weiter an diesem Thema arbeiten, und hoffe, dass wir das alle zusammen konstruktiv tun.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.