Das Millenniumsversprechen für 2015

Als vor zehn Jahren 189 Länder die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen unterzeichneten, haben sie der Welt ein ehrgeiziges, aber erreichbares Versprechen gegeben: Bis 2015 sollen konkrete Fortschritte erreicht werden, um Hunger und Armut zu bekämpfen, die allgemeine Grundschulbildung zu verwirklichen, die Kindersterblichkeit zu senken, HIV/AIDS, Malaria und andere Krankheiten zu bekämpfen und ökologische Nachhaltigkeit zu sichern. Außerdem soll eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufgebaut werden.

Um diese sogenannten Millenniumsziele zu erreichen, haben die entwickelten Länder versprochen, ihre Hilfszahlungen erheblich aufzustocken. Bis 2015 wollen die Industrieländer 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen.

Zwiespältige Zwischenbilanz im Jahr 2010

Diese Woche nun richten sich die Augen der Weltöffentlichkeit erneut nach New York: Nach zwei Drittel der Wegstrecke berät die Staatengemeinschaft darüber, was bereits erreicht wurde und was noch getan werden muss.

Die Zwischenbilanz ist zwiespältig: In einigen Bereichen konnten wichtige Fortschritte erzielt werden, in anderen wird es noch große Anstrengungen erfordern, um die für 2015 avisierten Ziele erreichen zu können. Der Handlungsbedarf ist immer noch enorm:

  • Die Bekämpfung der Armut stagniert. Sie bleibt wichtigstes Entwicklungsziel und eine große menschenrechtspolitische Herausforderung.
  • Die Zahl der Hungernden ist zwar laut Welternährungsorganisation unter eine Milliarde gesunken, liegt aber weit über dem Ziel der Halbierung, und noch immer stirbt alle sechs Sekunden ein Kind an Hunger.
  • Der Anteil der Kinder in Entwicklungsregionen, die eine Grundschule besuchen, konnte zwischen 2000 und 2007 von 83 auf 88 Prozent angehoben werden. Aber noch immer sind 70 Millionen Kinder vom Recht auf Bildung ausgeschlossen. Noch immer können 800 Millionen Menschen weltweit nicht lesen und schreiben.
  • Noch immer sind Frauen weltweit benachteiligt oder sogar schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. 140 Millionen Frauen leiden vor allem in Afrika und dem Nahen Osten unter schweren, dauerhaften körperlichen und seelischen Schäden in Folge von Genitalverstümmelungen. Große Rückstände gibt es nach wie vor beim Zugang von Frauen zu menschenwürdiger Arbeit und gleicher Bezahlung.
  • Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren soll bis 2015 um zwei Drittel gesenkt werden. Bislang ist aber nur eine Reduzierung um ein Drittel erreicht worden.
  • Das Ziel, die Müttersterblichkeitsrate um drei Viertel zu senken, ist bislang nur zu neun Prozent erreicht worden.
  • Das Ziel der Geberländer, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, liegt noch in weiter Ferne. Für dieses Jahr wird ein Durchschnittswert von gerade einmal 0,32 Prozent erwartet.

  

Schwarz-Gelb kürzt die Entwicklungsgelder  

Die Zwischenbilanz zeigt: Die Herausforderungen blieben enorm. Doch die schwarz-gelbe Bundesregierung bricht internationale Zusagen und kürzt die Entwicklungsgelder. So reisten Bundeskanzlerin Merkel und Entwicklungsminister Niebel zwar mit großen Worten, aber leider auch mit leeren Händen nach New York.

Am Wochenende verkündete die Bundeskanzlerin mit Blick auf die Millenniumsziele vollmundig: „Mir geht das alles zu langsam voran. Wir müssen schneller werden.“ Klingt gut. Wie weit bei Schwarz-Gelb aber die Kluft zwischen Reden und Handeln ist, zeigt sich schon allein daran, dass die Bundesregierung meilenweit davon entfernt ist, ihre Finanzzusagen einzuhalten.

Um das 0,7-Prozent-Ziel bis 2015 zu erreichen, hatte die Bundesregierung international versprochen, im laufenden Jahr 2010 als Zwischenschritt 0,51 Prozent zur Verfügung zu stellen. Doch gerade mal 0,4 Prozent haben Union und FDP im laufenden Haushalt tatsächlich  vorgesehen. Verspechen gebrochen!

Mehr noch: In den kommenden Jahren müssten die Gelder eigentlich kontinuierlich steigen, wenn das 0,7-Prozent-Ziel erreicht werden soll. Doch im Haushaltsentwurf 2011 stagnieren die Mittel auf diesjährigem Niveau. Diese Stagnation ist nicht nur ein Bruch internationaler Zusagen, sondern auch ein empfindlicher Rückschritt der deutschen Entwicklungspolitik. Doch die Bundeskanzlerin versucht ihr Scheitern auch noch als Erfolg zu vermarkten: „Deutschland wird das Geld für die Entwicklungshilfe, das wir bereit stellen, trotz unserer Sparprogramme nicht reduzieren. Das ist eine wichtige Botschaft,“ verkündete Merkel am Sonntag in ihrem Videopodcast.

Das war glatt gelogen: Denn laut Finanzplanung bis 2014 sollen die Entwicklungsgelder im Gegenteil kräftig zusammengestrichen werden. Faktisch haben sich Union und FDP von den Millenniumsentwicklungszielen längst verabschiedet.

Schwarz-Gelb beschädigt das Ansehen Deutschlands in der Welt

Nicht zum ersten und wohl nicht zum letzten Mal passen Wort und Tat bei dieser Bundesregierung nicht zusammen. Die Regierung hat erst ihren eigenen Ruf ruiniert und beschädigt nun das Ansehen Deutschlands als verlässlicher Partner in der Welt. Von den Klimazusagen von Kopenhagen bis zur Weigerung, entgegen früherer Zusicherungen den erfolgreichen Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und anderer übertragbarer Krankheiten weiter zu unterstützen – ein ums andere mal schlägt die Bundesregierung unsere internationalen Partner vor den Kopf. Insbesondere wenn es um multilaterale Initiativen geht, verweigert sie sich zunehmend der Zusammenarbeit im Rahmen der Staatengemeinschaft.

Die Bundesregierung gibt den Anspruch auf, Armut zu bekämpfen und globale Gerechtigkeit durch internationale Strukturpolitik zu fördern. Mit womöglich schlimmen Folgen: Schert sich ein bislang zuverlässiger Partner wie Deutschland nicht mehr um seine Zusagen, werden sich auch andere Länder nicht mehr in der Pflicht sehen.

SPD fordert Engagement statt leere Worte

Die Millenniumsziele lassen sich nicht mit schönen, aber leeren Worten erreichen. Für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest: Es braucht Engagement, konkrete Vereinbarungen und die notwendigen Mittel, wenn es noch eine Chance zur Erreichung der Millenniumsziele bis 2015 geben soll.

Bereits im Juni haben wir daher einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem wir eine Bestandsaufnahme des Erreichten vornehmen und die Bundesregierung auffordern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und zur engagierten Entwicklungspolitik der Jahre 1998 bis 2009 zurückzukehren.

Deutschland muss wieder eine Vorreiterfunktion im Kampf gegen Hunger und Armut in der Welt einnehmen. Dazu gehört auch, internationale Zusagen einzuhalten und die Entwicklungsgelder im Bundeshaushalt in den nächsten Jahren stetig so zu steigern, dass das Versprechen Deutschlands, bis zum Jahr 2015 einen Anteil von 0,7 Prozent für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, eingehalten werden kann.

Die Millenniumsentwicklungsziele müssen der Maßstab für den Erfolg der deutschen Entwicklungspolitik bleiben.